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Brief eines in Deutsch-Südwestafrika eingesetzten badischen Soldaten; der Internationale Sozialistenkongress in Amsterdam zur Kolonialfrage

Freiburger Zeitung, 21.08.1904, 1. Blatt, 2. Seite

Aus Deutsch-Südwestafrika. Der Brief eines Badeners, eines Bürgersohnes aus Leipferdingen, der sich unter den Kämpfern gegen die Hereros befindet, läßt uns trotz seiner schlichten Sprache die Gefährlichkeit des Gegners und die Schwierigkeiten ahnen, mit denen unsere wackeren Leute zu kämpfen haben. Der junge Mann meldete sich als Freiwilliger und ging Mitte Mai mit einem Transport nach Südwestafrika ab, wo er Anfang Juli eintraf. Dieser Tage nun erhielten seine Eltern einen Brief aus Okahandja, datiert vom 11. Juli. Er schreibt, wie wir dem Heg. Erzähler entnehmen, daß es ihm gut gehe, daß er aber in nächster Zeit nicht werde schreiben können, weil es am anderen Tage weitergehe nach dem Waterberg, wo der Hauptangriff gegen die Hereros unternommen werden solle. Der Wackere schreibt dann wörtlich weiter:

“Wir haben noch die schwerste Arbeit vor uns, denn die Hereros sind uns weit überlegen. Im Anfang schätzte man ihre Zahl auf 4-5000 Mann und heute schätzt man sie auf 30 000 Köpfe. In Deutschland stellt man sich die Sache so leicht vor, aber es ist wirklich nicht so leicht, denn von diesem Gelände macht man sich keinen Begriff. Hier ist es nicht so leicht, Krieg zu führen. Hier gibt es meistens Dorn-Wald, der so dicht ist, daß man mit einem Pferd nicht durchkommen kann. Dann gibt es wieder sehr steile Gebirgsstreifen, wie ungefähr die Schweizer Alpen. Aber es ist doch sehr interessant, wenn man ein solches Land kennenlernt, ich habe es noch nie bereut, daß ich mitgegangen bin. In Afrika ist es jetzt Winter. Aber am Tage ist es doch so warm, wie daheim im Sommer, nur die Nächte sind kalt. Jeder Mann hat nachts vier wollene Decken. Die Pferde sind hier zu bedauern, denn erstens bekommen sie sehr wenig Hafer, sie müssen größtenteils von der Weide leben und zweitens ist es für die deutschen Pferde bei Nacht sehr kalt, weil sie kurze Haare haben. Die Afrikaner Pferde sind an das Klima gewöhnt, sie brauchen keinen Hafer und können 2-3 Tage ohne Wasser sein. Ich reite ein junges ostpreußisches Pferd.”

Der Hauptangriff ist bekanntlich erfolgt. Ob nun der Wackere noch lebt oder ob er zu den Gefallenen vom Waterberg gehört? Heute weiß es noch niemand zu sagen. Dieser eine Fall allein zeigt schon, wie notwendig es wäre, daß auch die Namen der gefallenen und verwundeten Mannschaften genannt würden, damit die besorgten Angehörigen wenigstens Gewißheit über das Schicksal von Sohn und Bruder haben. Hoffentlich wird das Versäumte bald nachgeholt.

(...)

Neuestes und Telegramme. Vom Kriege. Aus neutralen Häfen. Tschifu, 18. Aug. (Reuter). Die Munition von vier russischen Kriegsschiffen wurde in das deutsche Arsenal übergeführt und die Geschütze wurden völlig unbrauchbar gemacht. Die Russen haben sich auf Ehrenwort verpflichtet, bis zum Ende des Krieges in Tsingtao zu bleiben. Die Matrosen wurden mit Ausbesserung der dringendsten Schäden an den Schiffen beschäftigt. Russische Offiziere erzählen, das letzte Signal des Admirals v. Withöfs vor seinem Tode sei gewesen: “An den Befehl des Kaisers denken, nicht nach Port Arthur zurückkehren.”


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Freiburger Zeitung, 21.08.1904, 2. Blatt, 1. Seite

Vom Internationalen Sozialistenkongress. IV. H. K. Amsterdam, 18. August.

(…) Verhandlungen über die Kolonialpolitik im Plenum brachten wenig Bemerkenswertes. Der Beschluß des Pariser Kongresses, genauere Untersuchungen über die Kolonialpolitik anzustellen, ist nicht ausgeführt worden. Trotzdem hat man sich diesmal nicht mehr auf den reinen Protest gegen die Kolonialgreuel beschränkt, sondern positive Vorschläge zu machen versucht. Van Kol (Holland) erklärte im Namen der Kommission, daß man nicht für die Abschaffung aller Kolonien sei, sondern nur für die gewaltsame Erwerbung und für die Unterdrückung fremder Völker und ihre Ausbeutung. Nach kurzer Diskussion wurde einstimmig eine Resolution angenommen, daß die Partei jedem Eroberungszug und jeder militärischen Ausgabe für die Kolonien sich widersetzen soll. Monopole und Gebietsverschleuderungen in den Kolonien sind zu verwerfen. Militärische Rohheiten und Unterdrückungsmaßregeln sind zu kennzeichnen. Die Verwaltung der Kolonien gehört unter parlamentarische Kontrolle. Schulen und hygienische Maßregeln sind zu befördern. Die wirtschaftliche Erschließung ist anzustreben. (…)


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