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Presse-Dokumentation auf www.freiburg-postkolonial.de:

Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg über seinen Besuch bei König Msinga von Ruanda (Teil 2)

siehe auch:

Strizek, Helmut: "Geschenkte Kolonien. Ruanda und Burundi unter deutscher Herrschaft" (2006)

Zur Rezension

Freiburger Zeitung, 31.10, 1907, 1. Blatt, 1. Seite

Am Hofe Msingas.

(Schluß.)

Dann bat er, seine Geschenke überreichen zu dürfen, und dieser Moment war das Ereignis des Tages. Wir setzten uns in eine Reihe, der Sultan in der Mitte, das Volk teils hinter uns, teils uns gegenüber, so daß für die Geschenke eine Gasse gebildet wurde. Auf ein Zeichen des Msinga kamen sie dann heran. Voran wandelte eine Milchkuh, deren Kalb nebenher getragen wurde, als Zeichen höchster Ehrung, dann kamen zehn Rinder mit kapitalen Hörnern, als Schlachtvieh, und darauf eine nicht enden wollende Herde von Ziegen. Trupp auf Trupp folgte einander, immer neue Massen wälzten sich heran und überschwemmten blökend das Lager. Es waren über 1000 Stück! Darauf defilierten einzeln Hunderte von Leuten, welche Mehl, Bohnen, Milch, Butter, Bananen, Honig, Brennholz, das hier rar ist, usw. auf dem Kopfe trugen. Die Masse der Geschenke wird am besten durch die Zeit ihres Vorbeizuges beleuchtet: er dauerte fast ¾ Stunden. Die Fülle der Gaben war so enorm, daß selbst Hauptmann von Grawert zugeben mußte, in seiner zehnjährigen Tätigkeit im hiesigen Bezirke noch nie etwas derartiges gesehen zu haben.
Damit war der Besuch zu Ende, und der Sultan empfahl sich. In feierlichem Zuge, die Leibgarde voran, schwebte er in seinem Throne (den er mir übrigens später ebenfalls zum Geschenke machte) davon. Ein Wald von 5000 hocherhobenen Speeren folgte ihm; ein unvergeßlicher Anblick.
Der Gegenbesuch am Nachmittag entfaltete allen „Pomp“, den eine reisende Karawane zu zeigen im stande ist. Die sorgfältig ausgewählten Gegengeschenke entstammten dem Gebiete der Komik und der Nützlichkeit und waren, außer den üblichen Gaben an Zeug und Perlen, dazu ausersehen, durch Eigenart und Neuheit der Erscheinung des Herrschers Mienen zu erhellen, da ein Aequivalent im eigentlichen Sinne natürlich unmöglich war. Unter Vorantritt der Askari mit enthüllten Fahnen, hinter uns die Boys, jeder mit einem Geschenk auf den vorgehaltenen Armen, zogen wir wiederum unter Hörnerklang, in den Sultanshof hinein, der, geschmackvoll und peinlich sauber gehalten, dem eigentlichen Palaste vorliegt, den ein hoher, aus Flechtwerk und Papyrus hergestellter Zaun umgibt.
Auf einem steinernen, bunt bemalten, terrassenförmigen Vorbau der „Palast“-Hütte erwartete uns der Herrscher, umgeben von seinen Würdenträgern. Nachdem er Platz genommen, erfolgte die Überreichung unserer Gegengaben, welche die Boys, einzeln herangewinkt (um den Eindruck zu vergrößern) heranschleppen. Besonders entzückte ihn das Rasseln einer Weckeruhr, die bis in alle Details erklärt werden mußte, und mein Jagdmesser nebst einer gefüllten Patronentasche, die ich abband und ihm gleich anlegen mußte. Strahlen der Begeisterung aber erhellten sein Gesicht, als ihm das Glück einer Säge zuteil wurde, um die er besonders gebeten hatte, und mit der, nach einigen mißglückten Versuchen, alles erreichbare an- und durchgesägt wurde.
Besondere Vorliebe zeigte er für militärische Dinge, so für ein Exerzieren unserer Askari, von denen er kein Auge wandte, als die Griffe tadellos „klappten“. Auch die Wirkung einer scharfgeschossenen Salve verfehlte ihren Eindruck nicht.
Die nächsten Tage waren sportlichen Wettkämpfen freigegeben, von denen ein Hochspringen der Watussi wohl das Erwähnenswerteste ist. Die drei besten Springer, ganz prachtvolle, überschlanke Gestalten, mit typischem, fast indianderhaftem Watussi-Profil, erreichten eine Höhe von 2,50 Metern, die dazu noch auf einer schiefen Ebene angelaufen werden mußte, während als Sprungbrett ein flacher Termitenbau diente.
Den Siegern wurden dann zur Belohnung „goldene“ Ketten um den Kopf oder um den Hals gehängt. Einige gut gelungene Photographien zeigen Leutnant von Wiese und mich unter der quergezogenen Schnur, wie wir von den Watussi hoch übersprungen werden. Der gut gelaunte Meßlersche Kinematograph wird hoffentlich diese noch nie im Bild gesehenen Momente später einem größeren Publikum zeigen dürfen.
Am Tage darauf war Vorführung von Tänzen. Jede der fünf verschiedenen Arten wurde von einem der großen Watualen eingeübt, und jeder von anderen Leuten in anderem Kostüm getanzt. Alle unterschieden sich von dem bisher Gesehenen wesentlich und wurden ohne Musikbegleitung ausgeführt, eine Erscheinung, die mir bis dahin ebenfalls noch fremd war. Getanzt wurde in Gruppen, die nicht mehr als 25 Leute enthielt, oder einzeln, nach des Tanzes Bedeutung; immer wurden die langen Watussilanzen oder Pfeil und Bogen dabei in der Hand gehalten. Der Sultan hatte die Regie über den Tanz der Watualen und versäumte nicht, nach Ablauf jedes einzelnen zu fragen, welcher uns am besten gefallen habe. Die Antwort lautete natürlich stets bewundernd.
Als Gegenleistung bekam er dann einige Platten auf dem Grammophon zu hören, auf das er durch die Erzählungen der Watualen, die uns hergeleitet hatten, neugierig gemacht worden war. Die Vorführungen, denen manche mit Gleichmut, andere mit tellergroßen Augen, einige mit verzerrt andächtigen Gesichtern lauschten, bestätigten unsere früher gemachten Erfahrungen, daß Märsche gar nicht „zogen“, Gespräche allgemeine Freude erregten, und die weibliche Singstimme, sobald sie die höheren Lagen berührt, wieherndes Gelächter hervorrief. Das Gedränge um das Instrument, für dessen Sicherheit wir schon zu fürchten begannen, wurde immer dichter und lichtete sich erst dann, als Serenissimus mit einem dargereichten Stock höchsteigenhändig zwischen das Auditorium hieb, daß die Splitter flogen.
Da der Sultan die Wasungu, die Weißen, schießen zu sehen wünschte, wurde am Nachmittag des folgenden Tages auf 200 Meter Entfernung ein auf eine Stange aufgestülpter irdener Topf als Scheibe aufgestellt. Ich schoß zuerst und es glückte mir, diesen gleich zweimal nacheinander herunterzuholen, worauf sich mir unter Jubelgeschrei eine Menge Hände zur Beglückwünschung ob dieser Leistung entgegenstreckten. Da die Leistungen der anderen Herren ebenfalls nicht schlechter waren, so wurde dem Sultan die Sache jetzt etwas peinlich, denn er fürchtete, sich zu blamieren, als er, auf 50 Schritt herangehend, selber eine Jägerbüchse, Modell 71, in die Hand nahm. Jeder Kompagniechef hätte seine Freude an dem tadellosen Anschlag dieses Mannes gehabt, der, die Bewegungen zum Anschlag wie auf dem Scheibenstande ausführend, den Topf auch tatsächlich zum Jubel seines Volkes traf.
Die Ueberlegenheit in der Gewandtheit den Weißen gegenüber zeigten dann wieder einige junge Watussi, welche 10 Schritt langsam anlaufend sich fast zur Erde hintenüber neigten und ihre kurzen Wurfspeere, eine besondere Art, in unglaubliche Höhe schleuderten, und zwar mit solcher Wucht, daß zwei der Lanzenschäfte nur durch ihre Schwingungen in der Luft zerbrachen.
Der Sultan schenkte mir nacheinander eine Reihe hochinteressanter Gegenstände hiesigen Gewerbes, während der Kauf von ethnographischen Dingen zunächst auf hartnäckigen Widerstand stieß. Erst als Msinga seine Erlaubnis hierzu erteilt hatte, konnten wir unsere Ruanda-Sammlung in drei Tagen um zahlreiche weitere Nummern vermehren.
Als wir uns am Morgen des 12. August vom Sultan verabschiedeten, taten wir dies nicht ohne ein Gefühl besonderer Befriedigung. Wir hatten Einblick getan in den Hof eines Negerfürsten, den in solcher Machtentfaltung noch niemand geschaut und vielleicht niemanden mehr zu schauen beschieden sein wird. Wenn auch dieses Sultans jetzt noch unbegrenzte Macht dereinst dem fortschreitenden Einfluß der unseren gewichen sein wird, wenn erst der weiße Ansiedler in diesem herrlichen Klima seine Herden weiden und die geschäftige Schar der Händler dem vornehmsten aller Negervölker den Nimbus und die Ruhe geraubt haben wird, dann wird den Wert des Geschauten die Erinnerung an diese Zeit erst voll zur Geltung kommen lassen.


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