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freiburg-postkolonial.de

Veranstaltet vom Arnold Bergstraesser Institut, colloqium politicum und dem iz3w

 

Veröffentlicht auf freiburg-postkolonial.de am 22.10.2013

 

 

 

Ida Hoffmann (Chairperson of the Nama Genocide Technical Committee, Windhoek):

Apology, Compensation, Reconciliation.

A Report from Namibia

Mittwoch 30.10.2013, 20 Uhr ct., Uni Freiburg, KG I, HS 1098. Der Vortrag und die anschließende Diskussion finden auf Englisch statt.

Vortragsmitschnitt: Audio-file, mp3

see abstract in English below

Seit dem Gedenkjahr 2004, 100 Jahre nach dem von der deutschen Schutztruppe im heutigen Namibia verübten Völkermord, ist die Debatte über Entschuldigung und Entschädigung zum Dauerthema geworden. In Namibia hat sich das Spektrum der beteiligten Organisationen und Gruppen verbreitert. Insbesondere fordern heute neben Herero auch Nama, Damara und San, dass die Leiden und das Unrecht, die ihren Vorfahren angetan wurden, in angemessener Weise vom deutschen Staat anerkannt werden. Das erfordert eine offizielle Entschuldigung und die sich daraus ergebende Bereitschaft der deutschen Seite, auch über angemessene Formen der Entschädigung zu sprechen. Bisher steht eine solche Entschuldigung durch Bundespräsident oder Bundestag noch immer aus. Vor allem aber warten die Opfergruppen noch immer auf ein klares Signal staatlicher deutscher Instanzen, für eine Bereitschaft zum Dialog. Vor dem Hintergrund der im Namen des deutschen Staates verübten Verbrechen und Gräuel müsste diese Bereitschaft in aller erster Linie zunächst eine Bereitschaft zum Zuhören sein. Stattdessen war das letzte Jahrzehnt geprägt von einseitigen deutschen Initiativen, die das zentrale Anliegen des Dialogs gerade verfehlten oder gar verweigerten.

Die Problematik wurde besonders deutlich im September 2011 anlässlich der Rückgabe von 20 menschlichen Schädeln, die während der deutschen Kolonialzeit aus Namibia nach Deutschland gebracht worden waren. Es kam zu einem diplomatischen Debakel. Die Ursache bestand wesentlich in der systematischen Weigerung der Bundesregierung, die deutsche Verantwortung für die Kolonialverbrechen zu übernehmen. Zugleich aber wurde bei dieser Gelegenheit deutlich, dass es eine Reihe zivilgesellschaftlicher Initiativen in Deutschland gibt, die sich für einen konstruktiven Dialog einsetzen.

Ida Hoffmann war an führender Stelle an der namibischen Delegation beteiligt, die 2011 anlässlich der Übergabe der Schädel in Berlin war. Sie hat vorher und nachher in Namibia entscheidend dazu beigetragen, dass sich ein breites Bündnis unterschiedlicher ethnischer Gruppen gebildet hat, das die Frage der Entschuldigung, der Restitution und Entschädigung hartnäckig weiter verfolgt. Ida Hoffmann steht daher für ein bemerkenswertes zivilgesellschaftliches Engagement in dieser wichtigen transnationalen Auseinandersetzung um die Folgen des Kolonialismus.

Der Vortrag ermöglicht Einblicke aus erster Hand in die Auffassungen und die Praxis namibischer Aktivistinnen und Aktivisten im Zusammenhang mit der schwierigen namibisch-deutschen Erinnerungspolitik. Ungeachtet des seit den Kolonialverbrechen verflossenen Jahrhunderts sind diese Fragen hoch aktuell. Die Zusammenhänge reichen vom antikolonialen Widerstand über den Befreiungskampf der 1970er und 1980er Jahre bis in die Gegenwart. Ida Hoffmann repräsentiert auch durch ihre Person die Aktualität und Dringlichkeit einer konstruktiven namibisch-deutschen Versöhnungspolitik.

Ida Hofmann

Foto (C): Reinhart Kößler (2011)

Zur Person:

Ida Hoffmann stammt aus Keetmanshoop und identifiziert sich als Bondelswart. Sie gehörte zu den SWAPO-Aktivistinnen, die während der 1970er und 1980er Jahre den zivilen Widerstand im Land aufrechterhielten. Nach einem Gefängnisaufenthalt wegen ihrer Unterstützung auch des bewaffneten Kampfes begann sie Mitte der 1980er Jahre mit dem Aufbau eines Kindergartens in Katutura, der zu einem ihrer Markenzeichen geworden ist. Heute ist dieser Kindergarten ein wichtiges Kommunikationszentrum in Katutura und wird von weit über hundert Kindern besucht. Ida Hoffmann war von 2005 bis 2009 Mitglied der National Assembly. Auch während dieser Zeit hat sie ihr hohes zivilgesellschaftliches Engagement aufrechterhalten.

Nach wie vor ist es eines der wesentlichen Anliegen Ida Hoffmanns, der Marginalisierung des „internen“ Kampfes im offiziellen Bild des namibischen Befreiungskampfes und auch des Beitrags des Südens zum antikolonialen Widerstand entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang stehen auch ihre neueren erinnerungspolitischen Aktivitäten.

Seit Anfang der 1990er Jahre bemüht sich Ida Hoffmann auch um eine engere Verbindung zwischen den auf lokale Identitäten fixierten und weitgehend zersplitterten Nama-Gruppen. Es gelang nach über einem Jahrzehnt, eine lose Vereinigung der meisten Nama-Führer zustande zu bringen. Zugleich war Ida Hoffmann 2005-2010 eines der sechs vom Präsidenten nominierten Mitglieder der Nationalversammlung. In dieser Zeit entwickelte sich ihr vehementes Engagement für die Aufarbeitung des kolonialen Völkermordes 1904-08, die Forderung nach einer adäquaten Entschuldigung durch Deutschlands, nach Reparationen und Restitution. Dieser letzte Punkt hat sich besonders angesichts der spektakulären und von deutscher Seite aus in höchst problematischer Weise gehandhabten Rückgabe der ersten 20 in deutschen Institutionen aufbewahrten Schädel an eine namibische Delegation 2011 stark auf die Problematik menschlicher Überreste konzentriert und zugespitzt. Ida Hoffmann war nicht prominentes Mitglied dieser Delegation (Auftreten bei der Pressekonferenz und bei rituellen Anlässen), sondern ist als Vorsitzende des „Nama Technical Committee“ die zentrale Aktivistin von Nama-Seite in der gesamten Frage der Versöhnungspolitik. Ihr und ihrer Kooperationspartnerin Esther Muangijange vom Technical Committee des Ovaherero Genocide Comittee ist es wesentlich zuzuschreiben, dass beide Komitees seit Jahren eng kooperieren – etwas, was zuvor kaum vorstellbar gewesen wäre.

Ihre Biographie ebenso wie ihre gegenwärtige politische Tätigkeit machen Ida Hoffmann zu einer Person, die wohl in einzigartiger Weise in der Lage ist, über die Forderungen autochthoner Gemeinschaften in Namibia gegenüber Deutschland sowie deren Hintergründe im kolonialen Krieg vor über 100 Jahren zu informieren.


After more than a century, the genocide committed by the German Schutztruppe in today’s Namibia is still an unresolved problem in the relations of the two countries. This came once more to public attention when in September 2011, a large delegation from Namibia came to Berlin to receive 20 skulls that had been deported to Germany during colonial times. The diplomatic debacle at this occasion has contributed to a situation where even the return of further skulls, including 14 identified at the university archives of Freiburg, seems blocked. The central issues remain the official recognition of the genocide by Germany and the demand for a dialogue from the side of Namibian victim groups, which is likely to result in material compensation.

Ida Hoffmann, currently the chairperson of the Nama Genocide Technical Committee, will give a first-hand account from a Namibian perspective. She was a member of the delegation that came to Berlin in 2011. For several decades, she has been involved in the liberation struggle in Namibia as well as in many forms of community work. From 2005 to 2010, she was a member of the National Assembly. Since some time, she has made the dealing with the dire past that is still a daily present in Central and Southern Namibia one of her main concerns.

This talk follows Ida Hoffmann’s participation at the 4 th Panafricanism Congress in Munich, which has made possible her presence in Germany.

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