logo

Dokumentation:

Denkschrift des Oberbadischen Zweigvereins zur Umstrukturierung des Deutschen Kolonialvereins

Transkription: Andreas Flamme

Bundesarchiv, R 8023, Akte 928, Paginierung 113 [die Denkschrift hat 3 Seiten]

Denkschrift des Oberbad. Zweigvereins

betreffend

Organisation nach Zweigvereinen.


Mit Bezug auf den von unsrem Vertreter in der Vorstandssitzung vom 11./12. März l. J. eingebrachten Antrag, betreffend die Organisation des Vereins, beehrt sich der gefertigte Vorstand in Nachstehendem einige Erläuterungen dem gedachten Antrage beizufügen.

Den Anträgen des Vorstandes liegt die Meinung zu Grunde, daß das Vereinsleben eine bedeutende Vertiefung erhalten würde, durch Schaffung möglichst vieler, wenn auch kleiner Korporationen, die im Rahmen der allgemeinen Satzung zu organisiren wären, Hauptverein gegenüber im wesentlichen die gleichen Verpflichtungen wie die bisherigen Zweigvereine hätten, im übrigen aber vollkommen selbständig wären.

Im Prinzip ist dieser Gedanke auch in der gegenwärtigen Organisation des Kolonialvereins anerkannt, indem die Bildung von Zweigvereinen vorgesehen wurde.

Durch die Aufnahme von einzelnen Mitgliedern zum Gesamtverein gegen Zahlung eines stets unter der Höhe der Zweigvereinsbeiträge bleibenden Jahresbeitrages wird jedoch dieses Prinzip durchbrochen, und eine praktische Wirksamkeit aufgehoben, indem in den Zweigvereinen nie das Gefühl lebendig wird, daß sie selbst ein geschlossenes Ganze [sic] darstellen. Dies wird in dem Momente geschehen, wo kein Mitglied die Möglichkeit hat, dem Beitritt zu irgend einem Zweigvereine zu entgehen und in der unbestimmten Größe des Gesamtvereins sich zu verlieren. In welcher Weise die bisherige Organisation des Kolonialvereins dadurch aufgehoben wäre, ist aus dem beiliegenden Entwurfe einer Änderung der Satzung im Sinne unsres Antrages zu entnehmen. Die Begründung der einzelnen Punkte ist wohl unnötig, da sie alle mit Notwendigkeit aus dem Grundgedanken fließen, den Kolonialverein als ein System von Zweigvereinen aufzubauen. An einem territorialen Zweigvereinszwang ist hierbei nicht gedacht, es ist vielmehr eine vollkommen freie Ordnung der Zweigvereine, die sich bilden würden, möglich.

Die Schwierigkeiten, die sich einer derartigen Organisation des Vereins in den Weg stellen, sind, soweit dem gefertigten Vorstand durch die Verhandlung in der Gesamt-Vorstandssitzung zur Kenntnis gekommen ist, teil solche, welche aus Zweckmäßigkeitsgründen entspringen, teils solche, die sich gegen das Prinzip selbst wenden. Die erstern können selbstverständlich nur nach genauer Würdigung der Gesamtlage des Vereins beurteilt werden. Da dies aber doch nur ein Verschieben des Zeitpunktes der Durchführung bedingen würde, wollen wir uns nur mit den angeblich bestehenden prinzipiellen Bedenken beschäftigen. Dieselben beziehen sich auf das Verhältnis des Vereins zu seinen im Auslande wohnenden Mitgliedern, deren Zahl auf mehrere Tausend angegeben wird, welche aber größtenteils einen engeren Verband in Zweigvereinen zu schließen nicht in der Lage wären. Es will uns scheinen, als ob durch die vorgeschlagenen Statuten (§. 3 Abs. 11) diese anzuerkennende Schwierigkeit in genügender Weise gelöst wäre. Durch die stramme Organisation des Vereins, die in dem vorgeschlagenen Aufbau desselben aus kleinen Verbänden gelegen ist, soll das Vereinsleben in Deutschland eine Hebung erfahren.

In welcher Weise die auswärtigen Freunde der deutschen Kolonialpolitik dem Vereine beitreten, ist für die Sache des Vereins ziemlich gleichgültig und es kann daher in diesem Falle, unbeanstandet der Organisation im Innern, bei dem bisherigen Verfahren [Seitenumbruch von 1 auf 2] bleiben. – Ein weiteres Hindernis soll in jenen Vereinsmitgliedern liegen, welche durch ihre Lebensweise einer gewissen Isolirung unterworfen sind (es wurde auf Rittergutsbesitzer hingewiesen) oder aus Vereinsscheu, wie man es bezeichnen müßte, abgeneigt sind, einem Lokalverbande anzugehören und es vorziehen, gewissermaßen nur durch das Abonnement der Kolonialzeitung dem Vereine beizutreten. Wollte man diesen Punkt genau prüfen, so müßte man zunächst eine Statistik aufstellen und versuchen, auf welche Weise dem Kolonialverein mehr Mitglieder zugeführt würden, ob durch Zweigvereine und deren Thätigkeit, oder durch den Bestand des Gesamtvereins und seine Aktionen. Es kann wohl kaum bezweifelt werden, daß schon durch den Umstand, daß der Kolonialverein seine agitatorische Thätigkeit durchaus auf dem vorbereiteten Boden der Zweigvereine ausübt, diesen letzteren das Hauptverdienst an der Sammlung und Erhaltung der Mitglieder zukommt. – Sobald in der Agitation in Wort und Schrift und durch die Kolonialzeitung nicht mehr darauf hingewiesen werden wird, daß man durch Anmeldung beim Bureau des Kolonialvereins in Berlin die Mitgliederschaft erwirbt, sondern den Leuten bekannt gemacht wird, daß hundert und so und so viele Abteilungen existieren, bei welchen die Neuanmeldung geschehen kann, werden eben die Rittergutsbesitzer sich bei einer dieser Abteilungen melden, wenn sie nicht selbst einen bilden wollen. –

Die Mitglieder aber, welche den engeren Vereinsverband scheuen und nur die Zeitung lesen wollen, sollen als das behandelt werden, was sie sind, als Abonnenten der Kolonialzeitung. - Man wird ihnen zwar ohne den Verein selbst durch theoretischen „Verlust an Mitgliedern“ am Ende zu schädigen, nicht den Titel eines Mitgliedes, wohl aber die Stimme eines solchen nehmen können. Diese Frage wird dadurch praktisch gelöst, daß in der Generalversammlung nur nach Abteilungen abgestimmt wird. Wer also „Vereins-scheu“ war, der bleibt es jetzt auch; wer aber Lust hat seiner Meinung in irgend einer Weise Gehör und eventuell Geltung zu verschaffen, der muß sich einer Abteilung anschließen. Die in solchen isolirten Existenzen liegende Schwierigkeit scheint demnach nicht so groß zu sein, wie von den Gegnern des Antrags gemeint wird.

Ein wichtiges Bedenken liegt darin, daß gegenwärtig von denjenigen, welche dem Hauptverein beitreten, ein Betrag von nur M. 6.– verlangt wird, während in fast allen Zweigvereinen größere Beträge, oft statutarisch, gefordert werden. Wollte man alle diejenigen, welche bisher nur Hauptvereinsmitglieder sind, nötigen, sich den Statuten irgend eines Zweigvereins und damit vielleicht einem höheren Mitgliederbeitrag zu unterwerfen, so würde dies gewiß sehr viele abschrecken. Da aber auch gegenwärtig Fälle vorkommen, wie z.B. in dem Zweigverein Dresden, in welchem neben Mitgliedern mit höheren Beiträgen solche existiren, die den Minimalbetrag bezahlen, so könnte der Durchführung einer Übergangsbestimmung kaum etwas im Wege stehen, welche anordnen würde, daß alle zur Zeit der Einführung der neuen Organisation beim Verein angehörigen Mitglieder von jedem Zweigverein mit den derzeitigen Mitgliederbeiträgen aufgenommen werden müssen, wofern nicht andre Gründe der Zurückweisung für die Zweigvereine bestehen. Von dem Abteilungsbeitrag werden solche Mitglieder nur dann und in dem Maße getroffen, als derselbe jene Höhe überschreitet, welche zur Zeit der Einführung der Zweigvereinsorganisation bestand. Dies letztere scheint eine billige Entscheidung dafür zu sein, daß die einzelnen Mitglieder nunmehr die Vorteile der Zweigvereine mitgenießen. Sollte dies zu kompliziert erscheinen, so könnte man immerhin auf jedwelchen Abteilungsbeitrag solcher Mitglieder auch fernerhin verzichten, damit es sie in keiner Weise in eine schlechtere Lage versetzen würde. Es wird ohnedem nur wenige Mitglieder geben, welche nicht früher oder später sich den Zweigvereinsbestimmungen anpassen würden, wofern nur die Organisation einige Zeit im Laufe ist; denn hierin erblicken wir eben den Hauptvorteil des reinen Abteilungssystems, daß durch dasseelbe viele kleine Zentren geschaffen werden, die in ihrem Kreise thätig sind, deren leitende Mitglieder Einfluß behalten auf die übrigen und bei einigem wahren Interesse eine Gewähr für die Dauer der Organisation bieten. Diese Vorteile können im gegenwärtigen bestehenden, gemischtem Systeme nicht in gleichem Maße hervortreten. Die Wirksamkeit der Zweigvereine auf ihre Mitglieder kann keine tiefgehende sein, weil die letzteren stets in den Hauptverein übertreten können, es vielfach auch thun, sobald z.B. die materiellen Anforderungen der Abteilungen zu groß werden. Naturgemäß wird dadurch auch die Freude der Abteilungsleiter an ihrer Vereinsthätigkeit in nicht geringem Maße aufgehoben. Daß über die zerstreuten, wenn auch vielleicht im selben Orte lebenden Mitglieder des Hauptvereins weder seitens der Zweigvereine, noch auch von der Zentralleitung eine Kontrole geübt, ihr Austritt verhindert werden kann, daß sie für die Agitation so ziemlich verloren gehen, ist ja selbstverständlich. Inwieweit die Zweigvereine in Bezug auf, die Technik der Verwaltung der Gesamtvereine von Nutzen sind, brauchen wir wohl einem verehrten Präsidium nicht erst des Näheren auseinander zu setzen. Darüber kann ein Zweifel nicht bestehen. Wir wünschen nur, daß ein verehrliches Präsidium die Überzeugung gewinnen möge, daß die vollständige Aufhebung des Instituts der direkten Mitgliederschaft beim Hauptverein demselben nicht nur nicht schädlich, [Seitenumbruch von 2 auf 3] sondern im Gegenteil im höchsten Grad nützlich sei. - Wir glauben in dem Entwurf einer Änderung der Statuten die maßgebenden Punkte in genügender Weise hervorgehoben zu haben.

Es handelt sich, wie wohl kaum betont zu werden braucht, überall nur um die Hauptzüge, die Formulirung ist in allen Punkten einer Kritik preisgegeben. - Doch haben wir dieselbe in den wichtigsten Digen, z.B. in Bezug auf die Stimmberechtigung der verschiedenen Abteilungen nach ihrer Mitgliederzahl, den Statuten des deutsch-österreichischen Alpenvereins gemäß genau gestaltet, welcher Verein außerordentlich glückliche Erfolge aufzuweisen hat. Nach den Mitteilungen des deutsch-österreichischen Alpenvereins vom 15. April I. J. S. 95 besitzt derselbe gegenwärtig 152 Sektionen mit 18 879 Mitgliedern, welche ohne Ausnahme, in Sektionen (Zweigvereine) eingeordnet sind. Gewiß soll nicht behauptet werden, daß der Alpenverein diesen Erfolg nur seinem Zweigvereinssystem zu verdanken hat. Allein wer die Technik dieses Vereins beobachtet, wird die Überzeugung gewinnen, daß diese Art der Organisation ein wichtiges Mittel zur Erzielung jenes Erfolges war. Zum mindesten ist derselbe ein Beweis gegen jene, welche das System aus inneren Gründen seiner ungenügenden Wirksamkeit wegen, bekämpfen zu müssen glauben. -

Daß das Objekt der beiden Vereine ein grundverschiedenes ist, kommt wohl in keiner Weise in Betracht, weil die Thätigkeit ihrer formellen Natur nach – und nur für diese ist die Organisation von Wichtigkeit – die gleiche ist: Zusammenkünfte mit Vorträgen, Mitteilungen der Mitglieder und Freunde; Verbreitung einer aufklärenden und belehrenden Zeitschrift, wie eines Jahrbuches, Sammlung von Beiträgen für Hütten, Wegbauten ec. (in unserm Falle für Missionen, Krankenhäuser ec.). Und das wird man schließlich annehmen dürfen, daß im deutschen Volke für deutsche Kolonien noch mehr Interesse verborgen liegen wird, als für die Alpen. Es wird nur auf die Art der Behandlung dieses Interesses ankommen und soweit die Technik der Vereinsorganisation hierbei eine Rolle spielen kann, glauben wir eine äußerst günstige dem Abteilungssystem zuschreiben zu müssen. Der gefertigte Vorstand glaubt sich auf diese auf diese wenigen Bemerkungen zu dem Entwurfe einer Änderung der Statuten beschränken zu können, da das Prinzip selbst durchaus einfach ist. die [sic!] Anerkennung der Bedeutung desselben für die Entwicklung des Vereins aber unsrer Überzeugung nach nur davon abhängt, daß man die Wirksamkeit der Zweigvereine und die der Einzelmitglieder für den Gesamtverein einmal scharf ins Auge faßt. Eine Vergleichung derselben muß zu gunsten der ersteren ausfallen, und darum glauben wir in der Begründung genug gethan zu haben, wenn wir die Aufmerksamkeit des verehrlichen Präsidiums auf diesen Punkt hingelenkt haben.

Oberbadischer Zweigverein des Deutschen Kolonialvereins Freiburg i.B.

i.A.

v. Hillern-Flinsch,

Schriftführer.

Freiburg i.B., 1. Juni 1887.


Zur Übersicht Dokumente | Zum Seitenanfang