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Pressedokumentation auf www.freiburg-postkolonial.de

Badische Post gegen Landenteignung der Herero und für Gouverneur Leutwein

Freiburger Zeitung, 06.03.1904, 2. Blatt, 1. Seite

Stimmen der Presse

Zum Aufstande der Hereros schreibt die Badische Post:
Ehe noch der Aufstand niedergeschlagen ist, wird in der gesamten deutschen Presse darüber verhandelt, welche Maßregeln gegen die Herero ergriffen müssen, um solche Vorkommnisse für immer unmöglich zu machen. Die einen fordern die allerschärfsten Maßnahmen, vor allem die Enteignung der Eingeborenen und das Verbot des Grundbesitzes durch Farbige. Die anderen, und das sind hauptsächlich die mit Land und Leuten Vertrauten, suchen in der Wegnahme des Grundbesitzes die größte Gefahr für unsere Kolonie und wünschen menschliche Behandlung der Unterworfenen und ihre Erziehung zu einer zuverlässigen, arbeitsamen Bevölkerung. Dieser Gegensatz ist nicht neu.
Seit Jahren klagen die evangelischen Missionare in Südwestafrika über das Borgsystem, das im Geschäftsverkehr der weißen Händler mit den Farbigen herrscht. Die Farbigen sind wie die Kinder. Was sie sehen, wollen sie haben. So geraten sie in Schulden. Hat sich die Schuld gehäuft, so drängt der Händler auf Zahlung, kann der Farbige nicht zahlen, dann geht es gerade wie bei uns so oft: es wird ein Zahlungsbefehl erwirkt, das Vieh wird weggenommen und wo das nicht reicht, das Land dazu. Daß diese von Haus und Hof Vertriebenen nur die Zahl der Unzufriedenen vermehren, wissen wir von unseren heimatlichen Verhältnissen. Dort kommt dazu der Unterschied der Rasse und Hautfarbe. Der Farbige haßt den weißen Händler, der ihm sein Eigentum genommen hat. Die enteigneten Hereros werde die Träger der Unzufriedenheit, die steten Anstifter von Unruhen und Aufständen. Daß auch der gegenwärtige Aufstand durch derartige Schuldeintreibungen hervorgerufen ist, ist bekannt. Man kann sich auch nicht mehr so wundern, wenn man hört, daß vor kurzem ein einziger Händler bei der Regierung eine Liste von 250 Schuldnern mit 18,000 Mark Schulden überreichte und die Regierung gezwungen war, diese Schulden einzutreiben. Bei dem unbeschreiblichen Leichtsinn der Farbigen, die trotz ihrer Schulden alles kaufen, was sie auf Borg erhalten können, wäre ein Gesetz nötig, daß Schulden Eingeborener, die durch unberechtigtes Kreditgewähren entstanden sind, nicht einklagbar sind. Sonst bekommt in Südafrika das Großkapital den Grund und Boden in die Hände und die Eingeborenen sinken zum besitzlosen Proletariat herab.
Es ist sehr bezeichnend, daß die energischen Vertreter der Gewaltmaßregeln entweder zu den großen englischen Gesellschaften in Beziehung stehen, die bei Enteignung der Herero den Löwenanteil in die Tasche stecken würden, oder zu den Händlern, welche dort auf Kosten der Eingeborenen gute Geschäfte machen wollen. Diesen Kreisen entgegen stehen zwei Faktoren, denen es nicht um pekuniären Gewinn, aber um kulturelle Hebung des Landes zu tun ist: die südwestafrikanische Regierung und die Mission. Diese beiden Faktoren fordern eine maßvolle Strafe, Entwaffnung und energische Bestrafung der Aufrührer, aber Belassung des Grundbesitzes und der eigenen Sprache. Die Kolonialzeitschrift, das Organ jener Kapitalistenkreise, ergeht sich darum auch in scharfen Angriffen gegen den Gouverneur Oberst Leutwein, der bekanntlich ein badischer Pfarrerssohn ist, gegen die Rheinische Missionsgesellschaft, welche seit Jahrzehnten unter den Hereros arbeitet und gegen die deutsche Kolonialgesellschaft. Hoffentlich lässt sich aber die deutsche Kolonialregierung durch die Machenschaften jener Kreise, die schon lange an dem Sturz Leutweins arbeiten, nicht beeinflussen und ist nach Beendigung des Aufstandes nicht nur auf die Bestrafung der Schuldigen unter den Farbigen bedacht, sondern eingedenk der Schuld der Weißen auch auf Abstellung der Missbräuche im Handel mit den Eingeborenen, damit in unserer Kolonie nicht ein schwarzes Proletariat entstehe, sondern ein seßhaftes, arbeitfähiges Volk!


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