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Rezension von: Die Deutsche Afrika-Schau (1935-1940).

Rassismus, Kolonialrevisionismus und postkoloniale Auseinandersetzungen im nationalsozialistischen Deutschland

Personen Lokalpresse

cover Lewerenz

Die „Deutschen Volksgenossen“ und die Anderen

Lange Zeit ist die Geschichte von Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland nicht zur Kenntnis genommen worden. Seit einigen Jahren erfährt sie nun eine verstärkte Aufmerksamkeit durch die Forschung, man könnte gar von einer (Wieder-)Entdeckung der afrikanischen Diaspora im deutschen Sprachraum sprechen. Zu der Vielzahl neuerer Publikationen gehört das von Susann Lewerenz vorgelegte Buch über die „Deutsche Afrika-Schau 1935-1940“. Ihre Untersuchung hat das Schicksal von Schwarzen während der Zeit des Nationalsozialismus zum Gegenstand.

Die unter der Aufsicht des NS-Staates stehende Afrika-Schau wurde 1936 gegründet. Hervorgegangen war sie aus dem ein Jahr zuvor ins Leben gerufenen „Negerdorf“. In der zwischen Völkerschau und Varieté angesiedelten Wanderschau traten in Deutschland lebende schwarze Menschen auf, die Tanz-, Akrobatik- und Gesangsdarstellungen vorführten. Rund 60 Personen - „ehemalige Schutzgenossen und deren Nachkommen“ - zählte die durch Deutschland tourende Afrika-Schau.

Von Seiten des NS-Regimes hoffte man durch die zwangsweise Zusammenfassung der wenigen im Reich ansässigen Schwarzen deren Kontrolle sicherstellen und sie dadurch aus dem „deutschen Volkskörper“ fernhalten zu können. Als lebende Kolonialpropaganda sollten die überwiegend aus den ehemaligen deutschen Kolonien stammenden MigrantInnen zudem für die kolonialrevisionistischen Ziele des Dritten Reiches eingespannt werden. Freilich gehörten ebenso Afro-Amerikaner zu der Schautruppe, doch auch sie entgingen nicht der Inszenierung als „Eingeborene“. Dieselben Darsteller traten mal als „Afrikaner“, „treue Askari“ oder als „Südseegruppe“ auf.

Das besondere Anliegen der Autorin ist es, das widerständige Verhalten der Schaumitglieder herauszuarbeiten. Wie Lewerenz zeigt, machten die Schwarzen sich das Stereotyp des „loyalen Askari“ zu eigen. Sie überschritten die ihnen zugewiesene Rolle als Subalterne und wagten es, ihre Zugehörigkeit zu den Deutschen zu erklären, indem sie das weiße Publikum als „Kameraden“ und „deutsche Volksgenossen“ ansprachen. Das darin zum Ausdruck kommende subversive Moment blieb den NS-Oberen nicht verborgen, weshalb die Reaktionen nicht auf sich warten ließen. „(Wir weigern uns), im getauften Neger den nun Gleichgestellten zu erkennen“. Mit diesen Worten verwahrte sich im Jahr 1940 ein NS-Funktionär des Rassenpolitischen Amtes gegen die „rassenmäßige Gleichstellung“ der in der Afrika-Schau auftretenden Schwarzen. So war denn auch die Angst, die „rassenpolitische“ Kontrolle über die Schau verlieren zu können, einer der Gründe, die noch im selben Jahr zur Schließung des Unternehmens führten. Das weitere Schicksal der Mitglieder ist bisher nur bei einigen bekannt. Während Kwassi Bruce oder Louis Brody das Dritte Reich überlebten, sind andere wie Jonas Alexander N’doki und Mohamed Bayume Hussein von den Nazis ermordet worden.

Lewerenz besticht in ihrem aus einer Magisterarbeit hervorgegangenen Buch durch eine gründliche Recherche einschlägiger Quellen im Bundesarchiv Berlin wie der sehr umfangreichen Primär- und Sekundärliteratur. Die rassistischen Praktiken des NS-Regimes werden analysiert und es wird dargelegt, wie Menschen afrikanischer bzw. afroamerikanischer Herkunft zu „Negern“ und damit von der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft zu Fremden abgestempelt wurden. Es ist das Verdienst der Autorin, die amtlichen Quellen „gegen den Strich“ gelesen zu haben und den Selbstbehauptungsstrategien der Schwarzen auf die Spur gekommen zu sein.

Joachim Zeller

Susann Lewerenz: Die Deutsche Afrika-Schau (1935-1940). Rassismus, Kolonialrevisionismus und postkoloniale Auseinandersetzungen im nationalsozialistischen Deutschland, Bd. 3, Africa and Europe Colonial and Postcolonioal Encounters / Afrika und Europa. Koloniale und postkoloniale Begegnungen, Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. etc. 2006, 174 S., 39 €, ISBN 3-631-54869-9.

Verlagsangaben

Aus dem Inhalt: Kolonialmigration nach Deutschland - Schwarze in Deutschland - Nationalsozialismus - Rassismus - Kolonialrevisionismus - NS-Kolonialplanungen - Völkerschauen - Wanderndes Schaugewerbe - Postkoloniale Auseinandersetzungen. Die Autorin Susann Lewerenz wurde 1974 geboren. Sie studierte Geschichte und Anglistik an der Universität Hamburg.