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Dokumentation:

Über den deutschen Überseehandel

Freiburger Zeitung, 1. November 1888 (Tagesausgabe), 1. Seite

Ueber „Deutschlands überseeischen Handel sonst und jetzt“ schreibt die „Deutsche volkswirtschaftliche Korrespondenz“: Die Firmen in Hamburg und Bremen, sowie deren Filialen im Auslande, vererbten sich gewissermaßen nach dynastischen Prinzipien; Kapital und geschäftliche Verbindungen gingen vom Vater auf den Sohn, vom Onkel auf den Neffen über, und nur da, wo einmal eine Lücke in der verwandtschaftlichen Succession entstand, war es einem erprobten und beliebten Angestellten der Firma möglich, in der Leitung derselben eine unabhängige und maßgebende Stellung zu erringen. Grundsätzlich lässt sich gegen die Vortrefflichkeit dieser Ordnung der Dinge ja nichts einwenden, ohne Zweifel trug sie gewaltig dazu bei, die weltbekannnte Solidität der Hamburger wie Bremer Geschäftswelt zu erhalten und zu befestigen; und wäre der Spielraum für die Initiative der anderen, welche außerhalb jener Patrizierkreise standen, nicht gar zu beschränkt gewesen, so dürfte an den erwähnten Einrichtungen und Gewohnheiten auch heute nicht das Geringste auszusetzen sein. Allein gerade derselbe Reichthum und dieselbe Vorsicht, welche jenem System einerseits zum Lobe gereichen, schufen andererseits den Nachtheil desselben. Der reiche und vorsichtige Patrizier ließ sich nie auf Unternehmungen ein, deren Ausgang ihm nicht als zweifellos gesichert und nicht als sehr vortheilhaft erschien. War der Gewinn nicht sogleich in den ersten Jahren sehr groß, so verzichtete er darauf, sein ohnehin schon sehr ausgedehntes Geschäft noch zu vergrößern. Der Unternehmungsgeist aber wurde auf diese Weise leider nur in beschränktem Maße gefördert. Auf der anderen Seite besaßen jene Kreise eine so große Einsicht, eine so weitreichende Kontrolle in der Geschäftswelt, daß es ihnen ein leichtes war, jede in Hamburg bezw. Bremen sich regende Konkurrenz, welche mit ihnen selbst nicht in engster Fühlung stand, zu bekämpfen und nicht aufkommen zu lassen. Heute, nachdem der Handel sich in erfreulichster Weise über seinen ehemaligen engen Rahmen weit ausgedehnt hat, auch die beiden großen deutschen Hansestädte nicht mehr isolirt, sondern mit dem deutschen Vaterlande endlich eng verbunden sind, ist es dringend zu wünschen, daß sich das Kapital und der Unternehmergeist, welche bis jetzt im deutschen Binnenlande wirken, in Zukunft mehr, als es ehemals geschehen, nach Hamburg und Bremen wenden, wo es zuverlässige und kompetente Kräfte genug giebt, um sich an die Spitze neuer Unternehmungen zu stellen, ohne deshalb die Ueberlegenheit der alten scheuen zu müssen. Daß es zur Bethätigung kaufmännischen Unternehmergeistes aber Raum und Gelegenheit noch genug giebt, darüber finden wir in den Berichten der Hamburger wie Bremer Handelkammer fortgesetzt Beweise genug.“


Scan der Originalseite auf dem Server der UB-Freiburg

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