logo

Pressedokumentation auf www.freiburg-postkolonial.de

Zur Problematik verspäteter Verlustlisten, über die Kosten von Kolonialkriegen; die militärische Lage in der Waterberggegend

Freiburger Zeitung, 26.08.1904, 1. Blatt, 1. Seite

Vom Herero-Aufstand.

Die Verzögerung der Verlustmeldungen

aus dem Schutzgebiete, die in der Presse mit recht lebhaft gerügt wurde, findet nun ihre Aufklärung durch ein Telegramm des Generals v. Trotha, der meldet: Da der Feldtelegraph zerstört gewesen und der Heliograph durch Telegramme für Operationen überlastet war, ist die namentliche Verlustliste durch eine Offizierspatrouille nach Okahandja auf den Draht gebracht worden. Daher die Verzögerung.

Man wird diese Aufklärung gelten lassen können, weil die Schuld der Verzögerung an den gegebenen Verhältnissen lag, man muß aber wünschen, daß in künftigen Fällen im Voraus Sorge dafür getroffen wird, daß die namentlichen Verlustmeldungen sofort übermittelt werden können. Inzwischen ist die

Verlustliste

aus den Gefechten bei Omatupa am 15. August und Omatjatjewa am 13. August eingetroffen. Es fielen in jenem Kampfe: Unteroffizier Oskar Schoder aus Lähn (Kr. Liegnitz), früher beim 2. Garde-Dragoner-Reg.; Reiter Otto Handrock aus Naumburg a. S., früher Rgt. Nr. 71; Reiter Hermann Kämmler, früher Dragoner-Regt. Nr. 4; Gefreiter Wilhelm Mayer aus Jesse bei Spremberg, früher Regt. Nr. 12. Schwer verwundet: Oberleutnant Bischoff, früher Regt. Nr. 112, Schuß in den rechten Fuß; Unteroffizier Paul Kanitz, früher Dragoner-Regt. Nr. 2, Gesichtsschuß; Reiter Emil Worbs, früher Pionier-Bat. Nr. 5, Arm- und Hüftschuß. Leicht verwundet: Leutnant Maien, früher Regt. Nr. 115, Streifschuß in der linken Hand; Unteroffizier Oswald Standow, früher Regt. Nr. 96, Streifschuß am Hals; Im Gefecht bei Omatjatjewa am 13. August: Schwer verwundet: Gefreiter Willers, früher Regt. Nr. 75, Schuß in den Kopf; Reiter Steindorf, früher Regt. Nr. 26, Schuß in die Schulter. Leicht verwundet: Reiter Christoph, früher Gren.-Regt. Nr. 1, Streifschuß; Reiter Kruber, früher Eisenbahn-Regt. Nr. 8, erschoß sich am 19. Juli in Epukiro infolge eines Anfalls augenblicklicher Geistesstörung.

*

Über die finanzielle Seite des Aufstandes

wird der Schles. Ztg. von kolonialer Seite geschrieben: Ohne Zweifel wird der dem Reichstage im Herbst zugehende Nachtragsetat die Summe von 80 Mill. Mk. überschreiten und die Gesamtkosten für den Aufstand sind mindestens mit 50 Mill. zu beziffern. Eine richtige Schätzung dieser hohen Summe ist nur möglich durch den Vergleich mit den Ausgaben anderer Kolonialstaaten für ihre Kolonialkriege. Hierfür bietet das dem englischen Parlamente zugegangene Material einen reichlichen Stoff. Danach hat z. B. der Feldzug gegen den Mullah, im Somaliland 4½ Mill. Pfund oder 90 Mill. Mk. gekostet, ohne daß die Rechnung schon ganz abgeschlossen ist. Fast auf das Doppelte der Ausgaben für Südwestafrika kommt man damit. Dabei steht der Wert von Somaliland zweifellos weit hinter dem von Südwestafrika zurück. Auch ist die Sache nicht gründlich erledigt, da der Mullah geflohen ist und leicht zurückkehren kann. In Rhodesia brach nach der Unterwerfung von Lobengula, dem Häuptling der Matabele, ein Aufstand der Eingeborenen aus, der den Engländern länger als ein Jahr zu schaffen machte. Er hat eine Ausgabe von 2½ Mill. Pfund verursacht, kommt also darin dem Hereroaufstande ungefähr gleich. In den meisten afrikanischen Kolonialkriegen kommen viel größere Ausgaben zum Vorschein, als für Südwestafrika, so z. B. für die Eroberung von Dahome durch die Franzosen, die Unterwerfung des Aschantireichs, gegen welches die Engländer zwei Feldzüge unternehmen mußten, zuerst in den 70er Jahren und dann über 30 Jahre später. Doch waren es nicht allein solche Kämpfe, welche dem Mutterlande so hohe Lasten auferlegten, sondern ununterbrochen erhalten die Kolonien für ihre wirtschaftliche Entwicklung von England Zuschüsse. Für Neu-Süd-Wales hat es 10 Mill. Pfund (200 Mill. Mk.) ausgegeben, bis 1882 ein Gleichgewicht in Einnahmen und Ausgaben eintrat. In England rechnet man nicht, wie in Deutschland, darauf, daß Kolonien nach einer kurzen Spanne Zeit Ueberschüsse bringen sollen. Zu gleichen Schlüssen führt auch die Kolonialpolitik Frankreichs, dessen Kolonie Algier über ein halbes Jahrhundert Zuschüsse von etwa 7 Milliarden verlangte, ehe man Erträge für das Mutterland erblicken konnte.

Die Köln. Ztg. hält den Voranschlag der Schles. Ztg. für zu niedrig gegriffen und meint, 60 Millionen würden es wohl werden.

*

Über die gegenwärtige militärische Lage

bringt die Nordd. Allg. Ztg. einige Ausführungen, die zur Beurteilung der weiteren Vorgänge von Interesse sein dürften. Sie schreibt: In der letzten Meldung des Generalleutnants v. Trotha erscheint für das Verständnis der gegenwärtigen Lage auf dem Kriegsschauplatz die Angabe von besonderer Bedeutung, daß die Herero sich mit starken Teilen auf der Linie Omeihei-Okahitua-Okosongo (Okosongoho?) nach Südosten auf Otjetongo und Otjimajo im Rückzug befinden. Es ergibt sich daraus, dass die geschlagenen Aufständischen, die nach der Meldung vom 15. d. M. panikartig “hauptsächlich in östlicher Richtung” flüchteten, es aufgegeben haben, ihre Rettung in dieser Richtung zu suchen, die sie, wie die Kriegskarte lehrt, in das Sandfeld (Omaheke) geführt hätte, sondern sich in der Richtung zurückziehen, aus der sie vor ihrer Konzentrierung bei Waterberg gekommen sind, in die an Buschwald reichen okupierten Landstriche nordöstlich von Owikokorero. Die genannten drei Orte Omeihei-Okahitua-Okosongoho liegen südöstlich von Waterberg, auf eine Strecke von 80 Kilometern verteilt, am Flußbett des Omuvamba und Omatako. Otjomaso, das als eines der Ziele der flüchtenden Banden bezeichnet wird, liegt südöstlich über Okosondusu hinaus, halbwegs zwischen dem Omuramba und dem Eiseb, Otjekango aber mehr südlich in der Richtung Okosundusu-Otjosundu-Owikokorero. Bei Otjekango hat bereits vor einigen Tagen Oberleutnant v. Winkler feindlichen Banden eine verlustreiche Schlappe bereitet. Er war bekanntlich bei seinem Zug durch das Epukiro- und Eisebgebiet Ende Juni unerwartet bei Otjosondu mit der gegen Okosondusu vormarschierenden Abteilung v. d. Heyde zusammengetroffen und hatte, wie es scheint, jetzt den Auftrag, die dort befindliche Etappen- und Krankenstation zu decken. Nach einer dem Berl. Lok.-Anz. zugesandten Meldung soll Samuel Maharero sich unter den gegen Otjekango zurückgehenden Banden befinden, während die aus der Gegend von Gobabis stammenden Tetjo-Leute dahin ihren Rückzug nehmen. Diesen den Weg abzuschneiden, scheint auch die Aufgabe der 5. Kompagnie des zweiten Regiments unter Hauptmann v. Heydebreck zu sein, von dem die gestrige Meldung sagt, er habe die Aufgabe, ein Ausweichen des Gegners auf Epukiro im Osten zu verhindern. Uebrigens sei daran erinnert, daß eine Meldung vom 27. Juni besagte, Epukiro, Gobabis und Rietfontein seien diesseits noch besetzt. Bekanntlich haben Hererobanden auch versucht, nordöstlich den Omuramba und Omatako abwärts zu entkommen, sind aber am 15. d. M. vom Major v. Estorff, der von Norden her vorging, mit großen Verlusten geschlagen worden. Ob Major v. Estorff von Ombujo Ratanga aus, das nur etwa zehn Kilometer nordöstlich von dem oben genannten Omeihei liegt, im Flußtal aufwärts marschiert oder sich an der Verfolgung des Feindes nach Südosten beteiligt, ist aus der Meldung nicht ersichtlich. Generalleutnant v. Trotha, der mit den Abteilungen Mühlenfels und Deimling die Herero von Hamakari ostwärts bis Omutjatjewa (westlich von Omurambu) verfolgt hatte, dann aber durch Mangel an Weide und Wasser verhindert war, weiter vorwärts zu gehen, hat inzwischen diese Teile seines Korps südwärts dirigiert, um ein Eindringen der Herero bei dem Westen zu verhindern. Major v. Mühlenfels, der am 19. d. M. den Herero bei dem Bley (Wasserbecken) Grindi Endeka, nördlich von Okosongoho, am Omuramba, eine Schlappe beigebracht hat, ist südwärts nach Orutjiwa marschiert. Weiter westwärts, auf dem Wege, auf dem General v. Trotha seinerzeit nordwärts zog, geht die neue Kolonne des Obersten Deimling südwärts. Ihr gehört ersichtlich die Kompagnie Franke an; denn aus der oben erwähnten Privatmeldung ist zu entnehmen, daß Hauptmann Franke sich am 20. d. M. bei Okawitumbika, etwas südlich von Omuramba, befand. Er hat auf dem Marsche einige Herero gefangen, welche aussagten, daß die Banden, mit denen der Kampf am 11. d. M. bei Hamakri [sic!] stattfand, die Leute des Mambo gewesen seien, eines Häuptlings, dessen Sitz am weißen Nosob, also östlich von Windhuk, lag. Auf diesem Weg ist wohl auch General v. Trotha marschiert, dessen Hauptquartier am 21. d. M. in Otjire war. Die andere Kolonne Deimling ist noch eine Strecke am Omuramba aufwärts vorgerückt, um über Otjikururume den Marsch nach Owikokorero zu machen.


Scan der Originalseite auf Server der UB-Freiburg | nach oben | Zur Übersicht August 1904 der Pressedok