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Der Parteitag der Freisinnigen Volkspartei spricht sich "gegen das bisherige System der Kolonialpolitik" aus; Reuter-Meldung über Witboi-Überfall auf deutschen Konvoi "frei erfunden"

Freiburger Zeitung, Nr. 227, 28.09.1905, 1. Blatt, 1. Seite

Die Freisinnige Volkspartei

hat in Wiesbaden einen Parteitag abgehalten, u.a. über die Beziehungen zu anderen Parteien verhandelt und nach langer, teilweise sehr lebhafter Erörterung folgenden Antrag einstimmig angenommen:

Der Parteitag erachtet es für geboten, das bestehende gute Einvernehmen mit der deutschen Volkspartei in jeder Weise zu fördern. Der Parteitag ist ferner der Ueberzeugung, daß ein freundnachbarliches Verhältnis zu der freisinnigen Vereinigung und anderen liberalen Parteigruppen im Interesse des Gesamtliberalismus zu unterstützen ist. Der Parteitag hält aber ein Zusammenwirken mit nationalsozialen Elementen für eine politische Unmöglichkeit, gleichviel welcher politischen Gruppe sie sich anschließen. [...]

Nach einem Bericht des Abgeordneten Kopsch sprach sich der Parteitag gegen das bisherige System der Kolonialpolitik aus. Der einstimmig gefaßte Beschluß lautet:

Angesichts der von unserer Partei befürchteten Mißerfolge, die sich nicht nur in ungeheuren Geldopfern, sondern auch in schweren und schmerzlichen Verlusten an Menschenleben äußern, spricht sich der Parteitag gegen die Fortsetzung und Erweiterung des bisherigen Systems der Kolonialpolitik aus. Er erachtet es auch nicht als die Aufgabe des Reiches, durch Subventionen oder Garantien in den Schutzgebieten Eisenbahnbauten zu ermöglichen, für welche die wirtschaftlichen Voraussetzungen noch nicht vorhanden sind.

Mit großer Mehrheit wurde hinzugefügt: Der Parteitag empfiehlt dagegen eine Heimatpolitik, die sich insbesondere auch angelegen sein läßt, unseren internationalen Warenaustausch in jeder Weise zu erleichtern und zu unterstützen. [...]

Deutsch-Afrika.

Amtlich wird gemeldet: Die auf eine telegraphische Anfrage von dem Generalleutnant v. Trotha aus Keetmannshoop eingegangene Antwort ergibt, daß die von dem Reuterschen Bureau aus Kapstadt vom 20. September gebrachte Meldung von einem Ueberfall auf einen deutschen Konvoi unweit von Keetmannshoop frei erfunden ist. Ein Ueberfall auf einen Wagentransport oder die Fortnahme von Wagen und Vieh fand nicht statt. Die nach einem Gefecht bei Rubib am 13. Sept. durch Major Meier eingeleitete Verfolgung ergab, daß der Feind nach allen Seiten auseinander gesprengt ist. Auf größere Banden stieß man nicht mehr; die Verfolgung wird fortgesetzt. Ein weiteres Absuchen des Gefechtsfeldes vom 18. September ergab, daß der Gegner 80 Tote, darunter 20 Herero, verloren hat. Auch wurden weitere 30 Pferde, sowie viel Groß- und Kleinvieh gefunden.


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