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Deutsch-Ostafrika: Karl Sauer** über Bahnlinien, Kaffeeanbau und die allg. Lage (Teil 1); Spenden für Siedler in DSWA; Kaiserpanorama: Land und Leute von China und Japan

**Bei K.S., dem Autor dieses Beitrags, handelt es sich mit sehr hoher Sicherheit um den Freiburger Karl Sauer, u.a. Sekretär beim Kaiserlichen Gouvernement von "Deutsch-Ostafrika" (in Lindi, Bagamoyo, Victoria-Nyanza, Bezirksverwaltung von Kondoa-Irangi, schließlich Distrikts- und Arbeiterkommissar beim Bau der Mittellandbahn)

Freiburger Zeitung, 20.03.1904, 1. Blatt, 1. Seite

K.S. Etwas aus der Deutsch-Ostafrikanischen Kolonie.*)
Wenn den Reichstag der Etat der Schutzgebiete beschäftigt, oder wenn Unruhen ausbrechen, dann kommen die Kolonieen in der Oeffentlichkeit einmal zur Besprechung, aber auch immer nur kurz und den einen Gegenstand behandelnd. Ueber die wirtschaftliche Entwicklung in den Kolonieen wird stets nur wenig bekannt. Das Kolonialblatt, der Tropenpflanzer und die privaten kolonialen Blätter werden von den Wenigsten gelesen, und wie groß die Unwissenheit manchmal ist, geht u.a. auch aus der öfters an Afrikaner herantretenden Frage hervor: „Ja, ich muß jetzt doch auch dumm fragen: sagen Sie mal, wie ist es eigentlich bei Ihnen?“ Das wundert einen aber nicht und gern gibt man Auskunft.
Im Vordergrunde des Interesses steht zurzeit Deutsch-Südwestafrika.
Hoffen wir, daß die Aufständischen ohne weitere Opfer auf unserer Seite bald vollständig niedergeworfen und gebührend bestraft werden, sowie daß der Frieden wieder die Aufnahme der großenteils vernichteten Kulturarbeit ermöglicht. Möge es der letzte Aufstand sein! Vorsicht und Wachsamkeit werden immer nötig sein.
Die Nachricht, daß auch in Deutsch-Ostafrika Unruhen ausgebrochen seien, war – wie es für jeden Kenner sofort feststand – ein Irrtum. Jedenfalls haben die Ereignisse in Deutsch-Südwestafrika auf die deutsche Ostseite in dieser Beziehung keinen Einfluß.
Mögen sich dagegen nicht jene Bedenken bestätigen, daß die ostafrikanische Kolonie durch den Kostenaufwand im südwestafrikanischen Kriege zu leiden haben und daß sie ihre Bahnbauten immer noch nicht erhalten werde. Es sind in unserer größten und wichtigsten Kolonie in den letzten Jahren verhältnismäßig große Fortschritte gemacht worden. Ein entscheidender Aufschwung kann aber solange nicht erwartet werden, als nicht die Eisenbahnen den Verkehr durch die produktionsreichen Binnenländer ausschließen. Darin kommen uns die Engländer, unsere nördlichen Nachbarn, zuvor. Sie haben in staunenswert kurzer Zeit der Nordgrenze unseres Gebietes entlang die Uganda-Bahn nach dem Viktoria-Nyanza gebaut, welche unserem Handel nach und vom Viktoriasee schon schadet; sie werden auch bald im Süden eine Bahn nach dem Nyassa bauen, wenn wir unsere Nyassabahn von Kilwa aus nicht bald in Angriff nehmen. Bisher hat sie nur die Tatsache davon abgehalten, daß die projektierte deutsche Bahnlinie konkurrenz- und lebensfähiger ist. Daß der Brite aus diesen Bedenken nicht schon darauf losgebaut hat, spricht am besten für die von deutscher Seite geplante Linie.
Eine Bahn in der Kolonie braucht zunächst nicht rentabel zu sein; sie nützt aber dem Lande sofort durch den Absatz seiner bisher wegen der hohen Trägerlöhne noch nicht zu einer Ausfuhr gelangten Produkte, durch eine hiernach erhöhte Produktionsfähigkeit, durch die dadurch geschaffene vermehrte Handelstätigkeit in der Kolonie und Heimat, sowie auch der Industrie durch die Zufuhr. Das dadurch gesparte Trägerpersonal kann zum Bau von Straßen, die, direkt auf die Bahnlinien geführt, dem Wagenverkehr dienen sollen, verwendet werden, oder es vermehrt unsere ackerbautreibende Bevölkerung und damit wieder die Möglichkeit zur Schaffung neuer Werte.
[Fußnote:] *) Der Verfasser dieses Aufsatzes war in den letzten sechs Jahren meist in leitenden Stellungen in der Bezirksverwaltung der Kolonie tätig. Wir glauben darauf besonders aufmerksam machen zu sollen, da heute gerade über unsere ostafrikanische Kolonie oft von Leuten abfällig gesprochen und geschrieben wird, denen gar keine oder nur unvollkommene, ungenügende, aus eigener Anschauung in der Kolonie geschöpfte Erfahrungen zur Seite stehen und die darum auch unberufen erscheinen, ein Urteil über dieselbe abzugeben, das Anspruch auf Beachtung haben könnte.

[Weiter in der nächsten Spalte:]
Und wie viele und verschiedene Werte birgt nicht der Boden und der Wildreichtum der deutsch-ostafrikanischen Kolonie! Zur Besiedelung kamen natürlich zunächst jene Gegenden, welche neben dem Vorhandensein der Bedingungen für landwirtschaftl. Klein- bezw. Großbetrieb günstige Transportverhältnisse hatten. Daß war beim Hinterlande der nördlichsten Küstenstadt Tanga bezüglich der Landschaften Ost- und West-Usambara der Fall. Während West-Usambara beinahe ausschließlich selbständige Ansiedler hat, ist Ost-Usambara vollständig von Pflanzungsgesellschaften occupiert. Die größten davon sind die Deutsch-ostafrikanische Gesellschaft, die Westdeutsche Handels- und Plantagengesellschaft, die Usambara-Kaffeegesellschaft, – sie betreiben alle in der Hauptsache wie die selbständigen Ansiedler Kaffeebau. Die Kaffeeplantagen sind von vornherein zu großstilig und danach mit zu einem zu großen Kostenaufwand angelegt worden, dazu kamen dementsprechende große laufende Betriebsunkosten und ferner die Lehrjahre, in denen erprobt werden mußte, ob der Boden bezw. welcher Boden Kaffeeboden ist oder nicht und wie die Windverhältnisse auf das Wachstum einwirken; sodann waren vor dem jetzigen Stand der Usambara-Bahn die Trägerlöhne ins Gewicht fallend.
Von einer Rentabilität konnte demnach lange Zeit nicht die Rede sein. Zurzeit werfen einige Pflanzungen einen Gewinn ab, andere kommen auf ihre Kosten und wenige ringen noch nach dieser Entwicklung. Die einzelnen selbständigen Ansiedler, die zur Niederlassung immerhin auch ein Kapital von mindestens 12,000 M. haben mußten, hoffen schneller auf eine gesunde Basis zu kommen und sehen zuversichtlich in die Zukunft. Der bisher erzielte Usambara-Kaffee wird zum Teil zu dem besten gezählt.
Es wäre in Usambara und auch anderen Hochgebirgen gewiß auch Teekultur möglich; es ist aber bisher von einem Anbau abgesehen worden, weil man fürchtet, daß er eben eine Konkurrenz mit den anderen Produktionsgebieten (z. B. Ceylon) nicht ertrüge. Dagegen werden mit Erfolg in West-Usambara Getreide und Kartoffeln angepflanzt.
Neben den Kaffeepflanzungen werden neuerdings besonders eifrig Agaven- (Hanf-)Felder angelegt. Nachdem Proben der Faser Sisalagave auf dem Markte in Europa sehr gut bewertet worden sind, die Nachfrage der Industrie sehr groß geworden ist, wird diese Hanfkultur ernst betrieben. Anscheinend hatte man lange Zeit zu mangelhafte Maschinen zur Verarbeitung der Agavenblätter zu Fasern. Maschinen neuerer besserer Konstruktion ermöglichen nunmehr die Herstellung einer für die heimatliche Industrie durchaus genügend fein gestalteten Faser.
(Schluß folgt)


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Zum zweiten Teil des Beitrags von Karl Sauer: Freiburger Zeitung, 22.03.1904, Artikel

 

Freiburger Zeitung, 20.03.1904, 1. Blatt, 2. Seite

Politische Tagesschau
Berlin, 18. März. Daß Zentralhilfskomitee für die deutschen Ansiedler in Südwestafrika hat durch Vermittelung der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes aus den bisher zugunsten der geschädigten Ansiedler eingegangenen Geldern weitere 20 000 Mk. dem Hifskomitee in Windhuk überwiesen.


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Freiburger Zeitung, 20.03.1904, 1. Blatt, 4. Seite

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