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Bericht zur

Anticolonial Africa Conference (2004)

Personen Lokalpresse

 

Berlin antikolonial

Es ist genau 12 Uhr mittags, als sich vor dem Berliner Reichstag Ungewöhnliches tut. Eine Gruppe von Afrikanern und ihre UnterstützerInnen entrollen ein riesiges Transparent mit der Aufschrift »Apologies & Reparations for Colonialism«. Sie verteilen Flugblätter, in denen der Auftritt begründet wird: Vor genau 120 Jahren, am 15.11.1884, eröffnete Reichskanzler Bismarck in Berlin zur Mittagszeit die so genannte Kongokonferenz (siehe S. 14 in diesem Heft). Sie war der Auftakt für die »aggressive Kolonialpolitik Deutschlands in Afrika, Asien und Ozeanien«, finden die DemonstrantInnen.

Doch bei der bloßen Anklage vergangener Kolonialverbrechen wollen sie es nicht bewenden lassen. Ihre Forderungen richten sich vor allem auf die gegenwärtige europäische Politik in Afrika, die für sie nichts anderes als eine erneute Kolonisierung Afrikas darstellt. Etwa wenn deutsche Unternehmen durch den Abbau des Minerals Coltan den Krieg im Kongo finanzieren oder internationale Interventionstruppen vermeintlich für Ordnung in Afrika sorgen sollen. All das solle zukünftig unterbleiben, lautet die Hauptforderung der DemonstrantInnen. Ergänzt wird sie durch den Wunsch nach Entschuldigung und Entschädigung für die deutschen Kolonialverbrechen sowie nach dem Stopp der rassistischen Flüchtlingspolitik.

Doch die Aktion vor dem Reichstag läuft ins Leere. Bundeskanzler Schröder als Rechtsnachfolger Bismarcks lässt sich nicht mal für eine Geste der Entschuldigung gegenüber den Afrikanern blicken. Entschädigungen für die Herero in Namibia hat die Bundesregierung ohnehin schon mehrfach abgelehnt. Um sie durchzusetzen, wird ein langer Atem nötig sein. Dass sie dazu fähig sind, haben die DemonstrantInnen allerdings schon bewiesen, denn die Aktion vor dem Reichstag war nur der vorläufige Abschluss einer ganzen Reihe von antikolonialen Aktivitäten in Berlin.

So hatten sie beispielsweise die Anticolonial Africa Conference organisiert. Vier Tage lang wurde hier über Vergangenheit und Gegenwart des Kolonialismus informiert und debattiert. Nicht immer waren die Statements tiefschürfend, allzu oft geriet die Anklage der europäischen Politik in Afrika zu pauschal. Doch konnten die rund 300 BesucherInnen eine ganze Menge über die afrikanische Perspektive auf den (Neo-)Kolonialismus erfahren. So z.B. von Israel Kaunatijke, einem in Berlin lebenden Herero, der die Forderung nach Entschädigungen für die Herero nicht nur begründete, sondern auch die damit verbundenen Konflikte innerhalb Namibias benannte. Denn an einer Entschädigung hat weder die Bundesregierung noch die namibische Regierung, die eine Spaltung der Gesellschaft befürchtet, Interesse.

Die Konferenz war somit eine der ganz wenigen Gelegenheiten in Deutschland, bei der Afrikaner selbst über ihre Anliegen sprachen und nicht andere über sie. Dies verdankte sich nicht zuletzt der Mitarbeit zahlreicher MigrantInnen und Flüchtlinge an der Konferenzvorbereitung, etwa von der Antirassistischen Initiative Berlin (ARI), der Brandenburger Flüchtlingsinitiative oder The Voice. Zudem war die Veranstaltung ein Beleg dafür, dass Sprachprobleme mit etwas Goodwill überwindbar sind. Dank einer konsequenten Simultanübersetzung konnte gleichberechtigt auf Französisch, Englisch oder Deutsch miteinander kommuniziert werden – bei linken Kongressen eine Seltenheit.

Zeitgleich zur Anticolonial Africa Conference fand im Haus der Kulturen der Welt ein Kontrastprogramm statt. Im Rahmen der »Black Atlantic«-Reihe (siehe iz3w 280) diskutierten namhafte WissenschaftlerInnen wie George Steinmetz oder Jürgen Zimmerer über den Deutschen Kolonialismus. Doch sowohl auf dem Podium wie im Publikum waren Afrikaner kaum repräsentiert, und so dominierten deutsche Befindlichkeiten. Nicht, dass dabei mit Kritik am Deutschen Kolonialismus gespart wurde – doch die Frage, wie groß die personellen Kontinuitäten zwischen den Kolonialgräueln in Deutsch-Südwest-Afrika und der Vernichtungspolitik im Nationalsozialismus sind, dürfte für die Nachfahren der Herero eine untergeordnete Fragestellung sein.

Christian Stock

Dieser Bericht erschien in: iz3w Nr. 282, S. 48

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