Pressedokumentation auf www.freiburg-postkolonial.deKolonialdebatte: Roeren fühlt sich missverstanden; Budgetkommission berät über Nachtragsetat |
Freiburger Zeitung, 09.12.1906, 2. Blatt, 1. Seite Deutscher Reichstag. Berlin, 7. Dezember. [...] Aus Berlin wird uns geschrieben, daß Herr Abg. Roeren in seiner Reichstagsrede in der bewegten Sitzung am letzten Montag bei der Kolonialdebatte nicht von einem dummen..., sondern von einem jungen grünen Assessor gesprochen hat. * Die Budgetkommission des Reichstags setzte die Beratung des Nachtragsetats fort. Dr. Semler meint, die Schuld an der jetzigen Lage trage teilweise der Reichstag, der wenig Wärme für die Kolonien zeigte, und teilweise auch die Regierung, die wenig Energie zeigte. Die Masse der Truppen aus dem Süden zurückziehen, hieße ihn aufgeben. Die Bahn sei das Wichtigste. Oberstleutnant Kühl: Die Hottentotten seien viel gefährlichere Gegner als die Herero. Der Feind lebe von dem, was er raube, den Raub tausche er auf englischem Gebiet gegen Munition ein. Deshalb suche Oberst Deimling besonders dem Feinde den Raub zu erschweren. Zur Zeit seien noch 8000 Mann im Süden nötig. Wenn die Bahn Keetmanshoop fertiggestellt sei, sei eine Verminderung auf 7000 Mann angängig. Weiteres über die Verminderung könne zur Zeit nicht gesagt werden. v. Richthofen: Man müsse nach großen Gesichtspunkten verfahren und sich den Ansichten der militärischen Leitung fügen. Daher sei er gegen den Antrag, wonach am 1. April nächsten Jahres nur noch 2500 Mann in den Kolonien bleiben sollen. Dr. Arendt befürwortet die Bewilligung einer Pauschalsumme. Die plötzliche Zurückziehung der Truppen aus dem Schutzgebiet wäre verfehlt. Er beantragt eine Resolution, wonach behufs Verminderung der Reichszuschüsse zur Schutztruppe in Südwestafrika eine Beschleunigung der Heimsendung möglichst vorzunehmen, dagegen aus Ansiedlern eine Landwehr und Landpolizei zu berufen sei. Abg. Erzberger begründet eingehend den Antrag Engelen nur 2500 Mann in den Kolonien zu lassen. Kolonialdirektor Dernburg erklärt, es sei nicht möglich und mit dem Ansehen Deutschlands nicht vereinbar, den Kampf gegen die Hottentotten aufzugeben. Wenn die Truppen aus dem Süden zurückgezogen werden würden, würde kein dauernder Friede zustande kommen, die Hottentotten würden nach dem Norden folgen und es würde zu neuen Kämpfen kommen. Er halte die schnelle Verminderung der Truppen wegen der Schwierigkeit der Zusammenziehung derselben an und für sich für unausführbar. Nach weiterer Debatte wird der Antrag des Zentrums dahin ergänzt, daß man bis zum 31. März 1906 [sic!] neben der Heimsendung weiterer 4000 Mann Vorbereitungen trifft, die Gesamtstärke der Truppe in den Schutzgebieten auf 2500 Mann herabzusetzen. Zur Übersicht 1906 der Pressedokumentation | Scan der Originalseite auf Server der UB-Freiburg | nach oben |