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Kolonialwissenschaftliche Vortragsreihe an der Universität - Prof. Carl Troll: "Afrika als kolonialer Erdteil und das soziale Zeitalter der Kolonisation"

Freiburger Zeitung, Nr. 337, Mittwoch, 9.12.1936, Abendsausgabe, Seite 4

Umbruch der Kolonisation
Afrika als kolonialer Erdteil und das soziale Zeitalter der Kolonisation

Deutschland ist gegenwärtig keine Kolonialmacht, aber es arbeitet als wirtschaftliche Großmacht mit kolonialen Wirtschaftsräumen aufs engste zusammen, mit Gebieten, in denen Millionen von Volksdeutschen die Wirtschaft mitbestimmen. Deutschland hat darum wohl Ursache, sich wissenschaftlich mit den Kolonialproblem der Gegenwart zu beschäftigen, nachdem wir gerade in unseren Tagen vor einem Umbruch in der Kolonisation stehen: vor dem Zeitalter des Sozialismus in seiner gesunden Form auch in der Kolonisation als notwendige Folge der technischen Erschließung und der zivilisatorischen Höherführung der Eingeborenenvölker, die sich mehr und mehr selbst führen wollen. Die Universität Freiburg veranstaltet nun in deisem Semester zusammen mit dem Kreisverband des Reichskolonialbundes, mit dem Oberbadischen Freundeskreis der Deutschen Akademie und der Geographischen Gesellschaft eine kolonialwissenschaftliche Vortragsreihe, in der nun am letzten Montag zunächst der Kolonialgeograph Prof. Dr. Karl Troll (Berlin) das Wort haben sollte. Prof. Troll, der sowohl den afrikanischen wie auch den südamerikanischen Kolonialraum aus eigener Anschauung kennt, zeigte in seinen Ausführungen die wirtschaftliche Erschließung des ureigensten kolonialen Erdteils Afrika in ihren georgraphischen Bedingtheiten und auf Grund sozialer und politischer Voraussetzungen die künftigen Möglichkeiten einer Kolonisation. Er führte etwa aus:
Afrika ist der zuletzt kolonisierte Raum, obwohl er der Europa am nächsten liegende ist. Dieser Umstand, bestimmt durch verschiedenste Faktoren, ist geradezu Afrikas Schicksal geworden. Seine Erschließung ist durch verschiendenste Voraussetzungen und kulturgeographische Zusammenhänge bestimmt worden: Der Norden der Erdteiles besteht aus Trockengebieten, von denen nur die Hochländer und Oasen von seßhaften Völkern (größtenteils nicht Negern) besiedelt sind. Aehnlich sind die Voraussetzungen im Süden, wo nur an wenigen Stellen Zusammenballungen von Menschen (Negern) naturgegeben waren. Durch das südtropische Klima eignen sich diese Trockenräume allein für den Weißen. So leben vier Millionen Weiße im Norden (fast nur Südeuropäer) und zwei Millionen im Süden (vor allem Kapholländer mit vielleicht sogar 60 v. H. Deutscher Herkunft!) und nur 28000 im tropischen Raum dazwischen, vor allem im trockeneren, höheren Osten. Dazwischen haben sich überall, namentlich aber an der Westküste, orientalische Händler eingeschoben, vor allem Syrer die vor dem Kriege nach Südamerika zogen.
Fünf Formen sind für die wirtschaftlische Erschließung dieses Kolonialismus festzulegen: Die Großbetriebe mit oft Tausenden von eingeborenen Arbeitern (in den nicht stark verbreiteten tropischen Plantagenkulturen und den vielen Erzzentren), ferner die Familienbetriebe, also die „Farmen“, die mit Eingeborenen arbeiten (Gemischtfarmen mit bodenständigen Europäertum), weiter die kaufmännische Zusammenfassung zahlreicher kleiner Eingeborenenbetriebe oder der Einsatz von Europäern aber besser Eingeborenen auf Grund des Pachtsystems und endlich die europäische Bauernsidelung, die in Afrika darum kaum möglich ist, weil dort, wo der Europäer überhaupt arbeiten kann, eine extensive Wirtschat betrieben werden muß, die kaum durch künstliche Bewässerung (italienische Versuche in Eritrea) konzentriert werden kann. Eine Wirtschaft mit rauchenden Schloten im Urwald gibt es nicht.
Entscheidend ist der Einfluß der Kolonialpolitik, die heute vor allem eine Erziehungspolitik sein muß, nachdem die eingeborenen Stammerverbände zerrütet wurden und sich im Eingeborenen dem Europäer gegenüber eine neue Einstellung vollzog, die zur Proletarisierung führen könnte. Es gibt heute drei Formen der Eingeborenenpolitik: der Ausschluß der Eingeborenen als niedrigstbezahlte Lohnarbeiter aus jedem höheren Lebensanspruch, ferner die Politik der indirekten Verwaltung (von England klassisch entwickelt), die den Eingeborenen im Rahmen der eigenen Volkskultur erzieht, und schließlich das französische System der Assimilation. Wir Deutsche würden uns mehr an die englische Form anlehnen.
Während des Krieges wurden wichtige Schranken zwsichen Europäern und Eingeborenen niedergerissen, während europäisches Kapital für die technische Aufschließung in kolonialen Räumen arbeitete und noch arbeitet. Japan trat als erste nicht europäische Kolonialmacht auf. In dieser Problematik wird es vielleicht zu neuer Ablösung selbstständiger Länder führen wie zur Zeit des wirtschaftlichen Liberalismus, wo auch ein kolonialer Skeptizismus bestand. Oder aber es wird zu einem ganz neuen Auftrieb kommen.
Allerdings stehen nun große Räume nicht mehr zur Verfügung. Es ist nur noch eine Intensivierung der Kolonialwirtschaft möglich.
Ein soziales Zeitalter der Kolonisation müßte nun der technischen Erschließung folgen, in dem es keine Ausbeutung gibt, sondern in dem die Eingeborenen als bodenständiges Volkstum betrachtet und natürliche Zusammenhänge gepflegt werden. Dieses Zeitalter aber hat nichts mit der internationalen Form des Sozialismus zu tun. Sh.[?]

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