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Räuber, Retter und Gelehrte

Die Debatte um die Rückgabe geraubter Kulturgüter

 

Räuber, Retter und Gelehrte - Die Debatte um die Rückgabe geraubter Kulturgüter

Viele Kunst- und Kulturobjekte in westlichen »Völkerkundemuseen« sind Relikte der Ausplünderung durch koloniale Herrschaft. In jüngster Zeit stellen postkoloniale Staaten und Gemeinschaften Forderungen nach der Rückgabe der archäologischen und kulturellen Schätze. Die aktuellen Plünderungen von Kulturgütern in vielen ehemaligen Kolonien zeigen, dass dieses Problem nicht der Vergangenheit angehört, sondern durch den prosperierenden illegalen Handel neuen Aufschwung erhalten hat.

von Tanja Berger*

Im Zuge des Kolonialismus und des Überseehandels wurden seit dem 15. Jh. von Missionaren, Kolonialbeamten, Handelsreisenden und Abenteurern so genannte »Kuriositäten« aus Asien, Afrika und Amerika nach Europa gebracht. Neben der Plünderung der Goldschätze weckte das Exotische und Fremde die Faszination der Europäer. Ästhetische Fragen standen zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Vordergrund. Die gesammelten Ethnographica wurden ab dem 16. Jh. in Wunderkammern und Kuriositätenkabinetten ausgestellt, die zunächst nur einem erlesenen Publikum Zugang gewährten. Im 17. Jh. wurden die Kammern auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich, und man konzentrierte sich in der Folge auf die Präsentation von Kunstwerken, die den Schönheitsidealen der griechischen und römischen Antike entsprachen. Die Exponate wurden dabei jedoch ihrem historischen und kulturellen Kontext völlig entrissen. Gleichzeitig mit der Kolonisierung der pazifischen Inselwelt in der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurden in Europa die großen Völkerkundemuseen gegründet. Hauptanliegen war nunmehr die wissenschaftliche Erforschung der »gesammelten« Objekte. In der Annahme, die angetroffenen Kulturen befänden sich kurz vor ihrem Untergang, bemühten sich die Forscher, möglichst viele der noch vorhandenen Kulturgüter zu »retten«. (1)

Besitz und Anspruch

Die Objekte ethnographischer Museen wurden aus kolonialem Selbstverständnis und wissenschaftlicher Neugier heraus aus den besetzten Gebieten entfernt. Dass dabei der materielle Wert nicht unbedingt an erster Stelle stand, heißt nicht, dass die Güter nicht auch unter Gewaltandrohung und -anwendung entrissen oder entwendet wurden. Für den Stellenwert eines Museums waren früher – und sind leider zum Teil noch heute – zunächst quantitative Kriterien ausschlaggebend: Ein erfolgreicher Museumskurator zeichnete sich durch eifrige Sammeltätigkeit aus, und je umfangreicher die Bestände eines Museums waren, um so besser galt sein Ruf. Erst an zweiter Stelle kamen inhaltliche Aspekte zum Tragen, wobei hier meist der Seltenheitswert der Objekte oder ästhetische bzw. exotische Merkmale die bedeutenden Sammlungen charakterisierten.

Ein Jahrhundert nachdem die letzten Regionen »entdeckt« und kolonisiert worden sind, verlangen postkoloniale Staaten Afrikas, Asiens, Ozeaniens sowie Süd- und Mittelamerikas die – ihrer Meinung nach gestohlenen und widerrechtlich entfernten – Kulturgüter von den ehemaligen Kolonialmächten zurück. (2) Diese Forderungen haben Museumskuratoren, politische Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit auf ethische Aspekte des Besitzanspruches aufmerksam gemacht und die Autorität und Legitimation von Museen bezüglich ihrer Sammlungen und der Zurschaustellung kultureller Objekte in Frage gestellt. Die Reaktionen der »besitzenden« westlichen Staaten auf die immer vehementer geäußerten Rückgabeforderungen sind unterschiedlich. Staaten, die nie eine aktive Rolle in der Kolonialpolitik inne hielten, wie zum Beispiel die Schweiz, verfügen über verhältnismäßig wenig Objekte. Die Bestände stammen in der Regel von Forschungsexpeditionen, die im Auftrag der Museen unternommen wurden. Gesuche um Rückerstattung von Kulturgütern sind in den Schweizer Museen wohl auch deshalb seltener, weil sie nicht im gleichen Maße wie die ehemaligen Kolonialmächte in der Schuld der postkolonialen Staaten stehen. Eine um so problematischere Rolle spielen in der Schweiz private Sammler und Kunsthändler. In England, Frankreich oder Deutschland hingegen sehen sich die Museen, deren Bestände mehrheitlich aus der Kolonialzeit stammen, mit zahlreichen Rückgabeforderungen konfrontiert. Die Haltung jener Staaten ist defensiv, aus Angst, dass ein Schuldbekenntnis die Existenz der Museen in Frage stellen würde.

Bei Rückgabeforderungen indigener Gemeinschaften spielt deren nationale Zugehörigkeit eine ausschlaggebende Rolle für die Haltung des jeweiligen »besitzenden« Staates. In den USA, Kanada und anderen westlichen Staaten mit indigener Bevölkerung finden die meisten Rückgaben innerhalb des Nationalstaates statt. Die betreffenden Regierungen stehen hier zum einen unter innenpolitischem Druck, zum anderen bleiben die Kulturgüter als »nationales Kulturgut« bestehen, auch wenn sich nicht die gesamte Bevölkerung damit identifiziert. Streitfragen um Eigentumsansprüche führten in den USA 1990 zur Verabschiedung des Native American Grave Protection and Repatriation Act (NAGPRA). Mit diesem Gesetz werden Verfahren und Rechtsstandards für die Rückführung menschlicher Relikte, Grabbeigaben und weiterer Kulturgüter, die zum kulturellen Erbe indigener Gemeinschaften gehören, festgelegt. Staatliche Einrichtungen, insbesondere Museen, werden dazu verpflichtet, Inventare über ihre Bestände zu erstellen. Indigene Gemeinschaften haben das Recht, diese einzusehen und »bedeutendes« kulturelles Erbe einzufordern. Mit der Betonung auf »bedeutendes« wird klar, dass mit dem NAGPRA in erster Linie die seit langem fällige Anerkennung indigener Rechte über sakrale Gegenstände kodifiziert wurde, es jedoch nicht beabsichtigt ist, sämtliche Objekte zurückzuführen. (3)

Öffentliches Konservieren

Mit dem Ziel, sich selbst zu (re-)präsentieren, gründen indigene Gemeinschaften inzwischen eigene Museen, die sogenannten tribal museums und cultural centers. (4) Es sind Einrichtungen, die nicht »das Fremde« darstellen, sondern »das Eigene«: Der Fokus liegt auf dem Erforschen, Pflegen und Weiterführen der »eigenen kulturellen Identität« und Geschichte. Gleichzeitig soll damit das bei der Mehrheit der nicht-indigenen Bevölkerung vorherrschende stereotype Bild des geschichtslosen »Ureinwohners« korrigiert werden. Trotz aller bestehenden Differenzen ist in den westlichen Staaten mittlerweile ein Paradigmenwechsel zu beobachten: Die Mehrheit der »besitzenden« Staaten tendiert dazu, zumindest die Rückgabe gewisser »bedeutender« Objekte zu befürworten. Oberste Priorität ist und bleibt allerdings der Erhalt der Kulturgüter für nachfolgende Generationen. Die angemessene und sichere Aufbewahrung wird von den westlichen Staaten als Bedingung für die Rückgabe der Kulturgüter gefordert. Will man das Risiko ausschließen, dass die Objekte in falsche Hände respektive auf den Kunstmarkt gelangen, ist dieser Anspruch auch gerechtfertigt. Die heilige Thronfigur des Afo-A-Kom, die 1966 aus Kamerun gestohlen wurde, ist hierfür ein Beispiel: 1973 setzte eine Öffentlichkeitskampagne den privaten Händler, der damals im Besitz der Figur war, unter Druck und zwang ihn zur Rückgabe. Später erschien die Figur jedoch wieder bei einem New Yorker Antiquitätenhändler und verschwand schließlich in einer Privatsammlung. (Natürlich sind auch westliche Museen nicht vor Diebstählen gefeit.) Sicherheitsmaßnahmen genauso wie Wissen im Bereich der Lagerung und Konservierung von Objekten sind ein Teil des Know-hows westlicher Museen, das den Institutionen in den Ursprungsländern zusammen mit finanzieller Unterstützung zur Verfügung gestellt werden muss. Im Austausch können gerade indigene Gemeinschaften oft einen unentbehrlichen Beitrag zur Erforschung und Dokumentation der betreffenden Kulturgüter leisten, die Teil ihrer Kultur und Geschichte sind.

Der Stellenwert des »Konservierens« an sich basiert auf einer eurozentristischen Sichtweise. Für indigene Gemeinschaften ist es oftmals viel wichtiger, dass die Objekte wieder ihrer eigentlichen Funktion zukommen können. (5) Das beinhaltet auch, dass einige Kulturgüter – in der Regel sakrale Objekte – nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Eine Vorstellung, die für westliche Museen schwer zu akzeptieren ist, da nach ihrer Ansicht der Zugang zu den Objekten für Forschungs- und Dokumentationszwecke gewährleistet sein muss. Diese Forderung entspricht allerdings selbst in westlichen Museen einer Wunschvorstellung, denn in der Regel wird der Zutritt zu den Sammlungen sehr restriktiv gehandhabt. Außerdem nützt auch ein freier Zugang der Bevölkerung in den Ursprungsländern wenig, wenn die Kulturgüter aufgrund der zurückzulegenden Distanzen de facto weiterhin unerreichbar bleiben. Und warum sollen in den Museen der Herkunftsländer und Ursprungsgemeinschaften Fotografien oder Kopien der eigenen Kulturgüter, die in ausländischen Museen verwahrt werden, genügen, während im Westen Originale nötig scheinen, um der Vermittlungsaufgabe nachzukommen? (6) Der Verdacht liegt nahe, dass die Museen, ganz abgesehen von Prestigeinteressen, ihre Existenzberechtigung verteidigen: Es ist eben doch der Besitz des Originals und nicht der Kopie, der das Museum auszeichnet.

Von Schmuggel, Markt und Handel

Trotz der unterschiedlichen Standpunkte im Umgang mit Kulturgütern bietet letztlich nur die Zusammenarbeit der Beteiligten eine Chance, Lösungsansätze in der Diskussion um Rückgabe von Kulturgütern zu finden. Ein Dialog ist vor allem auch deshalb erforderlich, um die momentan größte Bedrohung für Kulturgüter – den weltweit zunehmenden illegalen Markt – zu bekämpfen. Der Handel mit Ethnographica blüht und bringt Milliardenumsätze. Zu den führenden Kunsthandelsnationen zählen die USA, Frankreich, Großbritannien und die Schweiz. Neben rechtmäßigen Transaktionen spielen illegale Entwendungen von Kulturgütern, die später auf den internationalen Kunstmärkten meist an private Sammler und Museen verkauft werden, eine zunehmend wichtige Rolle. Archäologische Stücke sind davon besonders betroffen. So vermutet man beispielsweise, dass in Costa Rica rund 95 Prozent aller archäologischen Stätten ganz oder teilweise geplündert wurden. In Indien sind Schätzungen zufolge in der Dekade 1979-1989 über 50.000 Objekte außer Landes geschmuggelt worden. Die Methoden werden dabei immer skrupelloser: Mit Baggern werden archäologisch bedeutende Fundorte umgegraben. Statuen in Nepal oder Kambodscha entfernt man mit Hilfe von Stahlsägen aus ihren Schreinen. Mayastelen aus Guatemala werden zwecks Transport und mehr Profit in »handliche« Stücke zersägt. (7) Neben dem materiellen ist vor allem der unwiederbringbare Verlust von Wissen groß. Denn für das Verständnis archäologischer Objekte ist es unerlässlich, den Kontext zu kennen, in dem sie gefunden wurden. Die Stücke gelangen in der Regel über mehrere Zwischenhändler auf den Markt und genaue Angaben über Herkunft werden – sofern überhaupt noch bekannt – geheim gehalten. Neben Plünderungen archäologischer Stätten nehmen auch Diebstähle aus Museen, Tempeln, Versammlungshäusern und privaten Altaren zu. Sehr beliebt sind beispielsweise afrikanische Fetische und Masken aus Burkina Faso oder Mali. Inzwischen erstehen auch Touristen Kulturgüter zweifelhafter Provenienz und bringen sie als Souvenirs mit nach Hause – oft ohne sich der Problematik des Kulturgüterschutzes bewusst zu sein. Insbesondere für schriftlose Kulturen ist der Verlust ihrer Kulturgüter katastrophal, denn jene sind oft Träger kollektiven Wissens. Sakral- und Kultobjekte besitzen Wesenscharakter und sind unentbehrliche Begleiter im täglichen Leben. Die Drahtzieher im illegalen Handel mit Kulturgütern profitieren von der Armut lokaler Bevölkerungen, die sich mit der Plünderung und dem Verkauf von Kulturgütern das tägliche Überleben sichern. Grabräuber, Diebe und Zwischenhändler verdienen allerdings nur einen Bruchteil dessen, was die Stücke auf dem Kunstmarkt und in den Auktionshäusern erzielen. Die Kulturgüter werden meist ohne nennenswerte Hindernisse über die Grenze geschmuggelt. Um an die benötigten Ausfuhrpapiere zu gelangen, werden Zollbeamte und die zuständigen Behörden bestochen oder Bescheinigungen gefälscht.

Der grenzüberschreitende Kunsthandel lässt neben der weltweit festzustellenden Zunahme kultureller Kontakte im Rahmen so genannter Globalisierungsprozesse die Zuordnung vieler Kulturgüter auf einen einzigen Staat als nicht mehr gerechtfertigt erscheinen. Beeinflusst durch politische und ökonomische Entwicklungen, welche die Souveränität der Staaten immer mehr in Frage stellen, erfährt die Vorstellung eines kulturellen Erbes der Menschheit zunehmend Akzeptanz. Eine solche Qualifizierung von Kulturgut kann sich jedoch als Argument gegen Rückgabeforderungen erweisen, wenn man von der Behauptung ausgeht, dass dadurch die Objekte nicht an einen Ort gebunden sind, sondern überall aufbewahrt werden können, solange sie zugänglich bleiben. Auf diese Argumentation stützt sich beispielsweise das British Museum (Großbritannien), das bis vor kurzem Rückgabeforderungen kategorisch ablehnte.

In der Debatte um den Schutz von Kulturgütern kommt eine Vielzahl schwer fassbarer künstlerischer, kultursoziologischer, kulturpolitischer und ethnologischer Komponenten zum Tragen, was die Ausarbeitung gesetzlicher Bestimmungen schwierig macht. Obwohl einerseits eine zu enge Umschreibung des Kulturgüterbegriffs nicht angebracht ist, läuft man andererseits mit einer offeneren Definition Gefahr, den Begriff und somit auch die Wirkung der Schutzinstrumente zu verwässern. Zentrales Merkmal von Kulturgütern ist ihr immaterieller Wert. Ihre Einzigartigkeit als Zeugen kultureller Geschichte sowie ihre spirituellen Werte für Ursprungsgemeinschaften heben sie von anderen Handelsgütern ab, die lediglich durch ihren Gebrauchs- und Marktwert bestimmt werden.

Kulturgüter im Import – Export

Die vom Kulturgüterdiebstahl betroffenen Staaten (8) verfügen nicht über die nötigen Mittel und Kapazitäten, die Plünderung und illegale Ausfuhr ihrer Kulturgüter zu unterbinden. Den Händlern kommt die noch lückenhafte Regelung des Kulturgüterschutzes gelegen, sie profitieren von den oft unzureichenden und vor allen Dingen uneinheitlichen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen. Selbst wenn Kulturgüter illegal ausgeführt werden, bedeutet das nicht automatisch, dass der Import in ein anderes Land ebenfalls gesetzeswidrig ist. Kulturgüter werden schließlich auch über Drittstaaten mit liberalen Ein- und Ausfuhrbestimmungen transferiert und dort mit den nötigen Papieren ausgestattet. Somit ist es oft schwierig, die Trennlinie zwischen legalem und illegalem Kulturgüterhandel eindeutig festzulegen. Der grenzüberschreitende Kunsthandel macht deutlich, dass neben nationalen Gesetzen und zwischenstaatlichen Vereinbarungen einheitliche internationale Regelungen zum Schutz von Kulturgütern erforderlich sind.

Als wichtigstes Abkommen ist hier die UNESCO-Konvention zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970 zu nennen, die bis heute von 91 Staaten ratifiziert wurde. (9) Die Konvention setzt unter anderem den staatlichen Museen, welche auch zu den Abnehmern der Kunsthändler gehören, einen gesetzlichen Rahmen, der ihnen den Kauf von illegal exportierten Kulturgütern verbietet. Der Händler ist verpflichtet, Auskunft über die Provenienz der Stücke zu geben. Da die UNESCO-Konvention von 1970 privatrechtliche Fragen nur unzureichend abdeckt – Rechte und Pflichten der privaten Museen und Sammler werden nur tangiert – wurde 1995 diese Lücke mit der Unidroit-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter geschlossen. Letztere ist im Gegensatz zur UNESCO-Konvention direkt als nationales Gesetz anwendbar. Die Unidroit-Konvention wurde bislang von 22 Staaten unterzeichnet und von acht Staaten ratifiziert. (10)

Obwohl die gesetzlichen Ein- und Ausfuhrregelungen den legalen vom illegalen Handel abgrenzen, bieten Kunsthändler und ein Teil der Museen – vor allem Kunst- und Antiquitätenmuseen – den Kulturgüterschutzabkommen die größte Opposition. Ihre Haltung begründen sie damit, dass die restriktiven Handelsmaßnahmen dem illegalen Handel eher noch mehr Auftrieb geben würden. Und schließlich sei gerade dem regen Handel zu verdanken, dass viele Kulturgüter nicht zerstört worden sind, sondern für die Nachwelt erhalten bleiben. Zu bemängeln ist, dass alle Abkommen zum Kulturgüterschutz auf westlichen Rechtsauffassungen basieren und Grundsätze fehlen, die traditionellen Rechtsvorstellungen Rechnung tragen. So folgt die UNESCO der eurozentrischen Argumentation, welche die Erhaltung des Kulturguts als oberste Priorität betrachtet. Insbesondere aber die Tatsache, dass die Konventionen nicht rückwirkend geltend gemacht werden können, schränkt den Handlungsspielraum weiter ein. Sie wird damit begründet, dass während der Kolonialzeit noch niemand von Kulturgüterraub gesprochen hat und erst im Laufe der Zeit ein Paradigmenwechsel stattfand – erneut also eine klar eurozentristische Sicht der Dinge.

Anmerkungen:

  1. Ein Beispiel hierfür ist die umfangreiche Expedition von A.C. Haddon, der 1898 unzählige Objekte sowie Filmmaterial und Tonaufnahmen von den Torres Strait Islands nach England brachte.
  2. Aber auch europäische Länder wie beispielsweise Italien oder Griechenland kämpfen seit Jahren um die Rückerstattung ihrer archäologischen Schätze.
  3. Die USA nimmt hier eine Vorreiterrolle ein, die in krassem Widerspruch zu ihrer Rolle als führende Kunsthandelsnation sowie als vehementer Gegner des Selbstbestimmungsrechts indigener Völker steht.
  4. Die ersten derartigen Institutionen wurden in den 1960er und 1970er Jahren in den USA gegründet. Indigene Gemeinschaften in Australien, Neuseeland und dem Pazifik übernahmen schon bald die Idee.
  5. Größtenteils von den ethnographischen Museen akzeptiert ist inzwischen die Rückführung menschlicher Relikte und Grabbeigaben zur ordentlichen Bestattung. Dadurch wird deutlich, dass für westliche Staaten die ethische Schwelle bei menschlichen Überresten tiefer liegt als bei Objekten.
  6. So fand beispielsweise die Eröffnung des Museums in Benin-City, Nigeria mit Abgüssen und Fotos der berühmten Benin-Masken statt. Die Originale sind weltweit in privaten Sammlungen und staatlichen Museen verstreut.
  7. Beispiele aus: Greenfield , Jeanette (1996): The return of cultural treasures.
  8. Dazu gehören neben den amerikanischen Staaten insbesondere China, Südostasien und Afrika sowie in jüngster Zeit auch die Staaten Osteuropas.
  9. Stand: 30.1.2001, Webpage: http://www.unesco.org.
  10. Stand: 31.1.2001, Webpage: http://www.unidroit.org. Auch der Europarat und die Europäischen Union haben Abkommen zum Schutz von Kulturgütern erlassen. Im Kriegsfall kommt das Haager Übereinkommen von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten zur Anwendung.

*Tanja Berger ist Ethnologin und aktives Mitglied der IWGIA, Int. Work Group for Indigenous Affairs

Dieser Text erschien zuerst in: iz3w Nr. 255/ September 2001 S. 36-38,

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