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Josef Kaiser über Theodor Leutwein und die ersten Monate des Herero-Krieges

Freiburger Zeitung, 26.04.1933, 2. Abendausgabe, S. 2

Ein kolonialer Gedenktag
Von dem 1. Vorsitzenden des Vereins ehemaliger Kolonialkrieger und Ueberseedeutscher, Herrn Jos. Kaiser, wird uns geschrieben: Wohl den wenigsten der ehemaligen Kolonialkrieger und Marinetruppen unseres badischen Heimatlandes dürfte es bekannt sein, daß der ehemalige Gouverneur und Truppenkommandeur unserer ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, Theodor Leutwein, seine letzte Ruhestätte auf dem Hauptfriedhof in Freiburg gefunden hat. Am Rande deutscher Heldengräber aus dem Weltkriege befindet sich sein Grab mit der Inschrift: Theodor Leutwein, königl. preußischer Generalmajor. Kaiserl. Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, geb. 6. Mai 1864, gest. 13. April 1921.
Tiefbewegt standen seine alten Kameraden, die ehemaligen Ueberseetruppen, Ortsgruppe Freiburg, vor dem Grabe dieses tapferen Offiziers, eines Kolonialsoldaten ohnegleichen, der seit dem 13. 4. 1921 nicht mehr unter ihnen weilt. Tausende, Abertausende haben ihn draußen kennen gelernt, sie hatten ihn geliebt, mit ihm zusammen gelitten und gestritten. Elf Jahre war er ihr unerschrockener Führer. Bereits im Jahre 1893 befehligte er die Schutztruppe und führte sie in unzähligen Kämpfen unter den schwierigsten Verhältnissen gegen die damaligen aufständischen Hottentotten, Hereros und Bastards zum Siege. Als gleichzeitiger Gouverneur der Kolonie verstand er es, die dortige weiße Bevölkerung für sich zu gewinnen; gegenüber den Engländern und Buren Südafrikas war Leutwein ein hervorragender Diplomat. Die Eingeborenen verehrten ihn als Vater des Landes, obwohl sie des öfteren gegen die deutschen Eindringlinge rebellisch wurden. Dafür sorgten unsere dortigen Nachbarstaaten , die Engländer und Portugiesen, die allmählich sie ungeheuren Werte des Landes geschätzt hatten.
Inmitten des großen Herero-Aufstandes 1904/05 nahm Leutwein von seinen Truppen für immer Abschied, nachdem er noch vom 9. bis 13. April 1904 die Schutztruppe gegen den weit überlegenen tapferen Stamm der Hereros bei Onganjira-Oviumbo ins Feld geführt hatte. der größte Teil der damaligen Schutztruppe stand bei Beginn der [sic] Hereroaufstandes im äußersten Süden der Kolonie an der englischen Grenze gegen die aufständischen Bondelzwartshottentotten, mit denen am 27. Januar 1904 Friede geschlossen wurde. Das Land war von den Truppen fast entblößt. Auf heliographischem Wege ereilte den Kommandeur die Nachricht, daß das ganze Hereroland in Flammen stehe. In der Nacht vom 10. auf 11. januar 1904 wurden sämtliche deutschen Ansiedler, Geschäftsleute und die Besatzungen kleinerer Truppenstationen von den Hereros überfallen und auf bestialische Art niedergemacht. Nach 18tägigen Gewaltmärschen ist der etwa 1000 Kilometer entfernte Brandherd der Hereros erreicht worden.
Inzwischen trafen das in der Heimat stationierte kriegsstarke II. Seebataillon sowie die Besatzung des kleinen Kreuzers Vineta, der Kanonenboote Habicht und Wolf im Gebiete der Aufständischen ein, woselbst sich unsere treuen Marinekameraden mit der kleinen Schaar der Unsrigen zusammen in zahlreichen Kämpfen heroisch geschlagen hatten.
Die aus dem Süden eingetroffene Truppe verband sich mit den bereits im Kampfe stehenden Abteilungen unter v. Estorff bei Okahandja, es sollte gegen die bei Ongajira-Oviumbu zusammengezogene ganze Hereromasse ein vernichtender Schlag geführt werden. der Führer Leutwein kannte die Hereros aus vergangenen Kriegen nur zu genau und wußte, daß er es mit einem tapferen unbeugsamen gegner zu tun hatte. Bereits am 7. April 1904 wurde der Vormarsch auf Okahandja aus gegen das etwa 40 KM östlich davon gelegene Onganjira angetreten. Diese kriegserprobte Schutztruppe, die in jahrelangen Kämpfen dem Tod schon so oft ins Auge sah, kannte keine Furcht von [sic] diesen wilden Hünengestalten der Hereros. Die Marinekameraden, die die Kampfesweise der Hereros bereits des öfteren zu fühlen bekamen, brannten vor Tatendrang. Die verhältnismäßig starke weiße Truppe konnte sich nur langsam vorwärts bewegen, da die Wegeverhältnisse sehr schlecht waren und der gegner unterwegs rechtunliebsame Ueberraschungen, wie schon des öfteren, bringen konnte. Im Laufe des Vormittags des 9. April begann der Tanz, die ersten Schüsse wechselten, Artillerie setzte zunächst auf größere Entfernungen ein. Die Stellung der Hereros im dichten Busch und Felsgelände war sehr praktisch, hufeisenförmig angelegt, gerade recht, um den Angreifer zu umklammern. Angriff gegen Angriff wechselten mit größter Erbitterung. Tausende von Frauen der hereros trieben ihre Männer unter furchtbarem Angstgeschrei in den Tod; ihr Kriegstanz brachte den Boden zum Erzittern. der Führer der deutschen Schar stand inmitten des Kampfgewühles; seine Nerven sind von Stahl. In der siebenten Nachmittagsstunde war der Kampf zu Gunsten der Deutschen entschieden. Der Feind zerstreute sich unter dem Schutze der Nacht unter Hinterlassung von zahlreichem Vieh, wofür er kämpfte, nach allen Richtungen. Seine Verluste waren groß; die Macht der Hereros war gebrochen, glaubte allgemein ein jeder. Jedoch nach drei Tagen sollten wir Deutschen eines anderen belehrt werden. Zahlreiche Erkundigungsabteilungen stellten fest, daß der Gegner mit seinem ganzen Anhang in nördlicher Richtung abgezogen wäre. Die etwa 20 Kilometer von Onganjira gelegene Wasserstelle Oviumbo am Swakopfluß hatte nochreichlich Wasser und bot dem Gegner, der den dichten BUsch zum Kämpfen nur zu sehr liebte, den besten Aufenthalt. Am 13. April 1904 früh wurde unter größter Vorsicht der Vormarsch angetreten, Oviumbo im Laufe des Vormittags noch erreicht und es hatte den Anschein, als ob die Hereros vor den Deuts chen geflüchtet wären. Unsere Pferde wurden getränkt, währenddessen die nötigen Sicherungsmaßregeln getroffen wurden. Das Mittagslager der Deutschen war kreisförmig angelegt, von überall her konnte der Gegner angreifen. Kaum abgesattelt, fielen von den Hereros die ersten Schüsse in ganz kurzer Zeit entwickelte sich ein Kampf, wie ih eine Kolonialtruppe noch selten erlebte. Mit unglaublicher Bravour stürmten die Hereros von allen Seiten auf unsere kreisförmige Stellung, Welle auf Welle folgte, wiederum angetrieben durch die Frauen. Unsere Infanterie pflanzte das Bajonett auf, um einen Gegenangriff vorzubereiten. Die Maschinengewehre taten furchtbare Arbeit, die geschütze glühten, Kartätschen auf Kartätschen rißen die Anstürmenden nieder; ihre Wut war grenzenlos. der Führer mit seinem Stabe wankte nicht. Seine eiserne Ruhe von Onganjika wurde bei Oviumbo noch übertroffen. Ein gegenangriff unsererseits wurde wegen Aussichtslosigkeit nicht unternommen, da der endlose Busch einen Sitz zur Stellungnahme nicht zuließ. Bis in die späte Nachtstunde wurde wiederum erbitter gekämpft, ohne wesentliche Resultate beiderseits. Unseres Munitionsmangels wegen konnte am nächsten tage der Kampf nicht fortgesetzt werden. Die Schlacht bei Oviumbo war unentschieden, der Rückmarsch nach der etwa 18 Kolometer entfernt gelegenen, von den hereros ausgeplünderten evangelischen Missionsstation Otjisasu wurde noch in der selben Nacht angetreten. Zum erstenmal seit ihrem Bestehen ging die stolze Kolonial- und Marinetruppe Südwestafrikas unter ihrem bisher unbesiegbaren Führer Leutwein einen Leidensweg. Aber auch später am 11. und 12. August 1904 am Waterberg vermochte dessen Nachfolger, der general v. Trotha, mit einem gewaltigen Aufgebot von Truppen den Stamm der Hereros nicht zum Frieden zu bewegen. Vielmehr gelang es ihnen, eine schwächere Abteilung bei der Einkreisung am Waterberg über den Haufen zu rennen, um sich nach dem äußersten Norden zu begeben. Dieses Vorhaben aber mißlang ihnen, indem ihnen die Abteilung v. Estorff in einem Gewaltmarsch den Weg verlegte und den Hereros bei Omatune-Otuwingo am 15. und 6. August 1904 noch eine schwere Niederlage beibrachte. Durch die fast wasserlose Omaheke (Durtsfeld) getrieben, ging ein großer Teil des hererostammes unter. Aber auch die Unsrigen litten bei diesen monatelangen Verfolgungskämpfen, hauptsächlich durch die übermenschlichen Entbehrungen und Strapazen schwer. Unzählige Heldengräber deutscher Kolonial- und Marinesoldaten sind Zeugen stillen Heldentums fern der Lieben im Kampfe um eine zweite Heimat, die der erste Gouverneur und Truppenkommandeur Südwestafrikas, Theodor Leutwein geschaffen hatte.


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