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Pressedokumentation:

Kurzmeldungen zu Ostafrika; Reichskommissar Göring gegen Lewis und Kamaherero in Damaraland; Reisebericht von Dr. Hans Meyer über Buschiri bin Salim und den Aufstand in Ostafrika

Freiburger Zeitung, 12.01.1889 (Tagesausgabe), 1. Seite

Frankreich

Paris, 10. Jan. Der Marineminister Krantz theilte dem heutigen Ministerrathe ein Telegramm des Gouverneurs von Obod mit, worin gemeldet wird, daß der Gouverneur mit dem Kommandanten des französischen Schiffes „Meteore“ übereingekommen sei, Maßregeln gegen die Unterdrückung des Sclavenhandels zu treffen.


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Freiburger Zeitung vom 12.01.1889 (Tagesausgabe), 2. Seite

London, 8. Jan. Gestern ist auch der Rest des walisischen Regiments mit dem Dampfer Hodeidas von Sulain nach Suez abgefahren. Der Stadthalter von Sulain erließ einen Aufruf an die Küstenstämme und versicherte ihnen, daß die englische Regierung weder ihre Unabhängigkeit noch ihre Geldbeutel durch Steuern antasten werde; sie sei entschlossen, Sualin zu halten und gegen die Derwische zu vertheidigen und werde die Stämme unterstützen, falls sie sich gegen die Derwische vereinigen wollten. Ueberläufer haben übrigens die wenig erfreuliche Nachricht gebracht, daß Osman Digma Boten nach Karthum um Hülfe entsandt habe. Die hiesige Zeitungskritik plagt sich noch immer vergebens mit der Preisaufgabe ab, was nunmehr mit Sualin zu thun sei. Brennend wird diese Frage erst wieder werden, wenn die neuen Derwische aus Karthum anlangen.

Africa.

- Das Reuter'sche Bureau weiß aus Capstadt zu melden, daß die von dem Engländer Lewis angezettelten Streitigkeiten zwischen Kamaherero, dem Häuptling von Damaraland, und Dr. Göring, dem deutschen Reichskommissar, zur schleunigen Flucht der Deutschen aus Damaraland geführt hätten und daß dortselbst nun auch die Missionare in Lebensgefahr schwebten. Um den Eindruck zu erzeugen, daß die Sache der Deutschen in Damaraland endgültig verloren und daß die Rechte von Lewis unbestritten älteren Datums als die zwischen Kamaherero und Dr. Göring getroffenen Abmachungen seien, von welchen übrigens der Häuptling überhaupt nichts mehr wissen wolle, verbreitet man von englischer Seite eine mit größter Einseitigkeit abgefaßte Darstellung über den Verlauf einer angeblichen Verhandlung zwischen den betheiligten Personen vor versammelten Volk in Olanhandja. Dieser Bericht läßt Kamaherero lange Reden halten über die Werthlosigkeit der sogenannten Schutzerklärung seitens des deutschen Reiches, über die Trefflichkeit der Lewisschen Unternehmungen und die dem Lande daraus erwachsenden Vortheile sowie über die Sehnsucht der Damaras nach der englischen Freundschaft. Dr. Göring und die deutschen Missionare Diehl und Jcht erscheinen durch den Verlauf der Verhandlungen in der Beleuchtung dieses Berichtes bis zur Sprachlosigkeit niedergeschmettert und als gänzlich unfähige Menschen, während Lewis die feierliche Bekräftigung seiner Ansprüche aus dem Munde des Königs und des Volkes würdevoll entgegennimmt. Schließlich wird behauptet, Dr. Göring habe zugeben müssen, daß er kein Recht im Land habe, und sei Hals über Kopf nach der Walfischbai abgereist.


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Freiburger Zeitung vom 12.01.1889 (Tagesausgabe), 3. Seite

Zur Geschichte des Aufstandes in Ostafrika.

In der Berliner „Gesellschaft für Erdkunde“ hielt am vorigen Samstag der Erforscher des Kilimandscharo, Dr. Hans Meyer, einen Vortrag über seine letzte Expedition in Ostafrika. Diese Expedition ist bekanntlich unglücklich verlaufen; immerhin vermochte Dr. Meyer viel Interessantes von derselben mitzutheilen, insbesondere auch über den Aufstand an der ostafrikanischen Küste und den vielgenannten Führer desselben, Buschiri.

Der Plan war, das ganze große Gebiet der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft von Ost nach West zu durchkreuzen und von Nord nach Süd zu erforschen. Als Ausgangspunkt war Pangani gewählt worden, von wo Ende August der Vormarsch in das größtentheils noch unerforschte Usambara-Gebirge erfolgte. Während der größte Theil der Lasten und Mannschaften auf der alten Karawanenstraße über Masinde nach Gondja dirigirt wurden, drangen Dr. Meyer und Dr. Baumann mit 60 Mann über die deutsche Tabakplantage Lewa und die englische Missionsstation Magita in das bergige, fruchtbare und gut kultivirte Gebiet der harmlos gutmüthigen Wasambara vor. Mit Ueberwindung beträchtlicher Terrainschwierigkeiten gelangten die Reisenden über die sterile Nilo-Ebene nach Gondja, wo sie zu ihrem Erstaunen die Hauptkarawane nicht vorfanden, sondern vernahmen, daß dieselbe von dem Herrscher in Masinde, Sempodia, auf Befehl des Wali von Pangani festgehalten sei. Von den inzwischen eingetretenen Vorgängen an der Küste hatten die beiden Europäer keine Ahnung. Sie waren zum Flaggenhissen in Pangani zurecht gekommen und hatten damals nur bemerkt, daß die Araber einen kleinen Tumult in Scene gesetzt, sich aber vor den deutschen Matrosen schleunigst zurückgezogen hatten. Seit Monaten waren sie nun ohne Nachricht geblieben, denn, wie sich später ergab, waren alle Botschafter von ihnen und an sie von den Arabern aufgefangen worden. Das kleine Häuflein zog nun nothgedrungen nach Masinde. Aber Sembodja war so anmaßend und so begierig nach der Habe der Expedition geworden, daß Dr. Meyer sich entschließen mußte, mit Zurücklassung aller Waaren nach Pangani zurückzukehren. Damit war das Schicksal der Expedition besiegelt. Die Reisenden hatten jetzt wohl erfahren, daß in Tanga Unruhen vorgekommen waren, wußten aber nicht, daß der Aufstand längs der ganzen Küste ausgebrochen war. So liefen sie blindlings in die Falle, die ihnen seit Wochen gestellt worden war. Beladen mit den wichtigsten Instrumenten, einigen Waffen und der nöthigen Ausrüstung, zogen sie den Karawanenzug entlang zur Küste. Von Korogwe an schloß sich ihnen bewaffnetes Negergesindel an, aufgeputzt mit offenbar gestohlenen europäischen Kleidungsstücken. Ein Brief, den sie überbrachten, besagte, sie seien vom Wali gesandt, die Reisenden nach Pangani zu begleiten. Die Station Lewa war vollständig ausgeraubt, die in prachtvoller Entwicklung stehenden Tabaksfelder waren der Ernte gewärtig.

In Pongwe am Rusu, fünf Stunden von Pangani, hofften die Reisenden ein Boot ihres indischen Agenten Sewa Hadschi zu finden; doch war dies nicht der Fall. Sie wurden in eine Schamba (Farm) gelockt; dort trat die Katastrophe ein. Noch hatte man sie bei der Mahlzeit zuvorkommend bedient. Dr. Meyer saß vor der Hütte und blickte nach dem Boote aus. Da wurde er von hinten erfaßt, man warf ihn zu Boden. Dutzende von Kerlen knieeten sich auf ihn, schnürten ihm die Kehle zu und rissen und schnitten ihm Alles vom Leibe, was er anhatte. Ein wuchtiger Hieb mit einer Massaikeule auf den Schädel beraubte ihn der Besinnung. Die Hände wurden ihm auf den Rücken gebunden, ein schwerer Eisenring um den Hals gelegt, und so wurde er mit einer Kette an Dr. Baumann gebunden, der dasselbe Schicksal erfahren hatte. Unter Fußtritten und Kolbenstößen wurden die beiden Gefangenen nun in eine Hütte geschafft, ihre vier Begleiter, nackt ausgeraubt, hinausgejagt. Sie liefen nach Pangani. Unter beständiger Erwartung, daß man sie bald todtschlagen werde, brachten die Reisenden drei Tage in der Höhle zu. Eine alte Negerin brachte ihnen etwas Nahrung. Durch diese Erfuhren sie, daß ihre Peiniger Sclaven des Arabers Buschiri seien und die Schamba diesem gehöre. Am dritten Tage drängte sich eine Schaar Bewaffneter in die Hütte, geführt von einem stolzen, graubärtigen Araber von etwa 55 Jahren; es war Buschiri bin Salim. Er erklärte, er habe die Reisenden gefangen genommen, weil er keinen Europäer mehr in Ostafrika dulden wolle. Doch habe er seinen indischen Geschäftsfreund mitgebracht, mit dem sich Dr. Meyer wegen eines Lösegeldes verständigen könne. Gelänge eine Verständigung nicht, so würde er den Reisenden den Hals abschneiden lassen. Daß unter diesen Umständen eine Verständigung zu Stande kam, ist begreiflich. Dr. Meyer unterschrieb einen Check auf eine beträchtliche Summe (10000 Rupien). Hierauf begab sich der Inder nach Pangani, um das Geld zu holen. Buschiri nahm nun den Gefangenen die Ketten ab und hieß sie mit arabischer Höflichkeit als seine Gäste willkommen. Die Reisenden hatten nun die Gelegenheit, sich mit ihm über die Ursachen des Aufstandes, seine Absichten, die europäische Politik ec. zu unterhalten.

Buschiri erzählte, wie er vom Tage, da die Deutschen in Ostafrika erschienen, den Aufstand geschürt habe, wie er seit Wochen planmäßig gearbeitet habe, die Expedition zu zersprengen und die Reisenden gefangen zu nehmen. Die Briefe an Sembodja hatte er geschrieben; alle Briefe an und von den Reisenden hatte er abgefangen, um diese über die Vorgänge an der Küste in Unkenntniß zu erhalten. Sembodja, mit dem früher Schutzverträge abgeschlossen worden waren, befolgte ohne zu Zögern Buschiri's Befehle.

Gegen Abend brachte der Indier das Geld und Buschiri brachte die Reisenden in seinem Boote nach Pangani in sein steinernes Haus. Dort tobte der Aufruhr in hellen Flammen; Neger und Araber zogen lärmend und schießend durch die Stadt und forderten das Leben der Europäer. Auf Bitten des Indiers führte Buschiri Dr. Meyer und Dr. Baumann in dessen Haus, von wo sie am frühen Morgen des nächsten Tages, umsaust von den Kugeln der Aufrührer, an Bord des etwa eine Stunde ab in See haltenden Sultandampfers „Barawa“ gelangten. Zwei Tage später langten sie in Sansibar an.

Ueber die Ursachen des Aufstandes sprach sich Dr. Meyer auf Grund seiner Besprechungen mit Buschiri folgendermaßen aus: Buschiri, das Haupt des Aufstandes, ist überraschend orientirt über die Bewegungen am Nyanza, Tanganjika und im Sudan. Er äußerte sich ungefähr in folgenden Worten: Während wir Araber früher im äquatorialen Afrika ungestört unserem Handel nachgehen konnten, dringen jetzt die Europäer aus Westen, Süden und Osten ein, um das Land in Besitz zu nehmen. Dadurch werden unsere Handelsinteressen beschwert und beschädigt. Gegen solche Schädigung wehren wir uns. Vom Sultan von Sansibar haben wir keinen Beistand zu erwarten, da er das Land an die Wadatschi (Deutschen) verrathen hat. Die Wadatschi haben von den Zöllen an der Küste Besitz genommen, angeblich als Beamte des Sultans; aber als sie die Flagge des Sultans auf ihrem Hause aufgezogen hatten, waren sie die Herren; doch waren sie nur einzelne. Die indischen Kaufleute fürchten sie und geben uns daher keinen Vorschuß, was wollen wir anfangen ohne Vorschuß? Wie können wir eine Karawane ausrüsten ohne Vorschuß? Ich bin seit 18 Jahren nicht nach Sansibar gekommen, weil ich mich mit dem Sultan überworfen habe; deshalb haben mich die Unzufriedenen zu ihrem Führer gemacht; ich werde zeigen, daß ich eine eiserne Faust habe, wie ich es mit dem großen Fürsten Mirambo gezeigt habe.

Dr. Meyer beabsichtgt im Laufe dieses Jahres, da es ihm die für einen Privatmann so schweren Opfer des vergangenen Jahres unmöglich machen, seinen früheren Plan in vollem Umfange aufzunehmen, nur eine neue Expedition zum Kilimandscharo anzutreten, im besten Falle noch den Kenia in die Route mit aufnehmen. Von Mombas, oder Lamu, die außerhalb des arabischen Einflusses liegen, werde es möglich sein, vorzudringen.


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