Pressedokumentation auf www.freiburg-postkolonial.de"Ueber die staatliche Organisation Chinas" |
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Freiburger Zeitung, No. 150, Sonntag, 01.07.1900, Tagesausgabe, Seite 2 Ueber die staatliche Organisation Chinas lesen wir im Schwäb. M.: Die Regierung in China ist monarchisch. Die Gewalt des Kaisers ist zwar unumschränkt, aber keineswegs absolut: denn einmal ist der Kaiser der Ueberlieferung gemäß verpflichtet, nach den heiligen Gesetzen des Landes zu regieren, andererseits muß er in allen wichtigen, das Staatswohl betreffenden Fragen die höchsten Reichsbehörden zu Rathe ziehen. Die Person des Kaisers selbst ist heilig, unverlezlich und im Gegensatz zu den Ministern unverantwortlich. Er allein hat das Vorrecht, Kleider von gelber Farbe zu tragen, er allein bedient sich beim Schreiben der Zinnoberfarbe und mit dem sog. Zinnoberpinsel pflegt der Kaiser seinen Namen unter alle Erlasse zu setzen. Dem Kaiser bleibt auch der Gottesdienst im Himmelstempel, Tien-tan, vorbehalten, wie er auch im himmelblauen Gewande mit priesterlichem Schmuck das große Jahresopfer darbringt. Die allem Leben in China zu Grunde liegende Idee einer Familie ist im Kaiser zur Person geworden und bildet die Grundlage des ganzen Regierungssystems. Der Kaiser wird der Vater des Reichs genannt. Der Unterkönig ist der Vater der Provinz, und der Mandarin der Vater der Stadt, in der er Befehlshaber ist. In diesem Sinne kann man die Regierung eine vaterländische nennen. Zwei höchste Reichsbehörden, das Großsekretariat und das Staatsekretariat, die ihren Sitz in Peking haben, stehen dem Kaiser zur Seite. Das Großsekretariat, Rei-ko, hat die Aufgabe, die kaiserl. Edikte zu veröffentlichen und die Staatsgesetze zu regeln, dagegen übt es auf die Leitung der Regierung keinen Einfluß mehr aus, sondern hat diesen an das sog. Staatssekretariat abgetreten. Seine Mitglieder werden vom Kaiser in Fragen der hohen Politik zu Rath gezogen und bilden das sog. Kabinet des Kaisers. Als höchste Zentralbehörde des eigentlichen Chinas, jenen beiden ersten Reichsbehörden aber untergeornet, funktioniren im chinesischen Staatsorganismus 6 Ministerien. Das erste dieser Ministerien ist mit Ernennung und Ueberwachung der Zivilverwaltungsbeamten des Reiches beauftragt, das zweite Ministerium führt die Aufsicht über das ganze Finanzwesen, ebenso über den Schatz, die Einküfte und den Aufwand des Kaisers. Das dritte Ministerium ist das der Kulte und Zeremonien. Unter seine Leitung gehören alle Staatsfeierlichkeiten, deren Einzelheiten in den Augen der Chinesen von höchster Wichtigkeit sind. Es beschäftigt sich mit dem Zeremoniell des Hofes, den Opfergebräuchen beim Kultus, der Anordnung öffentlicher Festlichkeiten etc. Dem Kriegsministerium liegt die Aufsicht über das ganze Personal und Material der Land- und Seemacht des Reiches ob. Es wirbt die nöthigen Rekruten, läßt die Kornspeicher für das Heer füllen und hat dafür zu sorgen, daß die Festungen sich in verteidigungsfähigem Zustand befinden und das Heer mit Waffen und Munition versehen ist. Das Justizministerium hat nur mit Strafsachen zu thun, die von den unteren Gerichten durch Appellation vorgebracht werden. Das Ministerium der öffentlichen Arbeiten endlich leitet und überwacht alle Staatsbauten. Bis in das letzte Jahrhundert hinein lag die Hauptfeder der chinesischen Regierungsmaschine in dem sog. Rei-ko. Die 6 Ministerien waren gleichsam die Glieder zu diesem mächtigen Kopfe. Schon im letzten Jahrhundert bildete sich neben diesem Kabinet ein neuer Körper mit militärischer Grundlage, der im Laufe der Zeit alle bedeutendere Mache in sich aufzog und das alte Kabinet in den Schatten stellte. Dieses neue Department heisst Tjün-tscho oder Privat-(Militär-)Rath. Die Geschäfte, die früher das Großsekretariat leitete, sind zum Theil an diesen Rath über gegangen. Der Krieg mit England und Frankreich im [unlesbar] der den alten chinesischen Staatsmännern so [unlesbar] Fernblick in eine fremde Welt eröffnete, gab einem neuen bedeutsamen Regierungskörper das Dasein, dem [unlesbar] Tsung-li-Yamen oder Auswärtigen Amt. Die [unlesbar] Amtes wurde gleich bei seiner Entstehung [unlersbar] wuchs in dem Maße, als die auswärtigen Beziehungen Chinas sich erweiterten. Ferner steht an der Spitze der Provinz ein Vizekönig; doch sind diesem manchmal auch zwei Provinzen unterstellt, so daß es für die 18 Provinzen nur 11 solcher Beamten giebt. Ebenso steht in den Kreisen, Bezirken und Distrikten ein Beamter an der Spitze der ganzen Verwaltung und Rechtsprechung, immer unter Vorbehalt des Appellationsrechtes von der niederen Instanz zur höheren. Alle Staatsbeamte oder Mandarine sind in 9 Klassen getheilt, deren jede für Militär und Zivil besondere Abzeichen besitzt, durchweg Thiere, die auf einem etwa einen Quadratmeter großen, viereckigen Schild aufgestickt sind. Diese Schilder werden von Mandarinen auf Brust und Rücken getragen. Außer diesen Brustschildern ist auch die Art des Leibgürtels genau festgesetzt, z.B. tragen die Mandarinen erster Klasse rothe Gürtel mit Schnallen aus Jade (Nephrit) und Rubinen, die der letzten Klasse Schnallen aus Büffelhorn. Alle vom niedrigsten bis zum höchsten Beamten sind verantwortlich, und zwar erstreckt sich ihr Verantwortlichkeit nicht nur auf ihre öffentlichen Handlungen, sondern auf alle wie immer gearteten Vorfälle in ihrem Verwaltungskreise, ja sogar auf Naturereignisse. Eine Ueberschwemmung oder Trockenheit kostet dem Beamten des dadurch getroffenen Gebiets sehr oft seine Stellung. Um Willkürlichkeiten und Mißgriffe der Beamten zu verhüten, besteht in China noch die eigenthümliche Einrichtung, des Censorats. Dasselbe hat alle Beamten, ja selbst den Kaiser nicht nur im öffentlichen Leben, sondern auch im privaten Leben zu überwachen und bei Uebertretungen zu mahnen und zu strafen. Daß dieses dem Kaiser gegenüber gewährte Recht kein fiktives ist, beweisen mehrere Beispiele aus der Geschichte. [unlesbar] sind im Großen und Ganzen die hauptsächlichsten und [unlesbar] die Regierung Chinas wichtigsten Behörden und Körperschaften, die im Laufe der Jahrhunderte nur sehr geringe Veränderungen erlitten haben. Scan der Zeitungsseite auf Server der UB-Freiburg |