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Presse-Dokumentation:

Vortrag von Hauptlehrer Paul Priesner: Die Auswanderungsbewegung aus Markgräflerland-Gemeinden im 18. und 19. Jahrhundert

Freiburger Zeitung, 03.05.1937, Abendausgabe, S. 6.

Vortrag im Breisgauverein Schauinsland. Die Auswanderungsbewegung aus den Gemeinden Ehrenstetten, Kirchhofen und Pfaffenweiler im 18. und 19. Jahrhundert.

Sich auf alles irgendwie erreichbare Material stützend, zeichnete Hauptlehrer Paul Priesner, Kirchhofen, auf der dichtbesetzten „Stube“ des Breisgaugeschichtsvereins Schauinsland in Freiburg das überaus lebendige und in den Ausdeutungen durchaus gegenwartsnahe Bild der Auswanderung aus den Gemeinden Ehrenstetten, Kirchhofen und Pfaffenweiler nach Ungarn, Amerika und Afrika während des 18. und 19. Jahrhunderts.

Die Auswanderung während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts diente der Wiederbevölkerung des durch die Türkenkriege heimgesuchten Südostens des damaligen deutschen Reiches und führte vorab Ungarn und dem Banat neues Blut zu. Die dort angesiedelten alemannischen Bauern bewahrten ihr Volkstum trotz bitterster Bedrängnisse bis heute.Während des 19. Jahrhunderts ergossen sich verschiedene Auswandererströme nach Amerika. Den ersten ließ das Hungerjahr 1817 entstehen. Namhafte Abwanderung brachten Ehrenstetten, Kirchhofen und Pfaffenweiler die vierziger Jahre mit 43, 55 und 80 Amerikafahrern. Die Notjahre 1851/53 zeigten unerhörte Ziffern: in Kirchhofen wurden 434 Ortsansässige zur Auswanderung vorgesehen, in Ehrenstetten 250. Diese Auswanderer sollten, da die alte Heimat nicht imstande schien, sie zu ernähren, in Algerien ein besseres Fortkommen finden – wenn man dem lockenden Angebot der französischen Regierung Glauben schenkte.

Indes erwiesen sich die Zusicherungen hinterher als unwahr, die Hoffnungen als trügerisch, und die meisten „Afrikaner“ fielen nach kurzer Zeit dem Klima und den Verhältnissen zum Opfer.Bei fast allen Auswanderern aus Ehrenstetten, Kirchhofen und Pfaffenweiler blieb also die erhoffte Besserung aus, mochte sie diese gleich mit den größten Opfern erringen versuchen. Was indes noch schwerer wiegt und zu nachdenklicher Betrachtung anregt, ist die Tatsache, daß die Auswanderungsbewegungen die deutsche Volkskraft geschwächt haben und Tausende und aber Tausende dem deutschen Volkstum, wenn nicht verloren, so doch entfremdet worden sind.

Die an Priesners Darlegungen sich anschließende Wechselrede bestrebte sich, der Einstellung des damaligen Staates zur Auswanderung gerecht zu werden. Man kam zur Ueberzeugung, daß die Regierung und die Gemeinden unter dem Druck unglücklicher Umstände sich dazu entschließen mußten, die Auswanderung zu fördern, wollten sie überhaupt einer Besserung der Verhältnisse im Land die Wege bahnen. Die gegenwartsnahen Folgen des durch jede Auswanderung entstehenden Blutverlustes einerseits und anderseits die Verpflichtung, die Deutschen in aller Welt an ihrer alten deutschen Heimat wieder regern [sic!] Anteil nehmen zu lassen, wurden mit alle Deutlichkeit aufgezeigt. J. L. W.


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