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Oberleutnant Paul Graetz im Paulussaal: "Im Motorboot quer durch Afrika - Vortrag mit farbigen Lichtbildern u. kinematographischen Vorführungen"

Freiburger Zeitung, No. 66, Donnerstag, 07.03.1912, Abendblatt, Seite 1

Freiburger Stadtanzeiger. Freiburg, 7. März.

Ueber seine Durchquerung Afrikas mit dem Motorboot, die in diesem Jahre ihre Fortsetzung und Vollendung erfahren soll, berichtete gestern vor einer großen, aufmerksamen Gemeinde Herr Oberleutnant Paul Graetz, den Freiburgern bereits durch einen Vortrag über seine Durchquerung Afrikas im Automobil bekannt. Für die etwas harte Geduldsprobe, auf die das Publikum gestern abend infolge anfänglichen Verrsagens des Projektionsapparates gestellt wurde, fanden die Besucher in dem interessanten und anregenden Vortrag, der durch zahlreiche Lichtbilder und kinematografische Vorführungen wertvoll und instruktiv erläutert wurde, reiche Entschädigung, wenn auch die lebenden Bilder zuerst zu dunkel und darum in Einzelheiten kaum erkennbar waren. Nach den ersten widrigen Hemmnissen klappte aber alles, und man konnte sich restlos der landschaftlich wie ethnographisch hochinteressanten Aufnahmen freuen. Die Expedition, über die Oberleutnant Graetz diesmal berichtete, begann am 27. April 1911 und erreichte am 30. November ihr vorläufiges Ziel, Kalanga, wo das Boot über die Regenzeit bleibt, bis der kühne Forscher, der [Fortsetzung nächste Seite]


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Freiburger Zeitung, No. 66, Donnerstag, 07.03.1912, Abendblatt, Seite 1

[Fortsetzung von voriger Seite] Mitte April wieder die Anreise antritt, es von neuem seinen Zwecken dienstbar macht. Vom Start (Chinde in Portugiesisch-Ostafrika) aus führte uns der Vortragende durch den Sambesi, den Shire zum Nyassasee, er erzählte von der beschwerlichen Landreise über die Kammhöhe der Wasserscheide, wobei wohl hundert Eingeborene das auf Rädern rollende Motorboot bergauf und ab, an steil abfallenden Schluchten vorüber, und durch Dickicht schoben, bis nach 34tägiger mühevoller Reise der Karnngu erreicht wurde und das stark gebaute, allen Anforderungen gewachsene Boot wieder seinem Elemente übergeben werden konnte. Viele Schwierigkeiten bereitete dann die Fahrt auf dem seichten Fahrwasser des Zambesi, während der sagenumsponnene Banguelosee reiche Eindrücke vermittelte und wertvolle ethnographische Ausbeute (Volksstamm der Bawisa) lieferte. Gefahrvoll gestaltete sich wieder die Fahrt durch den bislang noch von keinem Europäer betretenen Papyrussumpf, die nur möglich wurde durch die unerwartete Hilfe der dort in elenden Hütten hausenden Batua, eines auf denkbar niedrigster Kulturstufe stehenden Stammes, der dem Forscher als gefährlich europäerfeindlich bezeichnet wurde. Graetz erklärt sich die Hilfe nur so, daß die Batuas ihn möglichst schnell aus ihrem Gebiet hinauszuschaffen wünschten oder aber Angst hatten. Das arme Fischervolk der Batua bot dem Forscher Gelegenheit zu besonders interessanten und völlig neuen Beobachtungen und Feststellungen. Ueber den Luapula und die die Expedition aufs höchste gefährdenden Mombatutafälle wurde endlich Katanga erreicht, wo Graetz sein Motorboot einstellte, um nach Hause zu reisen und einen Ersatz für seinen von einem Büffel getöteten unglücklichen Operateur Oktave Fière zu suchen. Sypathisch berührten die warmen und herzlichen Worte, die er dem Andenken seines auf der Büffeljagd tödlich verunglückten, mutigen Reisegefährten widmete. Er selbst sah damals auch dem Tode ins Auge, dem er wie durch ein Wunder entging. Dieses Abenteuer, über das wir s. Zeit berichteten, gehörte zum Interessantesten in der Fülle der Schilderungen, die noch durch manche ernste und heitere Episode belebt wurden. Vieles haben die beiden Europäer den Volksstämmen Afrikas abgelauscht und im Bilde festgehalten, was früher fremd und neu war, weil noch kein Weißer jene unwirtlichen Gegenden besuchte und die Stämme kennen gelernt hat. Mit der geographischen, ethnographischen und biologischen Ausbeute der Expedition darf Herr Oberleutnent Graetz zufrieden sein. Er hat viel neues, wertvolles Material mitgebracht. Erwähnt sei nur, daß er nicht weniger als 28 Flüsse festgestellt und auf der Karte eingezeichent hat. Mut, Entschlossenheit, Geistesgegenwart und ungewöhnliche Tatkraft hat Herr Oberleutnant Graetz auf der gefahrvollen Expedition täglich bewiesen und immer war er Herr der Lage. Möge ihm bei der Fortführung seines Unternehmens, die ihn auf dem Wege nach der Westküste auch durch unsere neue Kolonie im Kongo bringen wird, der gleiche gute Stern geleiten. Lauter Beifall dankte dem Vortragenden für den genußreichen Abend. - Im nächsten Jahre plant Herr Graetz übrigens eine Erforschung Neuguineas mit sechs Aeroplanen.


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