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Rezension von "Eine Kopfjagd. Deutsche in Ostafrika" cover klein

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Baer, Martin und Olaf Schröter: Eine Kopfjagd. Deutsche in Ostafrika, Linksverlag, Berlin 2001, 224 Seiten, 66 Abbildungen, Klappenbroschur, € 24,90

Deutsche Kopfjäger

Manche Bücher lohnen auch nach ein paar Jahren noch einmal besprochen zu werden, zumal wenn sie rückwirkend in eine interessante aktuelle Reihe integriert und vor der 'Geburt' dieser Website geschrieben wurden. "Eine Kopfjagd. Deutsche in Ostafrika" von Martin Baer und Olaf Schröter aus 2001 gehört auf jeden Fall dazu.

Der Titel kann zum einen als spielerische Umdrehung meist erfundener europäischer Vorstellungen von exotischen Kopfjägern und Kannibalen gelesen werden, die als schaurige Beweise für die Notwendigkeit kolonialer Zivilisationsbringung dienen sollten. Denn das Buch bietet einen vielfältigen, gut lesbaren Abriss der schaurigen Realität der deutschen Kolonialgeschichte in Ostafrika, die von zahlreichen Eroberungs- und Strafexpeditionen, angeblicher Abschaffung der Sklaverei und neuer, nun anders verpackter Versklavung sowie Kolonialkriegen geprägt war. Die Autoren lassen die Geschichte keineswegs 1918 enden, sondern befassen sich auch mit der Phase des Kolonialrevisionismus, den Afrika-Plänen der Nazis und dem Verhältnis zwischen Deutschland und Tansania.

Zum anderen bezieht sich der Titel auf eine ganz konkrete Kopfjagd der Deutschen Kolonialherren. Denn seit 1891 befanden sich die als sehr kriegerisch beschriebenen Wahehe unter ihrem König bzw. Sultan Mkwawa und die deutschen Kolonialherren in einem Krieg um die Vorherrschaft, der sich Jahre hinziehen sollte. Im Sommer vernichtete Premierleutnant Zelewski bei einer Strafexpedition ein Dorf nach dem anderen, weil "nur das rücksichtsloseste, schonungsloseste Vorgehen auch wieder das gelindeste, weil am schnellsten wirkende" sei. Unterhändler Mkwawas wurden abgemetzelt, doch am 17.8.1891 wendete sich das Blatt mit einer der größten Niederlagen der deutschen Schutztruppe überhaupt (bei der freilich von vielen Hundert Toten nur wenige weiße Deutsche waren). Drei Jahre später holten die Deutschen zum großen Schlag aus und vernichteten den Sitz der Wahehe, die enorme Festung Kalenga. Mkwawa entkam allerdings (immer wieder) und betrieb weiter über Jahre einen Guerillakrieg, sodass die Deutschen ein Kopfgeld auf ihn aussetzten. Dieser Kopf sollte 1898 tatsächlich von einem Feldwebel Merkl vom Leib des Sultans abgetrennt werden und eine überaus skurrile Reise durch die Weltgeschichte antreten. Baer und Schröter gehen mit einem Urenkel Mkwawas den diversen Spuren des Kopfes in Tansania und Deutschland nach, die zu anatomischen Schädelsammlungen in Berlin und Bremen und sogar einem Holländischen Comic führen. Der Schädel beschäftigte schließlich über Jahrzehnte immer wieder Medien, Bürokratie und internationale Diplomatie, war doch seine Rückgabe an die Wahehe eine Klausel des Versailler Vertrages.

Der Band wird aufgelockert durch eine anschauliche zeitgenössische Bebilderung und eine Reihe Kästen zu Einzelaspekten. Solche Nebeninformationen sind es, die das Thema manchmal plastischer werden lassen als in wissenschaftlichen Gesamtdarstellungen. Einige der im Buch kurz angerissenen Themen sind mittlerweile in der Reihe des Verlages "Schlaglichter der Kolonialgeschichte" eingehender behandelt worden (etwa der MajiMaji-Krieg oder der Mythos Lettow-Vorbek, siehe unten) oder in Vorbereitung.

Die Autoren wenden häufig und gelungen die Methode der Selbstentlarvung von Kolonialisten durch Originalzitate an. Dies hat einiges für sich (insbesondere gegenüber Kolonialnostalgikern), räumt ihnen mit ihrer Kolonialsprache aber umgekehrt viel Raum ein. Ein wenig stößt auf, dass die Autoren häufig selber naturalistisch von "Eingeborenen", nur einmal in Anführungszeichen gesetzt, schreiben. Allerdings bleibt kein Zweifel, dass dies eigentlich ganz und gar nicht die Perspektive der Autoren ist. Wie bei einigen anderen Bänden der Reihe kann man bei diesem das Umschlagbild kritisieren, das distanzlos das Selbstbild der Deutschen in Herrschaftspose reproduziert. Wer sich allerdings auch einen solchen Inhalt erhofft, wird sich mit einer ebenso gut geschriebenen wie überzeugenden Entlarvung deutscher Kolonialgeschichte auseinandersetzen müssen. Denn obwohl Deutsch-Ostafrika den Angelpunkt darstellt, kann man das Buch auch gut als kritische Einführung in die deutsche Kolonialgeschichte lesen.

Heiko Wegmann, 11.06.2007

Siehe auch den Film "Eine Kopfjagd"

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