logo

Rezensionen auf freiburg-postkolonial.de

Logo2

Personen Lokalpresse

 

 

Kolonialismus im Foto - Die Sammlung Schlüter im Braunschweigischen Landesmuseum

In bundesdeutschen Museen lagern noch so manche kolonialhistorisch bedeutsame Fotobestände, die bis dato unbeachtet geblieben sind und noch ihrer Erschließung harren. Dazu gehörte auch die Sammlung Schlüter im Braunschweigischen Landesmuseum, die nun ihrem Dornrößchenschlaf entrissen und nach ihrer restauratorischen Sicherung der interessierten Öffentlichkeit in einer Ausstellung und einem Katalog zugänglich gemacht wurde.

cover

Es handelt sich um den fotografischen Nachlass von Hermann Schlüter (1876-1953), der im Alter von 20 Jahren nach Deutsch-Südwestafrika (heuet Namibia) ging, um dort in den Jahren von 1896 bis 1901 als Freiwilliger der ‚Schutztruppe’ (Reiter) zu dienen. Schlüter, Gärtner von Beruf und Amateurfotograf, nahm mit seiner Platten-Reisekamera im Format 13 x 18 cm Landschaften, Ortsansichten, Menschen und die Tierwelt des kargen Landes auf. Von den 281 Aufnahmen aus dessen Nachlass, darunter Glasnegative, Glasdiapositive und Papierabzüge, stammen 180 von Schlüter selbst. Diese Originalaufnahmen sind das fotohistorisch eigentlich wichtige Bildmaterial dieser Fotosammlung. Bei den restlichen Fotos handelt es sich um Diapositive, die Schlüter vor allem aus Büchern heraus fotografiert hat, um sie für seine Vortragstätigkeit zu nutzen. Nach seiner Rückkehr hielt er mit seinen Bildern Lichtbildvorträge im privaten Kreis, verwendete sie aber auch bei seiner Tätigkeit als (Propaganda-)Redner der Deutschen Kolonialgesellschaft. Unter den von Schlüter selbst gemachten Fotografien ragen insbesondere diejenigen heraus, die das Alltagsleben in der Kolonie dokumentieren. Die Bilder der Ansiedlungen - etwa vom noch kaum bebauten Windhoek -, geben dem heutigen Betrachter faszinierende Einblicke in die Anfänge der Kolonisation des südwestlichen Afrikas durch das deutsche Kaiserreich.

Allerdings lässt der einführende Katalogtext aus der Feder von Wulf Otte zu wünschen übrig. Zwar bemüht sich der Autor um eine kritische Darstellung, doch sind seine Ausführungen mit heißer Nadel gestrickt. Oftmals reproduziert er den kolonialen Diskurs der damaligen Zeit mehr, als dass er ihn einer überzeugenden Analyse unterzieht. Völlig inakzeptabel ist die häufige Verwendung von kolonialen Begrifflichkeiten wie „Eingeborener“ oder „Stamm“, naturalisierende Termini, die heutzutage gänzlich obsolet sind.(1) Das Literaturverzeichnis weist keinen einzigen Titel zur „Visual History“ auf, dabei findet sich in der neueren bildwissenschaftlichen Literatur manche erhellende Studie zum Kolonialismus als visuelles Phänomen. Am Schmerzlichsten ist, dass die beiden Standardwerke zur kolonialen Fotografie Namibias nicht berücksichtigt wurden, nämlich “The Colonising Camera. Photographs in the making of Namibian History” (hrsg. v. W. Hartmann/J. Silvester/P. Hayes, 1998) und „Hues between black and white. Historical photography from colonial Namibia 1860s to 1915” (hrsg. v. W. Hartmann, 2004). Hätte Otte diese Grundlagenwerke herangezogen, wäre vieles in seinem Text nicht so vage ausgefallen. Manche der Aufnahmen, bei denen der Autor wegen fehlender Angaben Schlüters die Lokalität der abgebildeten Ortschaften nicht benennen konnte, hätten unter Heranziehung dieser und anderer Veröffentlichungen leicht geklärt werden können. So zeigt z.B. das Foto auf S. 62 („Hafenanlage“) Lüderitzbucht oder ist das Bild auf S. 66 („Bahnhofgebäude mit Gleisanlage“) in Karibib aufgenommen worden.

Sieht man davon ab, kommt der Ausstellung und dem begleitenden zweisprachigen Katalog (deutsch/englisch) das Verdienst zu, eine Reihe wichtiger, bisher unbekannter Fotodokumente ans Licht gebracht und für die weitere Forschung zugänglich gemacht zu haben. Die Ausstellung „Weiß und Schwarz - Black and White“ wird zunächst von 9. Oktober 2007 bis 6. Januar 2008 im Braunschweigischen Landesmuseum und anschließend im Nationalarchiv in Windhoek/Namibia zu sehen sein.

Joachim Zeller

Wulf Otte: Weiß und Schwarz - Black and White. Photos aus Deutsch-Südwestafrika / from Namibia 1896-1901, hrsg. im Auftrag des Braunschweigischen Landesmuseum, Verlag Uwe Krebs, Wendeburg 2007, 160 S., 19,80 €, ISBN 978-3-932030-39-0.

Ausstellung und Veranstaltungsreihe: »Weiß und Schwarz - Black and White. Photos aus Deutsch-Südwest-Afrika 1896 - 1901«, 7.10.2007 bis 6.01.2008, BLM Vieweghaus Burgplatz 1, 38100 Braunschweig Zum Flyer (pdf)


Anmerkung

Siehe ausführlich zur Kritik kolonial geprägter Begriffe: Arndt, Susan / Hornscheidt, Antje (Hg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk, Münster 2004. Zurück


Zum Seitenanfang | weitere Rezensionen auf freiburg-postkolonial Weiter