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Vorstandssitzung Alldeutscher Verband zur Sammlung für Deutsche in DSWA; Bugetkommission zu Kolonialetat und Truppenstärke in China; Telegramm von Leutwein und von einem Missionar aus DSWA

Freiburger Zeitung, 25.02.1904, 1. Blatt, 1.Seite

Eine Ausschuß- und eine Vorstandssitzung des Alldeutschen Verbandes

wurde soeben in Berlin abgehalten. In der Ausschußsitzung wurde beschlossen, für die Deutschen in Deutsch-Südwestafrika eine besondere Sammlung nicht zu eröffnen, da dies von anderer Seite bereits in ausreichendem Maße geschehen sei; es wurde den Mitgliedern des Verbandes daher empfohlen, sich an diesen Sammlungen rege zu beteiligen, wobei sie freilich den Grundsatz gegenüber den Veranstaltern der Sammlung zur Geltung bringen müßten, daß es sich hier nur um Gelder zur Linderung der ersten Not, nicht aber um Entschädigung für erlittene Vermögensverluste handeln könne. Diese zu leisten falle naturgemäß der Regierung zu, die sich ihrerseits am Land und Vieh der Hereros schadlos halten müsse. In der Vorstandssitzung fanden die Neuwahlen für die leitenden Körperschaften des Verbandes statt. Es wurde die alte Hauptleitung (bestehend aus den Herren Professor Hasse-Leipzig, Graf du Moulin-Eckart-München u. Rechtsanwalt Claß-Mainz) wieder und Generalleutnant z.D. v. Liebert neugewält.

In einer anregenden Erörterung, die sich über die Haltung des Verbandes in nationalpolitischen Fragen entspann, wurde das bisherige Vorgehen der Hauptleitung von der überwältigenden Mehrheit der Versammlung gebilligt und dieser ein Vertrauensvotum erteilt. Nach wie vor müsse der Verband völlig unabhängig nach oben und unten dastehen. So wenig wie es ihm einfalle, grundsätzlich Opposition gegen die Regierung zu treiben, könne er sich das Recht, einen kritischen Maßstab an die Handlungen der Regierung anzulegen, verkümmern lassen. Ferner wurde ein Antrag des Kaufmanns Stahlbuhk in Hamburg erörtert, der sich mit der Ueberflutung deutscher technischer Hochschulen mit Ausländern und die dadurch dem deutschen Handel und der deutschen Industrie zugefügten Schädigungen beschäftigt. Von der Hauptleitung des Verbandes sind über die Zustände an den einzelnen Hochschulen in dieser Beziehung eingehende Erhebungen veranstaltet worden, die zu dem Ergebnis geführt haben, daß die Verhältnisse an den einzelnen Hochschulen sehr verschieden sind und die Frage daher nur nach den einzelnen Bundesstaaten gesondert behandelt werden könne. Es wurde demnach beschlossen, das gesammelte Material den Ortsgruppen in den betr. Bundesstaaten, die in Frage kommen, zur geeigneten Verwertung zu überlassen.

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Berlin, 22. Februar. Der Reichsanzeiger meldet: Nach neueren Entschließungen der Verwaltungsbehörden der Kapkolonie ist der für die Einwanderung nachweisbare Besitz an Unterhaltungsmitteln von 5 Pfund auf 20 Pfund Sterling erhöht worden.

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Die Budgetkommisssion des Reichstages setzte die Generaldebatte über den Kolonialetat, Expeditionskorps in Ostasien fort. Gröber empfiehlt eine Verminderung der ostasiatischen Truppen. Müller-Fulda erklärt, es werde in China zu teuer gewirtschaftet, es müßten Ersparnisse gemacht werden. Redner begründet seinen und Dr. Paasches Antrag, wonach eine Reihe von Positionen gestrichen, andere als künftig wegfallende bezeichnet werden sollen. Kriegsminister v. Einem betont, die Verwaltung halte die Truppen in Ostasien nicht zurück, sondern die internationalen Vereinbarungen. Der internationale Charakter der dortigen Aufgaben mache die getroffenen Maßnahmen erforderlich. Der Antrag streiche soviel, daß er ganz undurchführbar sei. Payer bringt mit Müller-Sagan und Hermes eine Resolution ein, die Zurückberufung der Besatzungsbrigade auf dem Wege der internationalen Vereinbarung einzuleiten, und bekämpft den Vorschlag der Kolonialarmee. Ledebour bekämpft diesen Vorschlag ebenfalls und fügt hinzu, die Zurückziehung der Truppen würde die Beruhigung der Provinz Tschili erleichtern. Frhr. v. Richthofen befürwortet die Vorlage angesichts der großen Handelsbedeutung Chinas. Dr. Arendt bemerkt, die Schaffung einer Kolonialarmee sei eine traurige Notwendigkeit, aber eine dringliche Frage. Müller-Fulda erwidert, die Kolonialarmee müsse doch nicht in China tätig sein, das keine deutsche Kolonie sei. Frhr. v. Richthofen bezeichnete die Ausführungen Müllers und Payers ausdrücklich als grundsätzlichen Irrtum, als beabsichtige die Regierung eigensinnig, die deutsche Besatzung von Tschili in aeternum zu verlangen. Die Regierung bestehe vielmehr darauf, die ostasiatische Brigade baldmöglichst aufzulösen. Die Truppen seien von 22 000 auf 2500 verringert worden. Auch sei die Heimschaffung der in Kiautschou befindlichen 600 Mann Reservisten in Vorbereitung. Gegenwärtig sei aber der denkbar ungünstigste Augenblick zur Schwächung der ostasiatischen Streitkräfte oder zur Aenderung dieser Organisation. Gegen Ledebours Aeßerung, wir hätten in Tschili lediglich eine Russennachahmung ergriffen, bemerkte der Staatssekretär, wir hielten uns dort immer auf derselben Linie mit einer ganze Reihe von Mächten, darunter außer Russland auch Japan, dem gewiß nicht eine Russennachahmung zu unterstellen sei. Darauf beginnt die Spezialdiskussion an deren Schluß die Positionen 1, 2 und 8, Besoldung und andere persönliche und sachliche Ausgaben bewilligt werden. Weiterberatung: Mittwoch.


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Freiburger Zeitung, 25.02.1904, 1. Blatt, 2. Seite

Aus Deutsch-Südwestafrika.

Berlin, 24. Februar. Leutwein meldet aus Deutsch-Südwestafrika: Die Ostabteilung unter Major von Glasenapp geht über Gobabis gegen den Häuptling Tjotjo vor und sperrt die Grenze. Die Hauptabteilung sammelt sich für Okahandja. Die Westabteilung unter Major von Estorff geht auf Outjo vor und entwaffnet den Amaruru-Stamm.

Osnabrück, 24. Februar. Pater Nachtweg sandte aus Windhuk an seinen hier wohnenden Bruder folgende telegraphische Nachricht: Von unserer Mission ist kein Mensch ums Leben gekommen, doch ist der materielle Schaden sehr groß.


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