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Veröffentlicht auf freiburg-postkolonial.de am 26.5.2018

 

 

 

cover Scheck 2009

Rezension von:

 

Raffael Scheck:

Hitlers afrikanische Opfer.

Die Massaker der Wehrmacht an schwarzen französischen Soldaten

Im Zweiten Weltkrieg verübten Einheiten der Wehrmacht und auch der Waffen-SS im Frankreichfeldzug Kriegsverbrechen, die sich ganz spezifisch gegen schwarze französische Kolonialsoldaten richteten. Während eines Zeitfensters von Ende Mai bis Ende Juni 1940 kam es zu zahlreichen „gebilligten Massakern“ an Kriegsgefangenen Tirailleurs Sénégalais. In seinem Buch „Hitlers afrikanische Opfer“ schätzt der Historiker Raffael Scheck die Zahl der Morde auf über 3.000. Rechne man die Fälle hinzu, wo erst gar keine Gefangenen gemacht wurden, könne die Zahl grob geschätzt bei 8 - 10.000 Opfern liegen. Dies wäre etwa die Hälfte der im Krieg umgekommenen schwarzen Kolonialsoldaten und somit ein extrem hoher Anteil.

Verschiedene deutsche Einheiten verhielten sich völlig unterschiedlich, das Spektrum reichte von eben diesen Morden bis hin zu Beispielen korrekten bis sogar freundlichen Verhaltens. Wie lassen sich also die Verbrechen erklären? Zunächst einmal gab dafür keinen offiziellen Befehl (wie etwa später im Ostfeldzug). Scheck führt aber eine Reihe Gründe an: Neben kleineren situativen Faktoren des Kriegsschauplatzes sieht er in einer gezielten Kampagne von Hitler und Goebbels zur Verteufelung der schwarzen Kolonialsoldaten den Hauptgrund. Die Klassifizierung als kulturlose Bestien bedeutete, dass man sie nicht als reguläre Soldaten ansah, sie also auch nicht durch das Kriegsrecht geschützt waren. Dabei baute die Propaganda auf leicht abrufbare Stereotypen auf, die insbesondere schon während des deutschen Kolonialkrieges gegen die Herero und Nama (1904-07) geprägt worden waren. Danach wurden sie tradiert im Ersten Weltkrieg und anschließend in der Kampagne gegen schwarze Besatzungssoldaten, die aller möglichen Greueltaten, insbesondere auch Vergewaltigungen, bezichtigt wurden.

Dass die rassistische Hetze der NS-Propaganda nicht nur dem politischen Schlagabtausch mit Frankreich diente, zeigt sich beispielsweise in einem Kriegsbericht der Freiburger Zeitung über Kämpfe südlich der Somme vom 13. Juni 1940: „Hier hat der Franzose seine schwarzen ‚Kameraden’ eingesetzt. Aber er wird geschlagen an allen Stellen. Doppelt gilt die Vernichtung für die Schmach, wieder schwarze Soldaten in ihren zügellosen Instinkten und ihrer Mordgier auf deutsche Truppen loszulassen.“ Und über die Kriegsgefangenen heißt es weiter: „Mit verbissenen Gesichtern und stechenden Augen werden wir von diesen zu Bestien gedrillten Soldaten beobachtet. Es ist vorbei mit dem Blutrausch, vorbei mit der Mordgier.“ Allerdings wurden Morde und Misshandlungen nach diesem vierwöchigen deutschen ‚Blutrausch’ weitgehend wieder eingestellt und die Behandlung in den Kriegsgefangenenlagern verbessert. Dies war u. a. den wieder erstarkten deutschen Kolonialambitionen in Afrika geschuldet.

Heiko Wegmann (zuerst erschienen in iz3w Nr. 315, November / Dezember 2009)

Raffael Scheck: Hitlers afrikanische Opfer. Die Massaker der Wehrmacht an schwarzen französischen Soldaten, Verlag Assoziation A 2009, 200 S., 20,00 €.

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Siehe auch:

  • Maß, Sandra: Weiße Helden – schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918-1964 (2005) Zur Rezension
  • Bechhaus-Gerst, Marianne: Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen. Eine Lebensgeschichte (2007) Zur Rezension
  • Michels, Stefanie: Schwarze deutsche Kolonialsoldaten. Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika (2009) Zur Rezension
  • Wigger, Iris: Die „Schwarze Schmach am Rhein“. Rassistische Diskriminierung zwischen Geschlecht, Klasse, Nation und Rasse. (2007) Zur Rezension
  • Paul Garson: African Colonial Prisoners of the Germans. A Pictorial History of Captive Soldiers in the World Wars Zur Rezension