logo

Pressedokumentation auf www.freiburg-postkolonial.de

Dr. Walter Hagemann: "Neuordnung für Afrika" unter Führung der Achsenmächte

Freiburger Zeitung, Nr. 80/81, Samstag/Sonntag, 22./23.03.1941, Seite 4

Neuordnung für Afrika
Von Dr. Walter Hagemann

Aus dem uns von England aufgezwungenen Entscheidungkampf wird ein neues Europa hervorgehen, das unter Führung der Achsenmächte steht. Dieser Neuordnungsprozeß, der bereits im vollen Gange ist, bringt gefährliche Blockbildungen zum Verschwinden, beseitigt unnatürliche politische und wirtschaftliche Grenzen, führt getrennte Volkstumsbestandteile wieder zusammen, fördert die natürliche Arbeitsteilung der verschiedenen Nationen und Wirtschaftsgebiete und stabilisiert Erzeugung, Absatz und Lebensstandard. Kurz, aus dem Zusammenbruch eines künstlich errichteten Antieuropa wird sich fast ohne gewaltsame Eingriffe und schmerzhafte Operationen ein neues Ordnungsgefüge entwickeln, das den Mitgliedern der europäischen Gemeinschaft ein zufriedeneres und friedlicheres Dasein gewährleisten wird.
Und Afrika? In dieser letzten Kolonie Europas werden sich, sobald die militärischen Würfel gefallen sind, als natürliche Reflexwirkung die gleichen Ideen und Entwiklungen durchsetzen, ebenso, wie dieser Kontinent bisher ein Spiegelbild des politischen, wirtschaftlichen und geistigen Chaos Europas gewesen ist. Blicken wir auf die politische Karte Afrikas: Ihre Grenzen und Herrschaftsbereiche sind nicht natürlichen und geographischen Notwendigkeiten entsprungen, sondern geschichtlichen Zufälligkeiten und diplomatischen Zweckmäßigkeiten. Die politischen Grenzen sind meist mit dem Lineal auf der Karte gezogen, ohne Rücksicht auf natürliche Zusammenhänge, schmale Küstenstreifen greifen wie groteske Fangarme tief ins Innere, wo sie irgendwo in unbewohnten Urwaldregionen ihr Ende finden, in wunderlichem Wechsel stehen eng untereinander verträumte Reste frühkolonialer Schöpfungen und modernste Hafenplätze. Gewiß, auch der ältere koloniale Erdteil Amerika hat eine solche politische Zufallsepoche durchgemacht, obgleich zunächst nur zwei koloniale Konkurrenten, Spanien und Portugal, auf dem Plan erschienen, deren Hemisphären sogar durch einen Schiedsspruch voneinander geschieden worden waren. Aber es ist weder notwendig noch auch erwünscht, daß in Afrika Jahrhunderte vergehen, bevor sich dauerhafte Grenzen entwickeln.
Chaotisch wie das liberale Wirtschaftssystem Europas waren bisher auch die in Afrika angewandten Wirtschaftsmethoden. Weite Regionen waren der hemmungslose Tummelplatz großkapitalistischer Ausbeutungsmethoden, denen die vorhandenen natürlichen Reichtümer und die eingeborenen Arbeitskräfte überantwortet wurden. Andere weite Bezirke wurden wirtschaftlich sich selbst überlassen, und ihre Reichtümer blieben völlig unbenutzt, weil die hier herrschende Kolonialmacht zu wirtschaftlicher Initiative unfähig oder mit lohnenderen und bequemeren Kolonialaufgaben über und über belastet war. Produkte, an denen das Schicksal von Millionen von Schwarzen und Tausenden von weißen Existenzen hing, wurden zum Spielball der Konjunktur, und nicht der aufgewandte Fleiß und die tatsächliche Leistung, sondern die steigenden und fallenden Kurse an den Börsen von Liverpool und Chikago entschieden über den Nutzen dieser Arbeit. Auch hier gilt es, ebenso wie im innereuropäischen Wirtschaftsaustausch, eine Planung und Lenkung der Produktion und eine Sicherung des Absatzes zu angemessenen Bedingungen herbeizuführen, auch hier bedarf es einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen Gebieten sehr verschiedener Kapazität, zwischen Plantagen und Individualwirtschaft, zwischen hochstehenden und primitiven Arbeitsmethoden und Arbeitskräften.
Wie sehr Afrika bis heute im Zeichen politischer und historischer Zufälligkeiten stand, zeigt ein Blick auf die afrikanischen Verkehrskarte. Mehr oder weniger unabhängig voneinander hat man hier oder dort Stichbahnen und Straßen ins Innere vorgetrieben, ohne auf spätere größere Zusammenhänge Rücksicht zu nehmen. Mindestens drei Viertel aller Bahnen und Straßenbauten sind militärischen, nicht wirtschaftlichen Notwendigkeiten entsprungen, und wo Verkehrsbarrieren vorhanden sind, wie zwischen Oberägypten und dem Sudan oder zwischen dem Niger und der Goldküste, da sind nicht Rentabilitätsfragen, sondern militärische Rücksichten maßgebend gewesen. Die Kap-Kairo-Route ist nicht ein Produkt der Wirtschaft, sondern des britischen Kolonialimperialismus, und das Projekt einer französischen Sahara-Bahn war nicht ein wirtschaftliches, sondern ein militärisches Bedürfnis, um die schwarzen Soldaten Frankreichs aus dem Sudan schnell und ungefährdet nach Marseille zu bringen. Es ist, wie bisher in Europa: während die Technik immer schnellere und bequemere Verkehrsmittel schuf, stagnierte die Verkehrsschnelligkeit im kontinentalen Verkehr, und die Freizügigkeit ging so ständig zurück.
Besonders viel ist auf dem Gebiete des Eingeborenenbehandlung gutzumachen. Mit dem wichtigsten afrikanischen Wirtschaftsfaktor, dem eingeborenen Arbeiter, wurden Experimente unternommen, die weder dem Ansehen des weißen Mannes noch der Leistungsfähigkeit der Kolonien dienlich waren. Jede Kolonialmacht arbeitete hier nach anderen Grundsätzen, ja sie änderte oft innerhalb weniger Jahre ihr System vollständig. Das eine und gleiche England trieb hier „black policy“ und dort „white policy“. Frankreich produzierte auf seinen Kolonialschulen farbige Franzosen und in seinen Kasernen farbige Poilus bis zum Sergeanten aufwärts, während in Innerafrika die Farbigen vielfach wie Sklaven fronen mußten. Um sich anzubiedern, hätschelte England nach 1919 die Farbigen in den deutschen Kolonien nach allen Regeln der Kunst, die vorher unter einem strengen, aber korrekten Eingeborenenregime zufrieden und dienstwillig gewesen waren. Auch hier gilt es, nach einheitlichen und dem verschiedenen geistigen und körperlichen Status der Eingeborenen angemessenen Richtlinien vorzugehen, wenn sich nicht eines Tages soziale und rassische Verfallserscheinungen zeigen sollen, wie jene, mit denen man heute in so vielen amerikanische Ländern verzweifelt kämpft. Afrika ist kolonisatorisch gesehen, noch ein junger Kontinent. Südlich der Europa zugewandten Nordfassade, die ihre eigene alte Geschichte hat und mit besonderen Maßstäben gemessen werden muß, dehnt sich ein Gebiet von ungeheurer Ausdehung, das noch vor 70 Jahren den Europäern nur an seinem schmalen Küstenstreifen bekannt und nutzbar war. Erst in den siebziger Jahren beginnt die Erforschung des Innern, in den achtziger Jahren der Wettlauf um die politischen Machtsphären, und als der Weltkrieg begann, waren die wichtigsten Kolonien kaum in ihrem Rohbau fertig. Was dann folgt, ist die brutale Vergewaltigung der kolonialpolitisch leistungsstärksten Macht, Deutschlands, und ein koloniales Provisorium, das von Anfang an von allen Sachkennern als unhaltbar angesehen wurde. Die Neuordnung Europas vollzieht sich also in einem Augenblick, wo die koloniale Masse Afrikas noch sozusagen einen bildungsfähigen Rohstoff darstellt. Noch ist keine Möglichkeit verschüttet, um ganz neu auf weite Sicht zu planen und jene Fehler zu vermeiden oder auszulösen, mit deren Folgen heute der amerikanische Kontinent zu kämpfen hat.

Afrikakarte

Zur Pressedokumentation des Jahres 1941 | Zum Seitenanfang | Scan der Originalseite UB-Freiburg weiter