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Pressedokumentation:

Veranstaltung des Vereins für das Deutschtum im Ausland im Paulussaal: "Die Zukunft des Deutschtums in der Welt"

Freiburger Zeitung, 18.03.1919

Die Zukunft des Deutschtums in der Welt.

Auf Montag abend berief der Verein für das Deutschtum im Ausland eine Versammlung in den Paulussaal, um aus berufenem Munde über die Wichtigkeit der Erhaltung des Deutschtums im Auslande und über die Auss[ichten?] einer deutschen Auswanderung weitere Schichten der Bevölkerung aufzuklären. Mit vollem Rechte konnte der Vorsitzende des Vereins, Herr Professor Dr. Neumann, seiner Freude über den außergewöhnlich [hohen?] Besuch, (der Saal war vollständig besetzt) seinen freudigen Ausdruck geben. Gerade jetzt müsse uns das Gespür für ein starkes Volkstum durchdringen, das bei unseren Feinden wie Frankreich, Italien und Polen seine guten Früchte getragen hätte. Er erinnerte daran, daß Freiburg die erste Stadt im Reiche war, die einen deutschen Schulverein gründete, den Vorläufer des jetzigen Vereins und ging kurz auf dessen Ziele ein. Gerade jetzt sei die Not der Auslandsdeutschen großund es harre eine gewaltige Arbeit für den Verein, der man sich nach besten Kräften anerziehen wolle.

Der erste Redner des Abends, Herr Geh. Rat Prof. Dr. Aschoff, warf zunächst bei seinen trefflichen Danksagungen die Frage auf, warum wir denn von aller Welt verlassen seien. Die Gründe lägen in der deutschen Eigenart, in der [?] und [?] des deutschen Wesens. Wir seien bald Kinder, bald Männer, bald zu selbstbewußt, bald zu [nachsichtig?]. Wir blieben immer ein Volk des Werdens und des Wirkens, in uns fließe immer das Blut der [Freien?] und Sklaven. In kurzen Strichen zeichnete er die Geschichte der deutschen Kolonisation. Das Ziel müsse die staatliche Vereinigung aller Deutschsprechenden sein, besonders mit Österreich. Das Problem der Gemeinschaftlichkeit sei sehr schwierig. Selbst in der größten Not müssten alle Deutschen sich eines [?]: Keine [?] Seele dürfe verloren gehen. Von großer Bedeutung seien die Deutsch-Österreicher. Auch für sie müsse unbedingt das Selbstbestimmungsrecht gelten. Leider hätten wir die Elsaß-Lothringer als Deutsche zweiter Klasse betrachtet. Doch haben wir auch gewaltiges für die Wohlfahrt dieses Landes geleistet. Man müsse bedenken, daß die Deutschen in aller Welt zusammengenommen mit 90 Millionen das größte Volk der Welt seien. In den Vereinigten Staaten allein lebten 10 Millionen, doch hätte es ihnen an staatenbildender Kraft gefehlt und sie hätten sich trotz gewaltiger Kulturarbeit sich wenig Einfluß zu verschaffen gewußt. Man hätte auch ein Reichsbürgerrecht schaffen sollen, das auch bei Auswanderern erst nach dem Tode erlösche. Auf Grund von [?] konnte der Redner zeigen, wie auch im Kriege sich das Deutschtum an seinen Stellen von (?) behauptet. Vom Völkerbund könne keine Rede sein, wenn man nicht dem Deutschtum seine berechtigte Stellung in der Welt lasse. Ohne Nationaldünkel müssten wir für unsere Sache und Sendung kämpfen. Den [?] gelte das Wort: Einsam und verlassen, doch nicht von Gott verlassen.

Nicht weniger beachtenswert waren die Ausführungen des zweiten Redners, Herrn Prälat Dr. Werthmann, der die Frage der künftigen deutschen Auswanderung von der praktischen Seite beleuchtete. Durch den Ausgang des Krieges seien unsere Hoffnungen jäh zusammengebrochen. Wir hätten auf der Höhe des Glücks mit einer starken Rückwanderung gerechnet und jetzt müssten wir wegen der gewaltigen Arbeitslosigkeit unter allen Berufsständen auf eine notgedrungene Auswanderung von 5-10 Millionen gefasst sein. Der Stand unserer Valuta und die hohen Produktionskosten schlössen uns vom Weltmarkt aus. Dazu kämen die inneren Unruhen und die Arbeitsunlust. Dann besprach der Redner die Aussichten der Auswanderung nach den einzelnen Ländern. England werde höchstens Deutsche in untergeordneten Stellungen zulassen. Bei dem furchtbaren Hasse der Franzosen und Belgier könnten weibliche Arbeitskräfte nicht dort Arbeit suchen; männliche würden sie wohl zum Wiederaufbau von uns fordern die aber Jahre lang sehr harte Arbeit leisten müssten. Die Schweiz sei jetzt sehr wählerisch in der Aufnahme von Deutschen. Im Osten sei die Lage noch ganz ungeklärt. Nur in Russland [bietet?] sich Gelegenheit zur Ansiedlung; vielleicht käme noch Armenien in Betracht. Der letzte Rettungsanker sei Amerika. So der Westen von Kanada. Die Vereinigten Staaten hätten Bedarf an guten Qualitätsarbeitern. Am besten lägen die Aussichten in Südamerika, beispielsweise in Argentinien, das ja neuen Mal so groß als Deutschland sei. Dieser Staat sei schon jetzt auf die Beförderung deutscher Auswanderer bedacht und soll zu diesem Zwecke 100 000 Plätze gemietet haben. Um Fehler bei der Auswanderung zu vermeiden, müssten alle einschlägigen Fragen gründlich studiert werden. Es müsse dafür eine besondere Reichsstelle geschaffen werden, die Hand in Hand mit den privaten Vereinigungen gehe.

Die Ansiedlungsgebiete seien eingehend zu unterscheiden, die Auswanderer zu prüfen und ihnen Ausstattungen an Kapital und Arbeitsgeräten zu gewähren, sowie ihnen Sprachkenntnisse zu beschaffen. Das Paßwesen sei genau zu regeln und die Konsulate müssten mehr wie früher mit Rat und Tat in weitgehendster Weise an die Hand gehen. Die lebendige Beziehung zum Mutterlande sei aufrecht zu erhalten. Die Staatsangehörigkeit soll bestehen bleiben und eine Rückwanderung im Auge behalten werden. Besonders müsse darauf geachtet werden, daß der Auswanderer die deutsche Kultur, Sprache, Religion und Sitte nicht verliere. Hindernisse der verschiedensten Art gelte es wegzuräumen. Dazu müssten alle Kräfte angespannt werden. Denn wenn auch alles untergehe, das Deutschtum müsse bestehen. – Beide Redner fanden mit ihren überzeugenden Darstellungen lebhafte Zustimmung und wohlverdienten Beifall. Im Sinne ihrer Ausführungen wurden folgende Entschließungen einstimmig angenommen:

Die am 17. März d. J. von den drei Ortsgruppen des Vereins für das Deutschtum im Auslande zu Freiburg i. Br. abgehaltene Versammlung hat folgende Entschließungen gefasst:

  1. Die Versammlung erwartet von der deutschen Reichsregierung bei den kommenden Friedensverhandlungen ein tatkräftiges Eintreten für die Schadloshaltung der während des Krieges aus den feindlichen Ländern vertriebenen deutschen Stammesgenossen.
  2. Die Versammlung verlangt, es möge die Regierung bei dieser Verhandlung alle Kräfte dafür einsetzen, daß ein Verbot oder eine Beschränkung des Aufenthaltes unserer Stammesbrüder an ihren früheren Wohnorten im Auslande unterbleibt, daß ihnen eine unbeschränkte Wiederaufnahme ihres früheren Berufes und Erwerbs gestattet, daß überhaupt persönliche Sicherheit, freier Verkehr, Besitz und freie wirtschaftliche Entfaltung durch den kommenden Völkerbund auch den Angehörigen des deutschen Reiches im Auslande gewährleistet wird.
  3. Weiter verlangen wir, daß die diplomatischen und konsularischen Vertretungen des Deutschen Reiches mehr als früher dem Schutze, der Förderung und Verteidigung der völkischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Auslandsdeutschen sich widmen. Wünschenswert ist, daß sie zur ersprießlichen Ausübung dieser Aufgaben eines Beirates der im Lande ansässigen Deutschen sich berdienen.
  4. Die Versammlung verlangt außerdem, daß Kraft des für alle Völker verkündeten Selbstbestimmungsrechts auch den Deutsch-Österreichern der von ihnen gewollte Anschluß an das Deutsche Reich ermöglicht wird. In gleicher Weise verwahrt sich dieselbe gegen jede zwangsweise Angliederung deutschen Reichsgebietes und seiner deutschsprachigen Bewohner an fremde Staaten in Ost und West.
  5. Falls die wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfangreiche Auswanderung deutscher Volksgenossen nötig machen, erwartet die Versammlung seitens der deutschen Reichsregierung die Schaffung oder Ausgestaltung besonderer Reichsstellen zur Regelung und Überwachung dieser Auswanderung, zur Beratung und zum dauernden Schutze der Auswanderer auf der Reise und an den Neuansiedlungsorten, zur Erhaltung der deutschen Sprache, Sitte und Kultur und Aufrechterhaltung der innigen Beziehungen zum Mutterlande bei den deutschen Stammesbrüdern im Auslande.
VDA Paulussaal

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