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China: Depeche aus Peking an Bureau Laffan, chinesischer Angriff auf russische Dörfer; Feier der Harmoniegesellschaft am Waldsee mit Inszenierung eines Kampfes gegen die Chinesen; Rekrutierung deutscher Soldaten für China, Bericht eines Missionsschülers aus Peking

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Freiburger Zeitung, No. 178, Freitag, 03.08.1900, Tagesausgabe, Seite 2

Zu den Wirren in China.

Das Bureau Laffan empfing ein Telegramm aus Tientsin von Freitag Abend, das folgende vom 21. Juli datirte Depeche aus Peking wiedergiebt: „Erste Nachrichten von außerhalb kamen 18. Juli. Mißlingen der Entsatzexpedition machte Belagerung weit gefährlicher. Am 19. Juni brach Yamen Beziehungen ab, am 20. Juni erklärte China krieg. Deutsche Gesandte Baron Ketteler und Francis James, ein englischer Professor, wurden ermodet. 400 Nichtkombattanten nahmen in englischer Gesandtschaft Zuflucht. Ich hörte, daß Bekehrten nördliche Kathedrale besetzt halten. Tausend Flüchtlinge nahmen Zuflucht im Palast des Prinzen Lu gegenüber der britischen, Gesandtschaft. Waffenstlillstand begann 17. Juli nach 26 tätiger heftiger Beschießung. Eine Nacht dauerte die Beschießung ununterbrochen 6 Stunden an. Vier Versuche wurden gemacht, die englische Gesandschaft in Brand zu setzen, [unlesbar: zwei?] der Versuche hatten das Resultat, daß Hanlin-College zestört wurde. Feigheit der Chinesen machte erfolgreiche Erstürmung unmöglich. Gesammtzahl der Getödteten oder Gestorbenen ist: 10 Deutsche, 10 Japaner, 11 Franzosen, 5 Engländer, 4 Russen, 4 Oesterreicher, 7 Amerikaner, 7 Italiener, 9 Bekehrte, zusammen mit verwundeten 98. Korrespondenten Morrison, Reid, Tementy sind krank. Wenigstens 2000 Chinesen sind getödtet. Amerikaner halten eine starke Stellung auf Stadtmauer besetzt. Nahrungsmittel sind noch ausreichend und Hospitaleinrichtungen ausgezeichnet. Jeder ist von beständiger Arbeit sehr erschöpft. Die kaiserlichen Edikte haben die Boxer gelobt, den Missionaren befohlen, das Innere zu verlassen, und allen Vizekönigen befohlen, Peking zu helfen. Aber das Edikt vom 18. Juli [unlesbar; befielt?] Schutz und verspricht Entschädigung. Laffans Korrespondent fügt zu, der Bericht von einer großen Entsatztruppe habe den Wandel herbeigeführt.
Meldung der russischen Telegraphen-Agentur: Beim Generalstabe sind folgende Nachrichten eingelaufen: Der Konsul Schischmaron meldet aus Urga vom 27. Juli, daß die Chinesen in Kalgan die russische Kirche und die Dörfer der Russen in Brand steckten, Wagen plünderten und anderes Eingenthum zerstörten. Am 28. Juli besetzte General Rennenkampf das chinesische Fort Mocke am Amur. – Am 29. Juli wurden die Chinesen aus den Goldgruben von Sheltuga verjagt. Die Arbeiten dort wurden eingestellt und viele Besitzungen verlassen. – Am 29. Juli rückten in Blagowjeschtschenk die ersten russischen Berstärkungen ein. Oberst Servianow zerstörte das chinesische Piquet gegenüber Konstantinovka. Der Dampfer Selenga beschoß die chinesischen Ufer. Die Chinesen flohen. 2 Kanonen wurden erbeutet. Die Russen hatten keine Verluste.

(...)

Ein Sommerfest auf einem der schönsten Fleckchen Freiburger Erde, am Waldsee, feierte Mittwoch Abend die Harmoniegesellschaft. Nach den Gewitterstürmen an den vorherigen Tagen bildete der wolkenlose Himmel die schönste blaue, golddurchwirkte Kuppel, unter der sich nun das Fest wie ein Märchen aus Tausend und eine Nacht abspielte. Aus dem dichten Gebüsch leuchteten hunderte von einfarbigen Lampions, das zeigte von viel feinerem Geschmack als die übliche schreiend bunte Dekoration; die Ufer des Sees säumten ungezählte Lichtchen ein, unterbrochen von einem großen Tableau, das den [unleserlich] Harmonie zeigte; von der Insel erscholl die Musik der 113er; auf der die farbigen Effekte wiederspiegelnden Wasserfläche bewegte sich eine kleine Flotte von Booten, und an einer Seite des Ufers erhob sich, nach einer guten Idee des geschickten Theatermeisters Herrn Illner, ein Stück chinesischer Befestigung, die vom anderen Seeufer aus unter kanonendonner und prasselndem, leuchtendem Kugelregen in Brand geschossen wurde trotz aller (mit jedem Hilfsmittel der Pyrotechnik in Szene gesetzten) Vertheidigungsmaßregeln. Es gab ganz wunderbare Beleuchtungseffekte während des Kampfes und als der Bau in Flammen aufging, und das Urtheil über dieses gelungene Meisterstück der Feuerwerkskunst war einstimmiges Lob. Das Material für das Feuerwerk hatte die Firma Wiedtemann & Co. geliefert, und Herr Oskar Wiedtemann selber leitete das Abrennen. Das Präsidium der Harmoniegesellschaft und der Vergnüngungsauschuß dürfen auf den Erfolg des Festes, das mit einem Tänzchen schloß, stolz sein.


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Freiburger Zeitung, No. 178, Freitag, 03.08.1900, Tagesausgabe, Seite 3

Neuestes und Telegramme.

Nach Peking!

Berlin, 1. August. Die Nordd. Allg. Ztg. meldet: Sicherem Vernehmen nach genehmigte der Kaiser grundsätzlich die Annahme von tropendienstfähigen, zur Verwendung in China sich freiwillig meldenden Unteroffizieren und Mannschaften des Beurlaubtenstandes für etwa nothwendig werdende Ersatztransporte. Durch die Bezirkskommando werden in nächster Zeit entsprechende Ermittelungen angestellet. Die betreffenden Leute würden Handgeld und Löhnungszuschuß erhalten.
Brüssel, 1. August. Der Minister des Aeußeren erhielt von dem belgischen Geschäftsträger De Bartier ein vom 1. August datirtes Telegramm aus Schangai, nach dem die Verbündeten aus Peking marchieren. Die befinden sich 18 Meilen von Tientsin und sollen in 8 Tagen in Peking eintreffen. Alle Europäer flüchteten in das Innere der Kaiserstadt.

Neues aus Peking.
London, 1. August. das Reutersche Bureau meldet aus Tientsin vom 25. Juli: ein eingeborener Missionschüler ist letzte Nacht aus Peking zurückgekehrt, wo er sich 4 Tage aufgehalten hat. Es war ihm unmöglich, eine Botschaft an die britische Gesandtschaft auszurichten. Während seines Aufenthaltes in Peking wurde nicht gekämpft. Am 18. Juli, als er Peking verließ, wurde ein kaiserliches Edikt erlassen, worin der Schutz der Fremden befohlen wurde. Der Missionsschüler berichtet weiter: General Sung befinde sich mit 8000-10 000 Mann bei Yangtsun. 20-30 mit Steinen beladene Dschunken seien in den Fluß versenkt worden. Breite Gräben seien quer über die Eisenbahn gezogen worden. General Ma befinde sich mit 10000 Mann bei Peitsang. Ma habe wenig Lebensmittel und Munition. Das Gebiet von Peking nach Yangtsun sei verhältnißmäßig truppenfrei. Es würden keine Werke auffgeführt, um dem Vormarsch der Verbündeten Widerstand entgegenzusetzen. Die Lebensmittel in Peking würden knapp. Es erscheine als wahrscheinlich, daß die Verbündeten auf sehr geringen Widerstand stoßen werden, bis sie unter den Wällen Pekings anlangten.


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