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Freiburger Zeitung, Nr. 69, Mittwoch, 23.03.1904, 1. Blatt, 1. Seite
Die Unruhen in Deutsch-Südwestafrika.
Das Mil.-Wochenbl. veröffentlicht folgende Nachweisung der bis zum 15. März 1904 beim Oberkommando der Schutztruppen bekannt gewordenen Verluste der kaiserlichen Schutztruppe für Südwestafrika während des Herero-Aufstandes in Südwestafrika (die Opfer des bekannten letzten Überfalls sind dabei nicht mitgezählt):
Gefallen : 1) Oberlt. Schulze (früher im Inf.-Regt. 74) bei Otjihinanapa am 25. Februar 1904, 2) Feldw. Kühnel (fr. im 2. Garde-Drag.-Regt.) bei Windhuk, 3) Feldw. Müller (fr. Ulan.-Regt. 2) bei Omaruru, 4) Sergeant Plaezek (fr. im Hus.-Regt. 6) bei Windhuk, 5) Unteroff. Gaß (früher im Jäger-Bat. 9) bei Windhuk, 6) Unteroff. Kottler (fr. im Gren.-Regt. Nr. 110) bei Windhuk, 7) Unteroff. Otto (am 1. April 1896 als Freiwilliger in die Schutztruppe eingetreten) bei Omaruru, 8) Unteroff. Paech (fr. im Ulan.-Regt. 1) bei Windhuk, 9) Unteroff. Prueß (fr. im Inf.-Regt. 67) bei Omaruru, 10) Unteroff. Saar (fr. im Pion.-Bat. 15) südlich Klein-Barmen am 4. März 1904, 11) Unteroff. Stadler (fr. im Inf.-Regt. 30) bei Grootfontein, 12) Unteroff. Waleciak (fr. im Feldart.-Regt 5) südlich Klein-Barmen am 4. März 1904, 13) Gefreiter Fehr (fr. im Hus.-Regt. 5) am 28. Februar 1904, bei einer Erkundung, Ort nicht genannt, 14) Gefreiter Linke ( fr. im Ulan.-Regt. 6) bei Omaruru, 15) Gefreiter Scherer (fr. im Eisenbahn-Regt. 2 und in der Betriebs-Abteil. der Militär-Eisenbahn) bei Omaruru, 16) Reiter Amst (fr. im 2. Leib.-Hus.-Regt.) südlich Klein-Barmen am 4. März 1904, 17) Reiter Colberg (fr. im Gren.-Regt. 2) bei Grootfontein, 18) Reiter Domschke (fr. im kgl.. sächs. Hus.-Regt. 18) bei Windhuk, 19) Reiter Hischer (fr. im Eisenbahn-Regt. 2) bei Windhuk, 20) Reiter Müller (fr. im Eisenbahn Regt. 2) bei Groß-Barmen am 19. Febr. 1904, 21) Reiter Nordbruch (fr. im Drag.-Regt. 19) bei Windhuk, 22) Reiter Rakete (fr. im Inf.-Regt. 135) bei Windhuk, 23) Reiter Weiß (im Januar d. J. als Freiwilliger in die Schutztruppe eingetreten) bei Windhuk.
Den Wunden erlegen: 1) Lt. Frhr. v. Wöllwarth -Lauterburg (fr. im Ulan.-Regt. 20) an der bei Omaruru erhaltenen Wunde am 12. Februar 1904 verstorben.
Verwundet: Hauptm. und Komp.-Chef Kliefoth (fr. im Inf.-Regt. 64) bei Outjo leicht, 2) Oberst Griesbach (fr. im Inf. Regt. 135)bei Omaruru schwer, 3) Oberlt. Frhr. v. Schönau -Wehr (fr. im Inf.-Regt. 113) bei Otjihinanapa am 25. Februar 1904 schwer, 4) Lt. v. Stülpnagel (fr. im Garde-Schütz-Bat.) bei Otjihinanapa am 25. Februar 1904 schwer, 5) Feldw. Glaßel (fr. im Drag.-Regt. 8) bei Outjo schwer, 6) Feldw. Hendenreich (fr. im Hus.-Regt. 17) bei Windhuk leicht, 7) Sanitätsergeant Becker (fr. im Inf.-Regt. 144) bei Otjihianapa am 25. Februar 1904 leicht, 8) Sergeant Taute (fr. im Inf.-Regt. 93) bei Omaruru, 9) Unteroff. Bredow (fr. im Inf.-Regt. 85) bei Aufys leicht, 10) Unteroff. Hecker (fr. im kgl. sächs. Inf.-Regt. 105) bei Omaruru, 11) Unteroff. Kiel (fr. im Ulan.-Regt. 6) bei Gobabis leicht, 12) Unteroff. Ulbrich (fr. im Feldart.-Regt. v. Podbielski [1. Niederschles.] Nr. 5) bei Omaruru, 13) Unteroff. Wiederhold (fr. im braunschweig. Hus.-Regt. Nr. 17) bei Okahandja schwer, 14) Gefreiter Binder (fr. im Füs.-Regt. 86) bei Otjihinanapa am 25. Februar 1904 schwer, 15) Gefr. Friedrich (fr. im 1. Garde-Drag.-Regt.) bei Otjihinanapa am 25. Februar 1904 schwer, 16) Gefr. Kaul (fr. im Feldart.-Regt. 42) bei Omaruru leicht, 17) Gefreiter Linke (fr. im kgl. sächs. Hus.-Regt. 18) bei Seeis am 11. Febr. 1904 schwer, 18) Gefr. Meusel (fr. im kgl. sächs. Garde-Reiter-Regt.) bei Otjihinanapa am 25. Februar 1904 leicht, 19) Gefr. Mielke (fr. im 2. Leib.-Hus.-Regt.) bei Omaruru schwer, 20) Gefr. Rathjen (fr. im Hus.-Regt. 16) bei Groß-Barmen am 19. Februar 1904, 21) Gefr. Sputh (fr. im kgl. sächs. Inf.-Regt. 134) bei Ojithinanapa am 25. Februar 1904 leicht, 22) Reiter Hesse (fr. im Eisenb.-Regt. 3) am Liewenberg am 16. Februar 1904 leicht, 23) Reiter Liebe (fr. im Drag.-Regt. 22) bei Aufys, 24) Reiter Lorenz (fr. im kgl. sächs. Gren.-Regt. Nr. 101) bei Windhuk schwer, 25) Reiter Pielarezk (fr. im Füs.-Regt. 38) bei Gobabis leicht 26) Reiter Ranzau (fr. im Gren.-Regt. 89) bei Gobabis schwer, 27) Reiter Soban (fr. im Eisenb.-Regt. 1) bei Groß-Barmen am 19. Februar 1904, 28) Reiter Wegner (fr. im Eisenb.-Regt. 2) südlich Klein-Barmen am 4. März 1904 leicht.
Vermißt: 1) Reiter Piepho (fr. im Jäger-Bat. 10).
Aus dem Aufstandsgebiete sind der Frankf. Ztg. eine Reihe von Einzelaufzeichnungen zugegangen, denen wir folgendes entnehmen:
Durch die Entblößung des Landes von Truppen, die frühe und ausgiebige Regenzeit gewann die Kriegspartei die Oberhand, und der Aufstand brach aus. Durch die Entsendung der Kompagnie Omaruru nach dem Süden, die man nicht für möglich gehalten hatte, und die seinerzeit sofort unter der Bevölkerung die größte Unruhe hervorrief, ist wieder unabsehbares Unheil gestiftet worden. Falls der so gefürchtete Hauptmann Franke mit seiner Kompagnie in Omaruru geblieben wäre, hätten es die Hereros niemals gewagt, daselbst aufständisch zu werden. Und aus diesen blutgierigen Wilden sollte vom 1. April ab anstatt der weißen Truppe eine Eingeborenen-Kompagnie gebildet werden!! Das Uebel liegt hierbei tiefer; zu Hause wird derjenige als der beste Gouverneur bezeichnet, der am billigsten arbeite, und Eingeborene sind natürlich billiger als Weiße. Das Unglück unserer Kolonisationsmethode liegt im System. Die Beamten erhalten schlechte Gehälter, bei denen knapp auszukommen, viel weniger zu sparen ist. Es ist nur menschlich, wenn jeder Beamte danach trachtet, so schnell wie möglich die höchste Pensionsstufe zu erreichen und dann verschwindet. Die meisten bleiben nur einige Jahre und gehen fort, wenn sie alle angefangen haben, sich mit den Verhältnissen vertraut zu machen. Der Ersatz muß sich dann erst wieder auf Kosten der Kolonien seine Erfahrungen neu erwerben. Eine Aenderung dieses Systems dürfte kaum eintreten, solange man hohe Beamte, gegen die schwere Vorwürfe erhoben sind, gegen den Willen des Gouverneurs und gegen den Wunsch der Bevölkerung einfach wieder heraussendet, ohne daß diese Anschuldigungen durch öffentliche Erklärung entkräftet sind.
Man kann sich jetzt erst ein Bild machen, was sich die Herero eigentlich dachten. Sie wollten in einer Art Bartholomäusnacht alles niedermachen, dann die großen Vorräte von Munition und Gewehren erbeuten und konnten hierauf auch einem stärkeren Feind mit Erfolg Widerstand leisten. Mit Bezug auf die einzelnen Ansiedler und Reisenden gelang der Plan, aber an den großen Plätzen scheiterte er infolge ihrer zu frühen und auffälligen Ansammlungen. Merkwürdig bleibt es, daß auch nicht ein einziger Missionar etwas davon erfahren haben soll, trotz der vielen tausend Christen, die sich unter den Bestien befinden.
Noch viel furchtbarer wäre das Blutbad ein Jahr später geworden nach der ab 1. April d. J. festgesetzten Verminderung der Schutztruppe und Bildung der Eingeborenen-Kompagnien; auch würde der Verlust an Nationalvermögen viele Millionen mehr betragen haben, da in Jahresfrist auf Veranlassung des Reichskommissars Rohrbach doch viele neue Familien sich angesiedelt hätten.
In Bezug auf die eigentlichen Ursachen der Unruhen wird bestritten, daß die Kaufleute und Händler wegen der Schuldeneintreibung die eigentliche Schuld treffe. Härten seien vorgekommen, doch nur an einzelnen Stellen, wofür aber besonders die Verordnung verantwortlich gemacht wird, wonach Forderungen an Eingeborene nach einem Jahre verjähren. Weiter wird über die Kriegspartei mitgeteilt: Die Kriegspartei der Herero war stets in dem Häuptling Assa vertreten, dem nach den Gesetzen der Eingeborenen allein giltigen rechtmäßigen Nachfolger des alten S. Maharero. Dieser Assa war nächst dem verstorbenen Kambazembi wohl der reichste Herero-Häuptling der keinem Weißen etwas schuldig war.
Ueber das Wüten der Hereros heißt es: Es kommen jetzt genauere Nachrichten, in wie bestialischer Weise die Ansiedler ermordet wurden und zwar geschah das ganze Massakre auf Verabredung an demselben Tage, am Abend und in der Nacht des 12. und 13. Februar 1904. Manchen Frauen schnitt man die Brüste ab, Kinder verstümmelte man und ließ sie verbluten, man mißhandelte sie auch sonst in grausamster Weise. Während die Frauen meist mit dem Leben davonkamen, wurden die Männer durchweg ermordet. Die Frauen, denen man das Leben schenkte, wurden vorher in bestialischer Weise vergewaltigt. Einen Ansiedler marterten sie drei Tage lang durch gliedweise Verstümmelung. Durch besondere Rohheit zeichnete sich der eingeborene „christliche“ Schulmeister Josefat aus Otjisera aus, der seinerzeit auch mit auf der Berliner Gewerbeausstellung figurierte. Er trat auf einem kleinen Kinde der Frau L. herum, und als es noch nicht tot war, klemmte er es zwischen die Tür bis die Gedärme heraustraten. Josefat hatte sich bisher bei Verhandlungen des besonderen Vertrauens der Regierung erfreut.
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Freiburger Zeitung, Mitwoch, 23. März 1904, 1. Blatt, 2. Seite
Freiburger Stadtanzeiger.
Freiburg, 22. März.
Die oberbadische Abteilung Freiburg der Deutschen Kolonial-Gesellschaft hat bekanntlich eine Sammlung für unsere geschädigten Landsleute in Deutsch-Südwestafrika veranstaltet. Dieselbe ergab die Summe von 1764 M. 35 Pfg., die bereits an die Deutsche Kolonialgesellschaft nach Berlin abgesandt worden ist. Die oberbadische Abteilung hat damit ihre Sammlung geschlossen und sagt allen Gebern herzlichen Dank. - Es sei bei dieser Gelegenheit nochmals darauf hingewiesen, daß auch der Luisen-Frauenverein hier im Einvernehmen mit dem Landesverein vom Roten Kreuz eine Sammelstelle für die deutschen Truppen in Südwestafrika errichtet hat. Dieselbe befindet sich Salzstraße 28, 2. Stock.
[...]
Deutscher Flotten-Verein. Im großen Saale der Harmonie sprach gestern vor einem ziemlich zahlreichen Publikum Herr Major z. D. Wochinger aus München über des Deutschen Reiches Seemachtstellung in der Weltpolitik. Von der Entwicklung der deutschen Kriegsmarine seit Errichtung des Deutschen Reiches ausgehend schilderte der Vortragende, wie dem Abstriche der 13 Auslandskreuzer im 2. Flottengesetze auf dem Fuße nachfolgend die Ereignisse in China das Deutsche Reich zum Eintritt in die Weltpolitik zwangen, in der die Macht zur See neben der Macht am Lande ein Gebot der Notwendigkeit sei. Herr Major Wochinger wies dann nach, daß unsere Auslandsschiffe in Ostasien, Westafrika, Westindien und im Mittelmeer zu unsern umfangreichen volkswirtschaftlichen Interessen dortselbst in keinem Verhältnis stehen, und das es lediglich unser überseeischer, durch unsere Auslandsflotte freilich nur notdürftig unterstützter, Handel gewesen ist, der uns Deutschen über die allgemeine wirtschaftliche Depression der Jahre 1901 und 1902 leichter hinweghalf, als den übrigen Handelsmächten. Bezüglich unserer heimatlichen Schlachtflotte gegenüber den Kriegsflotten der übrigen Seemächte konstatierte der Redner, daß bei dem größeren Anwachsen der letztgenannten, die deutsche Kriegsflotte, die jetzt nach ihren Gefechtsstärken mit Mühe und Not an 4. Stelle vorgerückt ist, bei Beibehaltung des eng begrenzten deutschen Flottenbauplanes mit Ende 1906 an 6. Stelle zurückgedrängt sein werde. Als einen hochschätzenswerten Vorsprung in unserer Seemachtstellung betonte der Vortragende dann den vorzüglichen Mannschaftsersatz infolge der allgemeinen Wehrpflicht, bzw. der Marinedienstpflicht, sowie unsere starken und ausgebildeten Marinekriegsreserven (75 000 Mann gegenüber 35 000 Mann - auf dem Papiere! - der englischen Kriegsmarinereserve). Als schwächsten Punkt führte er die, anderen Nationen ganz fremde, ablehnende Haltung des größeren Teils des deutschen Parlaments gegen eine weitere Vermehrung der Kriegsflotte an. Dies sei eine traurige Tatsache. Den ¾ stündigen überzeugten und instruktiven Ausführungen, die lebhaften Beifall fanden, folgten 72 Lichtbilder, die einzelnen Typen der deutschen Kriegsflotte darstellend, deren Bau, Konstruktion und Einrichtung, Maßregeln zur Küstenverteidigung, Armierung der Kriegsschiffe, großen und kleinen Dienst auf denselben, sowie das Leben und Treiben an Bord derselben. Zum Schlusse brachte der Vortragende als Vertreter des größten deutschen Volksvereins auf den hohen Protektor des Flotten-Vereins in Baden, seine königl. Hoheit Großherzog Friedrich ein begeistert aufgenommenes Hoch aus. Das lebhafte Interesse, das die Anwesenden dem Vortrage wie den belehrenden Lichtbildervorführungen entgegenbrachten, dokumentierte am besten der anhaltende Beifall, der Herrn Major Wochinger auch am Schlusse gezollt wurde. Es wäre im Interesse der guten nationalen Sache zu wünschen, daß der Indifferentismus im Volke gegenüber unserer Flotte und Seemachtstellung immer mehr schwinden und einer großzügigen opferfreudigen Begeisterung für Durchführung der von einsichtsvollen Männern als notwendig erkannten und oft genug verkündeten Forderungen weichen möchte, auf daß unser deutsches Volk nicht nur zu Lande sondern auch auf dem Wasser jedem Gegner überlegen oder mindestens gewachsen werde.
[...]
Neues und Telegramme.
Aus Deutsch-Südwestafrika.
Berlin, 21. März. Gouverneur Leutwein telegraphiert unter dem heutigen: Nach einer Meldung aus Grootfontein ist die Straße längs des Omuramba- und des Omatakoflusses, zwischen Otjitujo (etwa 40 Kilometer ostsüdöstlich von Grootfontein) und Otjomaware (40 bis 50 Kilometer von Grootfontein) vom Feinde frei. Oberleutnant Bolkmann ist angewiesen, die Linie längs des Omuramba- und Omatokoflusses abzusperren. (Damit würde den gegenwärtig in den Onjatibergen sitzenden Hereros der Weg nach Norden zu einem Teile verlegt werden.)
Der am 13. März im Kampfe gegen die Hereros gefallene Marineoberassistenzarzt Dr. Velten ist der einzige Sohn des königl. Oberschiffsführers Dr. Velten, der speziell mit der Führung des kaiserlichen Salondampfers Alexandra betraut ist, auf dem der Kaiser seine Lustfahrten auf der Havel und Spree unternimmt.
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