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Presse-Dokumentation auf www.freiburg-postkolonial.de:

Brief eines deutschen Plantagenbesitzers aus Deutsch-Ostafrika über die Gründe des Aufstandes

Freiburger Zeitung, 31.08.1905, 1. Blatt, 2. Seite

 

Deutsch-Afrika.

Aus Ostafrika.

Aus Triest, 29. August, wird berichtet: Im Laufe des gestrigen Tages stattete Hauptmann v. Schlichting mehreren offiziellen Persönlichkeiten seinen Besuch ab, den diese an Bord des Körber erwiderten. Am Abend korportierte [?] eine Musikkapelle auf der Mole vor dem zur Abfahrt bereit liegenden Dampfer. Um halb 9 Uhr abends lichtete der Körber die Anker unter lebhaften Ovationen des zahlreich versammelten Publikums, unter dem auch die reichsdeutsche Kolonie vertreten war.
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Von einem seit langen Jahren in Ostafrika als Plantagenbesitzer weilenden Deutschen erhält die Schles. Ztg. folgende Zuschrift:
Für den Ausbruch des Aufstandes in Deutsch-Ostafrika werden alle möglichen Gründe angeführt und vermutet, welche größtenteils nicht zutreffen oder nur eine Nebenrolle spielen können. Wir müssen uns doch immer vergegenwärtigen, daß wir als Eroberer in das Land gekommen sind und es naturgemäß dort sehr viele unzufriedene Elemente gibt. Der Grund zum Ausbruch des Aufstandes dürfte daher weniger in Übergriffen der Missionare, Hüttensteuer, Arbeitszwang usw. zu suchen sein, sondern in der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Deutschen Herrschaft. Da die Neger in den Gouvernementschulen Lesen und Schreiben lernen, desgleichen auch in der deutschen Sprache unterrichtet werden, sind sie durch die Zeitungen über die Vorgänge in Südwestafrika unterrichtet, wie ich aus persönlichen Mitteilungen einiger Neger weiß. Es ist daher nicht zu verwundern, daß auch sie versuchen, das deutsche Joch abzuschütteln. Es kann uns jedoch nur angenehm sein, daß die Neger sich jetzt erhoben haben, denn Deutsch-Ostafrika ist in der Entwicklung der Negergeschichte gegen Südwestafrika noch sehr zurück und der Aufstand ist jetzt lange nicht so gefährlich, als er in einigen Jahren sein würde. Die Seele eines jeden Aufstandes ist in Afrika genau so wie die jeden Krieges in Europa Geld. Weder die Engländer noch sonst irgend jemand wird den Negern Waffen schenken. Nur wenn die Neger Geld haben, um die Waffen gut zu bezahlen, werden, werden sie solche bekommen. Es hilft die beste Grenzversperrung nicht, wenn die Neger Geld zum Bezahlen haben, dann werden sich immer Menschen finden, die ihnen die Gewehre zuschmuggeln. In Südwestafrika hat die Regierung sehr viel mehr zur Eröffnung des Landes getan, indem sie Wege gebaut hat, die allgemeine Sicherheit hergestellt hat usw., als in Ostafrika. Der Erfolg dieser Einrichtungen ist in erster Linie nicht den deutschen Händlern, sondern den Negern zugute gekommen, indem die Viehpreise im Innern Südwestafrikas in den letzten 15 Jahren von 5-10 M. pro Stück auf 200-300 M. gestiegen sind. Man sieht wie die Hottentotten- und Hererohäuptlinge, die große Viehbesitzer waren, das Geld anwendeten. Aehnlich ist die Entwicklung Deutsch-Ostafrikas. Als ich im Jahre 1900 in das Land kam, kostete der Ochse im Innern des Landes noch 2-3 M., jetzt ist der Preis schon auf 20-30 M. gestiegen und in weiteren 10 Jahren wird er wohl auch 200 bis 300 M. betragen. Aehnlich ist es bei Ankauf von Kautschuk, Elfenbein usw., und man muss sich fragen, ob das Prinzip des Kongostaates, nicht ein besseres ist, der den Handel monopolisiert und den höheren Wert, welche diese Produkte durch die Erschließung des Landes erhalten, selber einstreicht. Vorläufig sind die Neger Deutsch-Ostafrikas glücklicherweise noch ziemlich arm. Eine erhebliche Bewaffnung mit modernen Gewehren ist daher ausgeschlossen, und es dürfte nicht allzu schwer sein, mit ihnen fertig zu werden. Hinzu kommt noch folgender günstiger Umstand. Ein großer Teil der Negerstämme war bei Eroberung des Landes von anderen Stämmen unterdrückt und eine allgemeine Sicherheit kaum vorhanden. So versicherten mir viele Arbeiter, daß sie, bevor die Europäer das Land erobert hatten, das Dorf nur in größeren Trupps verließen und auch dann noch häufig überfallen wurden. Bei diesen Negerstämmen ist noch immer ein gewisser Grad von Dankbarkeit vorhanden, wenn derselbe durch das Verbrüderungssystem der Regierung auch schon stark gelitten hat.
Jedenfalls ist, so schließt die Zuschrift, an einem allgemeinen Aufstand, wie er in Südwestafrika ausgebrochen ist, in Ostafrika vorläufig wohl nicht zu denken, falls mit der nötigen Energie vorgegangen und ein Exempel statuiert wird, daß den anderen Stämmen die Lust vergeht, sich gegen die deutsche Herrschaft aufzulehnen.

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