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Dokumentation:

SPD in Freiburg zu Reichstagswahl und Kolonialfrage ;

Pater Acker zu Ostafrika: "Gott will, dass wir kolonisieren"

Freiburger Zeitung, 11.01.1907, 2. Blatt, 1. Seite

"Zur Wahlbewegung. Die sozialdemokratische Partei Freiburgs hielt Donnerstag abend im Adlersaale eine Wählerversammlung ab, die sehr gut besucht war. Der Kandidat der Partei für die bevorstehende Reichstagswahl, Herr Landtagsabgeordneter Kräuter, trat zum erstenmal auf den Plan. Er sprach zunächst allgemein über die Reichstagsauflösung, über Kolonialpolitik und die sog. Kolonialskandale und vertrat dabei den bekannten sozialdemokratischen Standpunkt. Seine Ausführungen in dieser Richtung decken sich mit denen, die Herr Landtagsabg. Kolb kurz nach der Reichstagsauflösung bereits in einer Versammlung im Löwenkeller entwickelt hat. Die Sozialdemokratie sei gegen die Kolonisation, Kolonialpolitik und –verwaltung wie sie von Deutschland betrieben werde. Sie bewillige darum 'keinen Mann und keine Groschen' für die Kolonien, an deren Rentabilität gar nicht zu denken sei. Sie veranlasse die sofortige Beendigung des Krieges. Man möge erst im eigenen Lande kulturellen Bedürfnissen Rechnung tragen bevor man ins Ausland gehe. Wenn auch die Ablehnung der Nachtragsforderung den Anlass zur Reichstagsauflösung gegeben habe, so träten die Kolonialfragen doch in den Hintergrund gegenüber all den Aufgaben, die der Reichstag auf den verschiedensten anderen Gebieten zu lösen habe (...)"

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Freiburger Zeitung, 11.01.1907, 3. Blatt, 1. Seite

"Was unsere Kolonien rentabel machen kann. Der wohlbekannte Provinzial der Väter vom hl. Geist in Knechtsteden, P. Acker, der schon in zahlreichen Abteilungen der Deutschen Kolonialgesellschaft und in sonstigen Vereinen für die Entwicklung der Verkehrsmittel in den Kolonien eingetreten ist, hat in Euskirchen einen Vortrag gehalten, worüber die Euskirchener Ztg. berichtet. Der Redner sprach von der Notwendigkeit, zu kolonisieren und von der Aufgabe der Mission; dann kam er auf die Verkehrsfragen. Der Bericht über diesen Teil des Vortrages lautet: 'Ostafrika ist zweimal so groß wie Deutschland, hat sehr fruchtbare Landstriche, aber nur 7½ Millionen Einwohner. Das Land ist durch die früheren Sklavenjagden und durch den noch heute üblichen Kindesmord stark entvölkert, unsere Aufgabe muss es sein, gute Sitten im Lande zu verbreiten, der Kolonie zu entsprechender Bevölkerung zu verhelfen, indem wir überall aufklärend und belehrend auf die Schwarzen einwirken.'

Das, meint Pater Acker, wäre neben der Erziehung der Schwarzen zur Arbeit der zweite Hauptzweck der Kolonisierung. Dann fährt er weiter fort: 'Soll nun aber ein solch kostspieliges Arbeitsfeld auch seinen Bearbeitern materiellen Gewinn bringen, so ist es unbedingt notwendig, daß die Kolonie durch Verkehrswege erschlossen wird. Der Handelsverkehr vollzieht sich in Ostafrika auf schmalen Pfaden, die Produkte müssen auf dem Kopfe der Menschen transportiert werden. Neunzig Tagreisen sind es vom Nyassasee bis zur Küste. Der einzelne Träger ist nur im Stande eine Last von 60 Pfund zu tragen. Da begreift es sich wohl, wie unter diesen vorsintflutlichen Verkehrsverhältnissen ein Handel und Wandel nicht aufkommen kann. Auch die Arbeitsfreudigkeit der Eingeborenen leidet darunter, ihre Produkte und auch die der Farmer in entlegenen Gebieten werden zu sehr verteuert, als daß sie mit anderen an der Küste konkurrieren können. Diese Wegelosigkeit ist weiter für die Unterdrückung von Unruhen ein furchtbares Hemmnis. Ein halbes Jahr vergeht regelmäßig, ehe eine Strafexpedition im Hinterlande eingreifen kann. Dann aber wissen die Schwarzen meist schon gar nicht mehr, weshalb sie gezüchtigt werden. Wäre es möglich den Vergehen die Strafe auf den Fuße folgen zu lassen, die Schwarzen würden sich hüten, Aufstände anzuzetteln und Gewaltätigkeiten zu begehen.

Hier helfen nur Schienenwege. Mit der Erbauung geeigneter Eisenbahnlinien steht und fällt die ganze Kolonie. Die Engländer haben in den Nachbarkolonien Eisenbahnen nicht allein durch ihre Länder gezogen, nein, sie haben auch gute Anschlusswege nach unseren Grenzen gebaut, um nur den ganzen Verkehr nach ihrem Gebiete zu ziehen. Die englischen Bahnen rentieren sich jetzt schon mit 2 ½ Proz. Dazu muss man aber noch den ungeheuren indirekten Wert rechnen, den die Eisenbahnen dem Lande bringen. Im Westen der Kolonie liegt ein Dorf nahe einer englischen Station; dieses Dorf ist in kurzer Zeit von 800 Einwohnern auf 7000 hinaufgeschnellt. Der Nutzen der Eisenbahnen ist so offensichtlich, daß es nicht zu verstehen ist, wie die Mehrheitsparteien der Regierung der Kolonialverwaltung die Mittel zum Bahnbau haben verweigern können.

Alle einsichtigen Männer, die in den Kolonien gelebt haben, sind darin einig, daß nur die Erschließung der Kolonien durch Eisenbahnen ihnen zum Aufschwung verhelfen kann. Wir haben Kolonien, und wenn wir Kolonien haben wollen, müssen wir sie auch halten. Auf die Dauer ist dieß aber nur möglich, indem man ihnen die so notwendigen Eisenbahnen gibt. Ohne Eisenbahnen keine Sicherheit, ohne Eisenbahnen keine wirtschaftliche Entwicklung. Sehr wertvolle Landstriche enthält das herrliche Ostafrika. Eine vorzügliche Baumwolle wächst dort; aber die besten Gebiete liegen weit im Innern. Wie soll man hinkommen, wie soll man Maschinen dorthin bringen, wie will man von dort mit den Produkten zur Küste kommen, da es keine Wege und Stege gibt und jede Last nur durch Menschen (Träger) befördert werden kann! Wie soll die Schutztruppe rasch von einem bedrohtem Punkt zum anderen gelangen?'

Pater Acker versteht nicht die Handlungsweise des Reichtages, die einem solch entwicklungsfähigem Land die Mittel vorenthält, die es unbedingt zur Blüte bringen würden. Parteirücksichten könnten da doch nicht maßgebend sein. Die ganzen Gewinne der Kolonie heimsten immer mehr die Engländer ein; der Verkehr ziehe sich immer mehr nach deren Gebiet hin, und wenn wir so verblendet sein sollten, unsere Kolonie aufgeben zu wollen, so griffe England ganz gewiß mit beiden Händen zu. Heute gehöre zum Kolonisieren die Eisenbahn, und derjenige, der ihn der Kolonie vorenthalte, handle nicht im Interesse des Vaterlandes und auch nicht nach Gottes Willen. 'Gott will, daß wir kolonisieren; ohne Eisenbahnen ist aber ein vernünftiges Kolonisieren nicht möglich. Wer gegen die Eisenbahnen ist, handelt demnach gegen Gottes Gebot, der da sprach: <Gehet hin in alle Welt und lehret die Völker.> In begeisterten Worten sprach so der geistliche Redner über das Land, in dem er fast ein Menschenalter gewirkt und gearbeitet hat, auch im Interesse des Vaterlandes, im Interesse der wirtschaftlichen Hebung der Kolonie. Wie es solchen Mann schmerzen muß, und wie er nicht begreifen kann, daß man einer deutschen Kolonie das einzige Mittel, das ihr helfen kann vorenthält, ist sehr verständlich."

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