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Generalmajor v. François zum Vorgehen gegen den Herero-Aufstand; Telegramm Leutweins; Reichstagsdebatte über Truppenstärke in der Provinz Tschili (China)

Freiburger Zeitung, 21.02.1904, 1.Blatt, 1.Seite

Zum Herero-Aufstand.

Die jüngsten Meldungen des Gouverneurs Leutwein über die Gefechte, welche die Abteilungen des Oberleutnants v, Winkler und die Kompagnie Fischel auf ihrem Vormarsche auf Gobabis zu bestehen hatten, lehren, daß, wenn auch die Hauptmassen der Herero nach Osten und Nordosten abgezogen sind, in den weiten Gebieten östlich und nördlich von Windhuk zweifellos noch viele zerstreute Banden Aufständischer sich befinden, die den Vormarsch d[e]r deutschen Truppen zu verzögern bemüht sind. Die Aufgaben, deren Lösung jetzt noch der Truppen in Deutsch-Südwestafrika harrt, setzt Generalmajor v. François, Kommandant von Thorn, in der neuesten Nummer des MiL-Wochenbl. auseinander. Generalmajor v. François ist, nebenbei bemerkt, nicht, wie andere Blätter irrtümlicher Weise annehmen, der frühere Kommandeur der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika, sondern dessen älterer Bruder. Der ehemalige Schutztruppenkommandeur ist im September 1895 als Major in den Ruhestand getreten. Generalmajor von Francois schreibt:

Die nächste Aufgabe ist zu helfen, wo noch zu helfen ist. Also Befreiung der noch eingeschlossenen Stationen und versteckten Ansiedler in den Siedlungsgebieten östlich von Windhuk, Gobabis und Epukiro, bei Karibib und Omaruru. Herstellung der Verbindung und gegebenenfalls Hilfe für die Stationen. 4. Feldkompagnie im Norden. Das ist eine Aufgabe für die 2. Feldkompagnie, verstärkt durch Reservisten und die Kompagnie Häring. Diese Aufgabe scheint sich Major v. Estorff gestellt zu haben. Gleichzeitig handelt es sich darum, eine Basis für die weiteren Operationen am Süd- und Westrande des Herero-Landes zu gewinnen. Diese Aufgabe fordert Herstellung und Sicherstellung der Bahn, Vertreiben der Herero aus diesen Gebieten im besonderen aus den Siedlungsgebieten an der Bahn, am Swakop, am Omarurufluß und um Windhuk. Das wäre vielleicht die Aufgabe für das Marine-Expeditionskorps.

Dann kommt die schwierigste und langwierigste Aufgabe, die bei den vorherigen Aufgaben aber auch schon ins Auge gefasst werden muß, nämlich die Bestrafung, Niederwerfung und Entwaffnung der Herero. Zu diesem Zweck muß ein hartnäckiger, unerbittlicher kleiner Krieg geführt werden. Ueber das Siedlungsgebiet im Süden und Westen hinaus müssen einzelne Stützpun[k]te vorg t ie n [unseserlich; vorgetrieben?] werden, die so liegen, daß sie die Herero nach Osten und Norden einengen, z.B. Otjihaenena, Katjapia und Omburo. Nach diesen Stützpunkten müsste ein guter Verpflegungs- und Transportdienst einger[i]chtet werden unter einheitlicher Leitung von sehr erfahrenen, umsichtigen Offizieren und Beamten. Die Stützpunkte müßten durch 100 bis 200 Reiter - in der ersten Zeit stärker, später genügen weniger Leute - mit je zwei 8,7 Zm-Schnellfeuergeschützen besetzt sein. Von den Stützpunkten aus müssen fortgesetzt Züge gegen die Herero unternommen werden. Sie dürfen sich nie sicher fühlen. Wo Herero getroffen werden, muß das Streben herrschen, sie einzukreisen, zur Ergebung zu zwingen, das Vieh fortzunehmen. Die Männer müssen abgeurteilt und die Schuldigen erschossen werden. Die weniger Schuldigen könnten teils nach anderen Kolonien verschickt, teils mit Zwangsarbeit bestraft werden. Weiber und Kinder müssen in Lagern untergebracht werden, zunächst viel in Swakopmund. Im Felde dürfen sie nicht bleiben, da sie durch Spionage und ihre Sorge für Verpflegung schaden. Eine oder zwei mobile Kolonnen, 200 Reiter, zwei Geschütze stark, ohne bestimmten Aufenthalt im äußersten Osten und Norden würden dieselbe Aufgabe haben.

Ziehen sich die Herero weiter zurück, müssen die Stützpunkte nachgeschoben werden. In dieser Art wird fortgefahren, bis die Herero sich auf Gnade und Ungnade ergeben. Dann können ihnen in entlegener Gegend mehrere Reservate gegeben werden. Diejenigen, welche die Arbeit der Weißen vorziehen, werden den Ansiedlern als bezahlte Arbeiter angegliedert. Rund um die Reservate muß ein möglichst breiter Landstrich, mindestens eine Tagereise weit, unbewohnt bleiben. Jeder Herero, der sich außerhalb der Grenzen des Reservats zeigt, muss erschossen werden, und jeder Ansiedler muß das Recht dazu haben. Den Herero, welche Vieh außerhalb des Reservats weiden lassen, müßte dasselbe abgenommen werden. Eine scharfe Beaufsichtigung der Reservate durch Eingeborenenkomissare sind zur Durchführung der Maßnahmen gegen die Eingeborenen nötig. Mit den Herero allein ist auch noch nicht all das farbige Gesindel zur Ordnung gebracht, welches sich noch in der Kolonie befindet und auch ein Wort mitzusprechen hat.

Während des Krieges muß also schon überlegt werden, in welcher Art die Kolonisation in Südwestafrika weiter betrieben werden soll. Ueber die Zukunft von Südwestafrika, und was Südwestafrika not tut, ist noch unmittelbar vor dem Aufstande soviel geredet und geschrieben worden, daß man an den bisherigen Erfolgen zweifeln konnte. Amtlich wurde schon geprüft. Bei genauer Prüfung und Berechnung wird sich zeigen, daß die weiteren Aufwendungen nur geringfügig sein dürfen, es sein denn, daß der Staat sich die alleinige Vergebung des Landes, die Ausnutzung der mineralischen Schätze und den Betrieb der großen Verkehrsunternehmungen vorbehält. Der geeignete Zeitpunkt für die Aenderung ist da. Die 60 Millionen, welche der Staat, die Hunderttausende, die von den Gesellschaften im Herero-Land angelegt waren, die Siedlungsgebiete mit einem Wert von 18 500 000 Mark, die Früchte zwanzigjähriger Kolonisationsarbeit sind so gut wie verloren. Niemand kann im Zweifel sein, daß ein vollständiger Neubau erforderlich ist.


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Freiburger Zeitung, 21.02.1904, 1.Blatt, 2.Seite

Neuestes und Telegramme.

Aus Deutsch-Südwestafrika.

Berlin, 19. Febr. Gouverneur Leutwein telegraphiert heute, daß am 16. Febr. eine Abteilung Matrosen und der Schutztruppe unter dem Kapitänleutnant Sygas am Lievenberg, nordöstlich von Otjimbingwe, in der Richtung auf Großbarmen ein Gefecht hatte. Diesseits gab es einen Toten und einen Verwundeten. Die Namen folgen. Die Gegner, dessen Verluste unbekannt sind, wurden zurückgeworfen.


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Freiburger Zeitung, 21.02.1904, 2.Blatt, 1.Seite

In der Budgetkommission des Reichstages teilte bei Beratung des Etats für die Expedition nach Ostasien Staatssekretär Frhr. v. Richthofen mit: Was über die politische Lage in Ostasien im Reichstage in öffentlicher Sitzung mitgeteilt werden könne, müsse dem Reichskanzler vorbehalten bleiben. Der Bestand der ostasiatischen Brigade könne jetzt nicht gekürzt werden. Unter den gegenwärtigen Umständen werde das auch niemand beantragen. Die Besetzung der Provinz Petschili, die allmählich den inneren Frieden in ganz China zu erhalten scheine, sei beschlossen. Auch die 600 Mann Reservisten in Kiautschou würden jetzt draußen bleiben müssen; sie seien erforderlich für den Fall, daß das Bedürfnis eintrete, das internationale Besatzungskorps in Tschili zu verstärken und ferner zum Schutze der Neutralität des Kiautschougebietes. Im weiteren Verlaufe der Sitzung erklärte der Staatssekretär Frhr. v. Richthofen: Die Forderung, wir hätten uns in Ostasien niemals einmischen sollen, sei unhaltbar. Wir konnten nicht unsere Missionare und unseren Gesandten ermorden lassen, ohne aus eigener Kraft entsprechend der Machtstellung des Reiches eine Sühne dafür zu nehmen. Bei den internationalen Abmachungen über eine Besatzung in der Provinz Tschili sei seinerzeit ein Endpunkt für die Dauer der Okkupation nicht festgesetzt, wohl aber vereinbart worden, daß eine Macht von dieser Abmachung nicht einseitig zurücktreten könne, daß vielmehr die Abänderung oder die Aufgabe des Besatzungsstandes in gemeinschaftlicher Verständigung der betreffenden Mächte zu erfolgen habe. Eine entsprechende Anregung sei bisher nicht erfolgt, unter den gegebenen Umständen auch höchst unwahrscheinlich. Daß Deutschland mit seiner Truppenzahl an zweiter Stelle stehe, entsprechende seinen Handelsinteressen, die direkt hinter denen Englands kommen.


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