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Weitere Aufführung von Ira Aldridge in Freiburg: "Othello" und "The padlock"

Freiburger Zeitung, Dienstag, 21.09.1852, Nr. 224, Tagesausgabe, 3. Seite

Theater.

Freiburg, Freiburg, den 20. Sept. Ira Aldridge hat gestern den „Othello“ wiedergegeben. Auch diesmal hatten wir nicht den Aethiopier oder den Fürstensohn,

„Wenn er von einem Trauerschicksal sprach,
das seine Jugend traf“

sondern nur den vollendeten, kaum erreichbaren Künstler bewundert.

Diese Muskelkraft, wie sie freilich fast ausschließlich jetzt noch dieser Race im Allgemeinen eigen ist, scheint uns allein fähig, solche Bewegungen der Seele, Stürme durch die losgelassenen Triebe und Affecte einer leidenschaftlichen Seele angeregt, während mehrerer Stunden zu ertragen. All’ die Gefühle dieser Hoffnungen, dieser getäuschten Liebe, Freundschaft und Reue, dieses Hasses von dem Feuer des Temperaments und dem dieser Race eigenen Vollblute aus der Tiefe der Seele heraufgepeitscht, kann kein anderer als Ira Aldridge wiedergeben. Freilich kommt seiner ausgezeichneten Mimik seine Racen- Physiognomie außerordentlich zu Statten. Dies Rase, die geringe Gefühlsthätigkeit andeutend, dieses heftige Begehren nach Rache und Blut, wie es in dem „breiten Maul,“ wie sich Jago ausdrückt, in dem stark ausgebildeten Kinne liegt; diese Athleten Brust, wie sie Ira Aldridge besitzt, so sehr von den Stürmen der Leidenschaft bewegt, vermag allein diese Stürme ausdauern. Kraft und Organ sind aneinander gefesselt; sie wachsen und fallen mit einander. Und doch ist Othello, wie Shakespeare ihn gibt, nicht mehr der reine Sohn der Natur, wie er in den heißen Sandwüsten Afrikas lebt; seine Nerven sind durch Luxus und Schwelgerei, wie sie damals in der reichen und mächtigen Lagunenstadt vorhanden waren, noch erschüttert, noch reizbarer gemacht. Auch unser Ira musste durch die Civilisation aus diesem Urzustande herausgebracht werden; aber gerade darin liegt sein hohes verdienst um die Kunst. Denn wie gläubig noch gab er:

„Dies Schnupftuch
gab meiner Mutter ein Zigeunerweib,
Sie konnte fast zaubern und den Menschen fast
Aus ihrer Seele lesen.“

Aber größer steht er da in der Meisterschaft in dem allmächtigen heraufbeschwören seiner Gefühle, seiner Leidenschaften und Affecte bei den teuflischen Einflüsterungen Jago’s, anfangend mit:

„Fahr’ wohl o Ruh, fahr wohl Zufriedenheit“ ec.

bis zum:

„Nun Bube, sollst du den Beweis mir geben
Daß Desdemona eine Buhlerin ec.“

Wie hier seine Muskelfibern zu zucken beginnen, die allmählig sich bis zur solchen Kraft entwickeln, wo er den Jago an der Kehle fasst, die nur bei einer solchen Racemuskulatur möglich ist. Doch auch dieser Sturm legt sich wieder etwas; aber immer aufs neue angeregt, steigert er sich bis zum höchsten tragischen Ausdrucke; bei den Worten:

„Hätte der Bube tausend Leben ec.“

und erreicht seinen Calaminationspunkt in:
Blut, Jago, Blut!
Nie und nimmer kann ein Tragiker diese Partie mit mehr Leidenschaft und dem höchsten inneren kampfe ausgedrückt haben, als Ira Aldridge, des all’ die hierzu nothwendigen physisch-psychischen Elemente mit der vollendeten Kunst in sich vereinigt, wie noch niemand vor ihm.
Mit sich einig, doch den verstand von der höchsten Leidenschaft vernebelt, kommt er in das Schlafgemach – und erwürgt Desdemona – sein Weib. – „Mein Weib? Ich hab’ kein Weib!“ ruft er mit dem höchsten Schmerze, dem höchsten Reuegefühl aus. Aber sein Schmerz steigert sich bis zum höchsten tragischen Effect, wo er sagt:

„Ich den beschnittenen Hund am Halse packte
Und ihn [.] so niederstieß“ –

und sich tödtet.

Manche Uebertreibungen, sowie das bisweilen vorkommende Schreien mögen seiner Konstitution, sowie die Leidenschaftlichkeit, mit der er seine Rolle mit seinem heißen Negerblute durchführt, zugeschrieben werden. Eine solche athletische Brust muß sich von zeit zu Zeit Luft machen. Dann denke man noch an die Größe des Covent-Garden-Theaters, auf dem Ira seine Ausbildung sich erworben hat.

Aber von diesen (Neben)-Dingen abgesehen, stimmen wir vollkommen mit dem über Aldridge bereits gefällten Urtheile bei: dass so Othello noch nie gespielt worden, seit Shakespeare ihn schrieb; das dieser Schauspieler dazu geboren ist, die große Rolle in ihrer Vollkommenheit darzustellen. „Uebrigens muß man ihn in der Nähe sehen, um seine Kunst zu würdigen; seine Mimik darf dazu nicht verloren gehen, sie ist die Hauptträgerin des Eindrucks, den er hervorbringt.“
Auch als Komiker hat er seine Meisterschaft in dem Baudeville: The padlock – das Vorlegeschloß – bewiesen. Ein naturgetreueres Bild des Negerstammes, wie wir es uns aus Reisebeschreibungen und aus den in Europa vorkommenden einzelnen Gliedern derselben abstrahiert haben, kann niemand besser geben als Ira Aldridge in seinem Mungo. Er stellte, wie der Kölner Kunstkennerische Feuilletonist sagt, darin den Negersclaven Nordamerikas mit all seiner Gutmüthigkeit, Naivetät und kindischer Verschmißtheit dar, ein Charakterbild, das nie treffender und nicht erzöglicher sein kann!
Möge der Künstler unseren freundschaftlichen Dank entgegen nehmen, so wie auch Desdemona, deren Leistungen uns ebenfalls in freundlichem Andenken bleiben werden. Gelegentlich aber können wir unser Befremden über das so geringe Besetztsein der Logen hier nicht unterdrücken.


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Zur Besprechung der Aufführung in der Freiburger Zeitung vom 19.09.1852