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Ein weißer Mann in Afrika - Rassismus und Geschlechterverhältnisse in Tarzanfilmen

von Peter Bräunlein*

Personen Lokalpresse

*Peter Bräunlein ist Pädagoge und freier Journalist in Ulm.

Die derzeitige Ausstellung des Ulmer »Donauschwäbischen Zentralmuseums« (2.6.-24.10.04) über den Tarzandarsteller Johnny Weissmüller findet in den Medien viel Aufmerksamkeit. Zu einer kritischen Analyse des wohl populärsten Trivialmythos des 20. Jahrhunderts trägt sie aber kaum bei. Dabei reflektiert die imaginäre Welt der Tarzanfilme einige bemerkenswerte psychosoziale Entwicklungen westlicher Gesellschaften.**

Edgar Rice Burroughs veröffentlichte »Tarzan, der Affenmensch« als Heftchenroman 1912. Der Plot war ebenso simpel wie weit hergeholt: Der englische Adlige Lord Greystoke wird nach einer Meuterei zusammen mit seiner schwangeren Gattin an der Westküste Afrikas ausgesetzt, wo sie später umkommen. Das Baby Tarzan wächst bei einer Gorillamutter auf und setzt sich in harten Kämpfen als Herrscher des Dschungels durch. Dort verliebt er sich in Jane, Teilnehmerin einer Expedition. Als literarische Vorbilder nannte Burroughs das »Dschungelbuch« von Rudyard Kipling und antike Sagen. Das Hintergrundmaterial entnahm er vor allem dem unseriösen Reisebericht des amerikanischen Sensationsjournalisten H.M. Stanleys, »In Darkest Africa« (1890). Burroughs ergänzte sein ohnehin schon stark fiktives Afrika darüber hinaus um etliche versunkene Reiche, deren Vorbilder er wohl in Rider Haggards Romanen und in der Antike fand. Trotz dieser fragwürdigen Quellen beeinflusste Burroughs die Wahrnehmung Afrikas in der westlichen Öffentlichkeit im 20. Jahrhundert entscheidend mit.

Bis zu seinem Tod 1950 verfasste Burroughs 26 Tarzan-Romane, die mittlerweile in 58 Sprachen übersetzt wurden und eine Gesamtauflage von über 50 Millionen erreichten. Er sicherte sich die Verwertungsrechte an der Tarzan-Figur und betrieb als einer der ersten Autoren ein erfolgreiches Merchandising. So profitierte Burroughs selbst von Filmen, die kaum mehr etwas mit seinen Romanen zu tun hatten, und er behielt sich – sowie seinen Erben – inhaltliche Einflussnahme vor.

»Was war im Gepäck?«

Bereits 1917/18 wurde »Tarzan« verfilmt und spielte als einer von wenigen Stummfilmen über eine Million Dollar ein. Zehn Jahre später traten Burroughs’ Schwiegersohn und seine Tochter in dem Stummfilm »Tarzan und der goldene Löwe« (USA 1927) auf. Die erste darin gezeigte Tafel benennt den Hintergrund des Geschehens: »Im Herzen des Dschungels, in einer geheimnisvollen Gegend in Zentralafrika, wohnt ein mutiger weißer Mann.« Untermalt von Szenen mit (pseudo-)afrikanischen Tänzen wird der »Kriegerstamm der Wazari« beschrieben: »Die Wazari, die den Mut des Dschungelhelden Lord Greystoke bewunderten, wählten ihn zu ihrem Chef und nannten ihn Tarzan.« Andere »Stämme« trafen eine weniger kluge Wahl. Zwei weiße Verbrecher beherrschen eine Wazari-Abspaltung, und auch »die Tangani, ein abergläubischer Stamm, werden von einer Gruppe von Weißen angeführt, die sich Söhne der Sonne nennen.« Besonders gefährlich ist deren »Zauberer und Hexenmeister«, der die Schwester Tarzans opfern will, was Tarzan aber in letzter Minute verhindert. Kurz: Als eigenständige Charaktere tauchen Afrikaner in diesem Film nicht auf, sie befolgen lediglich die Befehle weißer Helden oder Bösewichter.

Der Tonfilm »Tarzan, der Herrscher des Urwalds« (USA 1932), das Debüt Johnny Weissmüllers als Tarzan, enthielt erstmals den legendären Tarzanschrei und setzte durch seine aufwändige Ausstattung Maßstäbe. Er hielt sich weitgehend an Burroughs’ Vorlage. Tarzan entführt Jane, die ihren nach Elfenbein gierenden Vater auf eine Expedition begleitet. Jane und Tarzan verlieben sich. Wieder greift kein einziger Afrikaner in die Handlung ein. Stattdessen peitschen Weiße grundlos Afrikaner aus. Trommeln und Tanzen liefern (pseudo-)afrikanisches Lokalkolorit. Afrikaner sind so unwesentlich, dass sich die Weißen zunächst fragen, als ein afrikanischer Träger einen Felsen hinunterstürzt und stirbt: »Was war in dem Gepäck?«

Die beiden letztgenannten Filme wurden weder in Afrika gedreht, noch spiegelten sie – wie verzerrt auch immer – die Realität des damaligen Kolonialismus wider. Sie beziehen sich vielmehr auf die zum Zeitpunkt der Produktion mindestens fünfzig Jahre vergangene Epoche der »Erforschung« Afrikas. Dagegen platziert »Tarzans größtes Abenteuer« (USA 1959), einer der ersten Tarzanfilme, der weit gehend in Afrika (Kenia) gedreht wurde, den Filmhintergrund in die Kolonialzeit. Nachdem das Publikumsinteresse an Tarzan nachgelassen hatte, war dieser actionreiche Film mit einem neu konzipierten Tarzan wieder ein Kassenfüller. Tarzan kooperiert darin mit den Kolonialbehörden und besiegt eine Gruppe weißer Gangster, die auf Diamantensuche sind. Afrikaner tauchen weiterhin nur in unbedeutenden Nebenrollen auf. Dass sich die Weißen anfangs bei einem Überfall als Afrikaner schminken, deutet jedoch immerhin die für das damalige weiße Publikum bedrohliche Möglichkeit an, dass Schwarze tatsächlich selbstständig handeln könnten – in Zeiten der antikolonialen Mau-Mau-Bewegung in Kenia ein erschreckender Gedanke.

Ein Fantasy-Held

Danach wurden die Schauplätze der Tarzanfilme teilweise nach Indien, Thailand und Brasilien verlegt. Erst in »Tarzan, der Herr des Urwalds« (USA 1981) mit Bo Derek als Jane kehrt Tarzan nach Afrika zurück. Zwar mussten auf Betreiben der Burroughs-Erben einige besonders »anstößige« Stellen entfernt werden, trotzdem ist die Sexualisierung des Tarzan-Genres unübersehbar. Als barbusige Trägerinnen, als halbnackte Gespielinnen eines weißen Gewaltherrschers und als Geliebte von Janes Vater sind Afrikanerinnen erstmals in größerem Umfang in Tarzanfilmen präsent. Zur Handlung tragen sie allerdings über ihre bloße Anwesenheit hinaus wenig bei. Neu ist, dass Afrikaner bei schwierigen Aufgaben eine Lohnerhöhung erhalten. Ihre grundlose Angst, eine Folge ihres Aberglaubens, überwinden sie trotzdem nicht.

In »Tarzan: Die Rückkehr« (USA 1996) wird Tarzan zum Fantasy-Helden. Auf der Suche nach einem magischen Amulett besteht er eine Reihe übernatürlicher Abenteuer. Während frühere Tarzanfilme die Afrikaner als abergläubisch denunzierten, stellt dieser Film die Magie – bei der es sich allerdings um eine seltsame Mischung aus Orientalismen und Afrikaklischees handelt – als faszinierend dar. Zwar tragen Tarzans afrikanische Gefährten immer noch nicht entscheidend zur Handlung bei, doch werden sie zumindest als eigenständige Charaktere sichtbar.

Die neueren Tarzanfilme verzichten auf die früher gängige Erniedrigung von Afrikanern, etwa durch Auspeitschen. Einige angeblich mit Afrika verknüpfte Phänomene wie Magie werden sogar ins Positive umgedeutet. Doch in allen Filmen von 1927 bis 1996 bleibt gleich, dass es in Afrika ausschließlich Dörfer, aber keine Städte gibt, und Afrikaner in ärmlicher Bekleidung gerne tanzen und trommeln. Auch der tierliebe Tarzan fühlt sich nur im Dschungel, nicht aber in den USA oder Europa wohl: »Meine Heimat ist der Dschungel« (1996). Diese Heimat verteidigt er gegen bösartige Weiße und von diesen verführte Afrikaner. Afrikanern, die seine Überlegenheit anerkennen, hilft Tarzan selbstlos.

Das Bild der Afrikaner in den Tarzanfilmen unterliegt also nur ansatzweise Veränderungen. Das Bild des weißen Mannes und der weißen Frau wandelt sich hingegen deutlich. Während sich der moralisch integre Tarzan mit den meisten anderen weißen Männern herumärgern muss und sie wegen ihrer Unmoral bekämpft, hat Tarzan zu weißen Frauen fast immer ein gutes Verhältnis. In gefährlichen Situationen setzt er sein Leben für sie aufs Spiel. Dabei hat es Tarzan allerdings mit zunehmend selbstsicher auftretenden Frauen zu tun.

Asexuell sexualisiert

Bereits im Film von 1932 wagt sich Jane gegen den Wunsch ihres Vaters in den gefährlichen Dschungel. Doch muss sie dort feststellen, dass sie im Notfall auf Tarzan angewiesen ist. Während sie 1932 am Ende aber noch bei Tarzan bleibt, verlässt sie ihn 1959 bereits. 1981 dominiert Jane Tarzan so sehr, dass dieser zu einer Randfigur wird. 1996 kämpft Tarzan dann in beträchtlichem Maße gegen bösartige weiße Frauen. Die vom Filmkritiker Georg Seeßlen für die Weissmüller-Tarzanfilme konstatierte filmische Utopie (»Es war die Geschichte der Befreiung der Frau durch den paradiesischen Mann und die Geschichte der Zivilisierung des Mannes durch die Frau«, Georg Seeßlen: Abenteuer. Geschichte und Mythologie des Abenteuerfilms. Marburg: Schüren, 1996, S. 209) – galt aber immer nur für Weiße. Die weißen Frauen äußern vor allem in den frühen Filmen gelegentlich Mitleid mit Afrikanern, eine Beziehung gehen sie mit ihnen aber ebenso wenig ein wie mit Afrikanerinnen.

Abgesehen vom Bo-Derek-Film von 1981 sind die Tarzanfilme seltsam asexuell. Zwar zeigen Weissmüller und seine Jane für die 30er und 40er Jahre erstaunlich viel Haut, aber es kommt noch nicht einmal zu angedeuteten sexuellen Beziehungen. Als in »Tarzan und sein Sohn« (USA 1939) ein weißer Junge bei Tarzan und Jane auftaucht, macht der Film klar, dass es sich um ein Adoptivkind handelt. Verantwortlich für diese wenig glaubwürdigen Filmgeschichten war vor allem die damalige amerikanische Prüderie, ein Faktum, das auch andere Hollywoodfilme berücksichtigten. Außerdem achtete Burroughs bei der Rechteverleihung an Tarzanproduzenten besonders auf die Vermeidung expliziter sexueller Szenen oder auch nur Anspielungen auf Sex. Zum anderen aber war und ist Tarzan als ethisch reine Figur konzipiert. Daraus folgte in den frühen Filmen, dass er sich zwar verliebt, aber zur geliebten Frau Distanz hält.

In den meisten Tarzanfilmen weiß Tarzan nicht, wie er sich weißen Frauen gegenüber verhalten soll (schwarzen Frauen nähert er sich ohnehin nie). Während er sich 1932 ruppig benimmt, ist er 1959 zwar etwas selbstsicherer, aber eine Beziehung zur weiblichen Hauptfigur kann er dennoch nicht aufbauen. 1981 ist ihm Jane so überlegen, dass sie die Initiative ergreift und den zwar schönen, aber zurückhaltenden Tarzan verführt. Afrikanerinnen tauchen in den späteren Filmen vermehrt auf, allerdings in einer weißen Männern unterlegenen, sexualisierten Rolle. Beziehungen zwischen Afrikanern und Afrikanerinnen werden in Tarzanfilmen nicht thematisiert.

Diese Veränderungen in den Tarzanfilmen reflektieren die soziale Evolution der westlichen Gesellschaften. Die starren Geschlechterrollen lösen sich teilweise auf, Multikulturalität und eine wachsende Akzeptanz außereuropäischer Kulturen tragen zu einer Überwindung offener Diskriminierung von Schwarzen Menschen bei. Im Gefolge des zunehmenden Bedeutungsverlustes des Christentums kommt es zu einer positiveren Bewertung von Magie, etwa in der New-Age-Bewegung. Die weiterhin untergeordnete Rolle von Afrikanern und die Sexualisierung von Afrikanerinnen in den neueren Tarzanfilmen weist jedoch darauf hin, dass rassistisches Denken nicht überwunden ist, sondern in einer ‘modernisierten’ Version weiterexistiert. Dies zeigen auch einige populäre gesellschaftliche Trends wie der Boom weiblicher weißer Afrikaliteratur (Zweig, Hofmann u.a.), die Sexualisierung des weiblichen schwarzen Körpers in Videoclips und die exotistische Faszination für alle möglichen Spielarten von außereuropäischer »Spiritualität«.

Tarzans deutscher Sonderweg

Viele FilmkritikerInnen beanstandeten von Beginn an die anspruchslose Handlung und die klischeeartige Charakterisierung der Hauptfiguren in den Tarzanfilmen. Dem kommerziellen Erfolg der meisten Verfilmungen aber schadete diese eher bildungsbürgerliche Kritik wenig. Sie war nicht in der Lage zu beantworten, warum Menschenmassen in die Kinos strömten, obwohl die Filme meist zuvor ironisch oder offen ablehnend besprochen wurden. Tarzan reüssierte zudem nicht nur bei Europäern und Nordamerikanern, für die das freie Leben als Dschungelherrscher der fantasierte Ausgleich zu einem realen Leben in einer abhängigen Position war. Selbst in Afrika fand Tarzan viele Anhänger. In Kairo etwa lief »Tarzan, Bezwinger der Wüste« (USA 1943) trotz seiner anti-arabischen Tendenz 18 Wochen lang in den Kinos. 1958 applaudierten Weissmüller, der Kuba auf Einladung Batistas besuchte, sogar aufständische Castro-Soldaten. Und noch 2002 veröffentlichte Angola einen Briefmarkenblock zu Tarzan.

In Deutschland wurden die Tarzanfilme in ganz besonderer Weise rezipiert. Burroughs’ ins Deutsche übersetzter Roman »Tarzan bei den Affen« (1923) war ein so großer Publikumserfolg, dass ein Jahr später bereits die 100. Auflage erschien. Doch als Burroughs im Herbst 1924 einen Band veröffentlichte, in dem Tarzan »Hunnenoffiziere« in Ostafrika besiegt, verschwanden die Tarzan-Bücher nach Protesten von Deutschnationalen aus den Buchhandlungen. »Tarzan, der Herrscher des Urwalds« kam zwar im Januar 1933 in die deutschen Kinos, doch 1934 verboten die Nationalsozialisten den Film nach einem von der württembergischen Regierung angestrengten Verfahren. Die Oberprüfstelle begründete dies so: »Die Nationale Regierung ist bemüht, im deutschen Volke ein gesundes Rasseempfinden wachzuhalten und das Verantwortungsbewusstsein auf diesem Gebiet nach Möglichkeit zu stärken. Diesen Bestrebungen würde es zuwiderlaufen, wenn im Film gezeigt würde, wie ein Urwaldtier, ein affenähnliches Wesen, von einer Frau umworben, gehegt und geliebt wird. Durch Ausschnitte würde an der Tendenz des Films nichts geändert. Der Film ist vielmehr seinem gesamten Inhalt nach geeignet, das Rassenempfinden zu verletzen und damit den Aufklärungsbestrebungen der Regierung entgegenzuwirken.« (zit. nach: Reiner Boller/ Julian Lesser: Tarzan und Hollywood. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2004). Tarzan wurde also von den Nationalsozialisten nicht als unzivilisierter Weißer angesehen, wie dies Jane im Film tut, sondern als affenähnlicher Untermensch. Das Verbot erstreckte sich auch auf die folgenden Tarzanfilme, besonders aber auf den Weissmüller-Film »Tarzan und die Nazis« (USA 1942), in dem Tarzan deutsche Fallschirmspringer im Dschungel besiegt. Dass »Tarzan und die Nazis« erst 1971 im deutschen Fernsehen gezeigt wurde, verweist darauf, wie zögerlich sich die deutsche Öffentlichkeit mit der nationalsozialistischen Vergangenheit befasste. Nachdem Tarzan während des Dritten Reiches aus der deutschen Öffentlichkeit verschwunden war, begann Johnny Weißmüllers Siegeszug durch die Kinos erst in den 50er Jahren, und das, obwohl die Feuilletons dies gar nicht guthießen. »Der neue Film« etwa verspottete 1953 den aus dem Jahr 1938 stammenden Streifen »Tarzans Vergeltung«: »Wieder schreitet und reitet Johnny-’Tarzan’-Weissmüller durch sein Reich, den Filmurwald. [...] Die bösen Feinde werden vernichtet. Mit der befreiten Braut kehrt der Sieger heim in sein Heim, hoch droben im Baum. Für die Leserinnen von Frauenmagazinen. Für die Anbeter der Kraft.« Doch das deutsche Publikum ließ sich davon nicht beirren. Während Weissmüller in den USA als Filmstar ausrangiert wurde, sich mit Schwimmshows und dem Verkauf von Schwimmbädern durchschlug und schließlich in einem Hotel in Las Vegas gegen Bezahlung die Gäste begrüßte, fand er im BRD-Fernsehen ein dankbares Publikum. Dazu trug bei, dass er in fünfter Ehe mit einer angeblichen Wittelsbacherprinzessin verheiratet war.

Kritiklose Fans

Bis heute üben Weissmüller und der Tarzan-Mythos in Deutschland eine ganz besondere Faszination aus. Zu seinem hundertsten Geburtstag 2004 findet in Ulm die weltweit einzige Ausstellung statt. Von einer kritischen Befassung mit dem Weltbild der Tarzanfilme ist diese Präsentation allerdings weit entfernt. Ähnliches gilt für den reich illustrierten Band »Tarzan und Hollywood. Von Johnny Weissmüller bis Gordon Scott«, der jüngst im Berliner Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschien. Darin werden die Tarzanfilme nacherzählt und Hollywoodklatsch ausgebreitet, aber es wird keinerlei Versuch unternommen, sie kulturhistorisch zu analysieren. Es handelt sich um ein Fanbuch ohne einen Funken Kritik etwa am Rassismus der Filme, der den Autoren anscheinend völlig entgeht. Schlimmer noch, sie verwenden in ihren Filmbeschreibungen durchgängig fragwürdige Begriffe: »Tödliche Gefahr geht von einem Eingeborenenstamm aus« oder »Eingeborene in Leopardenfelle gekleidet unternehmen mörderische Überfälle auf Karawanen. Tarzan stellt sich dem Spuk entgegen und bringt die böse Herrscherin zu Fall.«

Im Vergleich dazu nimmt sich selbst die nicht gerade auf Distanz gehende Biografie, die Johnny Weissmüller Jr. über seinen Vater schrieb, selbstkritisch und aufgeklärt aus. Weissmüller Jr. stimmt darin ausdrücklich folgender Aussage des schwarzen Autors E.B. Holtsmark zu: »Tarzan verkörpert die Mythen der westlichen Zivilisation. Es gibt einen gewissen Rassismus in den Romanen, aber man kann die Vergangenheit nicht nach den Maßstäben der Gegenwart beurteilen.« (E.B. Holtsmark, zit. in: Johnny Weissmuller Jr.: Tarzan My Father, Toronto: ECW Press, 2002, S. 216 ).


Zur Person: Johnny Weissmüller (1904-1984)

Wie kein anderer Tarzandarsteller wird Johnny Weissmüller bis heute mit seiner Filmrolle identifiziert. Schon Burroughs hielt ihn für die ideale Besetzung, wie er in einem Brief an den Regisseur von »Tarzan, der Herrscher des Urwalds« 1932 verdeutlichte: »Das ist ein echter ‘Tarzan’-Film. Er atmet das finstere Geheimnis des Dschungels; den endlosen, unbarmherzigen Streit ums Überleben; die Männlichkeit, die Grausamkeit, und die Würde der Natur in ihrer Urwüchsigkeit ... Johnny Weissmüller ist ein großartiger ‘Tarzan’ mit Jugend, einem erstaunlichen Körperbau und einer anziehenden Persönlichkeit.« Umgekehrt identifizierte sich auch Weissmüller hochgradig mit seiner Rolle. Seine Biografie bietet ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie sich Fantasie und Realität im Tarzanmythos aufeinander beziehen. Johnny Weissmüller wurde 1904 in Freidorf, einem überwiegend deutschsprachigen Dorf im donauschwäbischen Banat (heute Rumänien) geboren. Seine Eltern wanderten wenige Monate nach seiner Geburt in die USA aus. Er wuchs in Chicago in einem Viertel der Banater Schwaben auf, wo er an Jodelwettbewerben teilnahm und dabei die Grundlagen für den Tarzanschrei legte. Sein Vater betrieb mit wenig Erfolg eine Kneipe, verprügelte die Familie und trennte sich schließlich von ihr.

Im Alter von 12 Jahren verließ Weissmüller die Schule, lebte zeitweise auf der Straße und schlug sich als Liftboy und Page durch. Nachdem ein Trainer sein Schwimmtalent entdeckt hatte, wurde er 1924 für die US-Olympiamannschaft nominiert. Da er nur als US-Bürger teilnehmen konnte, aber keine US-Staatsbürgerschaft hatte, wurde das Taufregister seines 1905 in den USA geborenen Bruders Peter gefälscht. Peter war durch seine Geburt US-Bürger geworden, weshalb Johnny unter Peters Identität startete. Auch später verleugnete Johnny Weissmüller seine Herkunft. Dem Vater dichtete er eine Offizierskarriere an und ließ ihn nach der Trennung von der Mutter 1918 sterben. Tatsächlich lebte er noch 20 Jahre. Mit der Freidorfer Verwandtschaft gab es keinen Kontakt. Erst Weissmüllers Sohn Johnny Jr. traf die mittlerweile nach Deutschland ausgewanderten Onkel und Tanten bei der Ulmer Ausstellungseröffnung. Doch obwohl Weissmüller sich seine Staatsbürgerschaft erschwindelt hatte, verstand er sich trotzdem als US-Amerikaner und wurde zeitweise dort auch als Nationalheld angesehen.

Obwohl er als fünfmaliger Goldmedaillengewinner weltberühmt war, unterwarf sich Weissmüller dem Diktat der Filmgesellschaften. Er akzeptierte, dass sich seine Filmrolle nicht entwickelte und er kaum Text bekam. Stattdessen begnügte er sich damit, zu schwimmen, auf Elefanten zu reiten und mit Löwen zu kämpfen. Weissmüller ließ es auch zu, dass die Filmgesellschaft seiner ersten Frau, einer Nachtklubsängerin, aus Imagegründen die Scheidung mit einer Abfindung von 10.000 Dollar schmackhaft machte. Doch auch mit den nächsten drei Ehefrauen kam Johnny nicht klar. Nach außen gab er sich gern als harter Mann, trank exzessiv und veranstaltete waghalsige Motorbootrennen. Für Weissmüller, der laut der 2002 veröffentlichten Biografie »Tarzan My Father« seines Sohnes einen »riesigen Minderwertigkeitskomplex« hatte, war die Tarzanrolle ein idealer Fluchtpunkt: »Mein Vater glaubte, er sei Tarzan.« Wenige Jahre vor seinem Tod soll er in einem Krankenhaus Patienten mit dem Tarzanschrei erschreckt haben. Für Weissmüller wurde der edle Herrscher des Urwalds, der Jane vor wilden Tieren rettet und Bösewichter bestraft, ein ganz persönlicher Tagtraum von einem besseren Ich in einer besseren Welt. 1984 starb er verarmt nach mehreren Schlaganfällen in Acapulco (Mexiko). Peter Bräunlein


**Dieser Text ist entnommen aus: iz3w Nr. 280 (2004), S. 40ff.

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