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Freiburger Institutionen

Koloniale Sammlungen im Adelhausermuseum. Natur- und Völkerkunde

 

Buchcover

Inhalt:

  1. Wilhelm Winterer, Richard Kuenzer und Georg Nathan
  2. Karl Sauer, Eugen Fischer
Foto: Wilhelm Winterer in Schutztruppenuniform, Vorlage: Stadtarchiv Freiburg, M7092/392, keine ungenehmigte Nutzung erlaubt.
 
 
Cover der 1. Auflage von "Werben und Sterben in Deutsch-Ostafrika".
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Cover der 2. Auflage von "Werben und Sterben in Deutsch-Ostafrika".
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Heiko Wegmann: Der Kolonialoffizier und Autor Wilhelm Winterer
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 

Edgar Dürrenberger: Freiburg und Afrika

Teil II: Wilhelm Winterer, Richard Kuenzer und Georg Nathan


Wilhelm Winterer

Mit Oberst a.D. Dr. Wilhelm Winterer, dem Sohn des früheren Oberbürgermeisters von Freiburg, Dr. Otto Winterer (gestorben 1915), findet sich ein seinerzeit und teilweise noch heute in Freiburg allgemein bekannter Name in der Stifterliste des Freiburger Völkerkundemuseums. Wilhelm Winterer wurde am 21.9.1879 in Konstanz geboren (Die persönlichen Angaben zur Person Wilhelm Winterers habe ich Dokumenten entnommen, die mir Frau Landrat Ursula Mayer, eine Nichte Wilhelm Winterers, freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, der ich dafür zu Dank verpflichtet bin). Sein Abitur legte er 1898 am Bertoldgymnasium in Freiburg ab, danach trat er beim 5. Badischen Infanterieregiment 113 seine Laufbahn als Berufsoffizier an. Als Leutnant wechselte er 1907 zur Schutztruppe für Ostafrika, der er bis 1913 angehörte. Danach muss er an der Universität eingeschrieben gewesen sein, denn, bereits als Hauptmann an die Westfront eingezogen, promovierte er als Historiker 1915 an einer philosophischen Fakultät mit einer Dissertation über Befestigungsanlagen des Dreißigjährigen Krieges auf dem südlichen Schwarzwald. 1915/16 erlebte er die Stellungskämpfe im Oberelsass und 1917/18 die Kämpfe zwischen Maas und Mosel. 61-jährig wurde er 1940 im Zweiten Weltkrieg als Major in die Wehrmacht eingezogen und machte den Frankreichfeldzug und als Oberstleutnant und schließlich Oberst den Balkan- und Russlandfeldzug bis 1944 mit.

Zwischen den Kriegen lebte er als Offizier im Ruhestand bei der Familie seiner Schwester in Freiburg. Er war als meisterhafter Schachspieler bekannt und gründete den Freiburger Schachclub, dem er lange Zeit vorstand. Er hielt Lichtbildervorträge über Deutsch-Ostafrika, an Paraden seines Freiburger Stammregiments pflegte er in der Schutztruppen-Uniform teilzunehmen (Gespräch mit Frau Landrat Ursula Mayer im Juni 1994; Pressemeldung der Badischen Zeitung zum 85. Geburtstag von Wilhelm Winterer, aus den persönlichen Dokumenten von Frau Mayer). Seiner Neigung zur Literatur folgend - in seinen persönlichen Dokumenten ist als ausgeübter Beruf "Afrika-Schriftsteller" eingetragen - veröffentlichte er 1923 den Afrika-Roman "Werben und Sterben. Ein Traum aus Deutsch-Ostafrika" im von ihm selbst gegründeten Afrika-Verlag (Winterer 1923). Der Roman enthält die für die Zeit typischen Vorstellungen über die zivilisatorischen Leistungen der Deutschen in Afrika, und, im Rahmen einer Liebesgeschichte, auch das gespannte Verhältnis zwischen Deutschen und Engländern kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Einige Passagen des Romans könnten auch autobiographisch sein. So wird der Marsch einer Abteilung Askari, angeführt von der Hauptperson des Romans, dem deutschen Kolonialoffizier Walter Wehrwald, von Lindi, an der Küste des Indischen Ozeans, zu seinem neuen Standort Kifumbiro am Victoria-See geschildert. Walter Wehrwald wird dabei von einer Schlange gebissen und entrinnt dem Tod nur knapp. Tatsächlich hatte Wilhelm Winterer eine Handverletzung, die von einem Schlangenbiss herrührte, ebenso wie er in Kifumbiro und in Lindi stationiert war (Die Herkunft der Ethnografika ist überwiegend mit Kifumbiro angegeben, während das Dankesschreiben des Stadtrates nach Lindi adressiert ist. Vgl. SAF D.Sm 34/1/6, Brief des Oberbürgermeisters Dr. Winterer ans Museum vom 2.8.1910; SAF C3 241/3, Dankesschreiben von Hugo Ficke an Wilhelm Winterer in Lindi vom 8.8.1910; IB I, Einträge I-1158 bis I-1224).

Vermutlich nach einem Heimaturlaub Wilhelm Winterers hatte im August 1910 sein Vater dem Museum mitgeteilt, dass bei ihm eine Auswahl von Gegenständen bereitliege, die sein "Sohn Wilhelm, Oberleutnant der Kaiserlichen Schutztruppe z.Zt. in Lindi, Ostafrika" dem Museum zugedacht habe. Sein Sohn verzichte auf die Erstattung der Frachtkosten, weshalb man das Geschenk als ein Zeichen seiner Anhänglichkeit an die Stadt und Wertschätzung für das aufblühende Museum betrachten solle (SAF D.S m. 34/6, Brief von Oberbürgermeister Winterer ans Museum vom 2.8.1910). In der angefügten Liste finden sich neben Geweihen und Gehörnen, Krokodil- und Straußeneiern, Schlangen in Spiritus, einer Käfersammlung und einem Büffelembryo eine Reihe von Waffen, Kleidungsstücken, Haushaltsgeräten und Tabakspfeifen, deren Herkunft lediglich mit Ostafrika angegeben ist. Im Inventarbuch des Museums wird diese für die meisten der insgesamt 61 Ethnografika mit "Station Kifumbiro am Kagera-Nil, Distrikt Bukoba, Victoria Nyanza" angegeben, manche davon sind näher den Ziba des Zwischenseengebietes zugeordnet. Einige wenige stammen aus dem Hinterland von Lindi. Fast alle der Gegenstände befinden sich noch heute im Museum.

Kurz nach seiner Verabschiedung aus der Schutztruppe übergab Wilhelm Winterer dem Museum noch zwei auf Schildern montierte Watussi-Rindergehörne, zu denen er fachkundig erklärte, diese Rinder seien von Hamiten und Semiten anlässlich ihrer Völkerwanderung vor einigen tausend Jahren von Norden nach Süden verpflanzt worden, und fänden sich heute im Norden der Kolonie Ostafrika, in Unyoro und Ruanda in vielen Tausenden von Prachtexemplaren (SAF C3 241/3, Brief von Winterer an den Stadtrat vom 3.5.1913). Wilhelm Winterers Wohnung war voller Erinnerungsstücke aus seiner Zeit bei der Schutztruppe. In den Erinnerungen seiner Nichte tauchen Jagdtrophäen, ein Spiegel mit Stoßzähnen und ein an der Wand hängendes Löwenfell auf. Seine gesamte Ethnografika-, Lichtbilder- und Trophäensammlung ging jedoch 1944 beim Bombenangriff auf Freiburg verloren. Vor allem die Trophäensammlung war, wie er in seiner Schadensmeldung angibt, einzigartig, wie ihm Askari und Dorfälteste bestätigt hätten (Persönliche Dokumente von Frau Landrat Ursula Mayer).

In der Zeitungsmeldung zu seinem 85. Geburtstag (Persönliche Dokumente von Frau Landrat Ursula Mayer) wird Wilhelm Winterer als freundlicher weißhaariger Herr in beneidenswerter geistiger und körperlicher Frische, mit markantem Schnurrbart und eigenwilliger Kopfbedeckung beschrieben, der zum Herdermer Stadtbild gehöre und, humorsprühend wie geistvoll, aus dem Gedächtnis mit Zitaten aus der lateinischen, der griechischen und der deutschen Klassik ebenso spiele, wie mit langen Passagen aus dem Werk von Wilhelm Busch. Wilhelm Winterer starb am 29.6.1968.

Richard Kuenzer und Georg Nathan

Im Januar 1912 erreichte ein Schreiben der Firma Homann & Co, Hamburg, "Import-Export, Special-Verkehr in die Deutschen Kolonien, Commission, Assecuranz und Spedition" Professor Dr. Eugen Fischer in Freiburg, in dem ihm mitgeteilt wurde, man habe "drei Kolli Kuriositäten", wie von ihm in Auftrag gegeben, an die städtischen Sammlungen in der "Thalstraße" gesandt (SAF D.S m. 32/1d, Schreiben der Firma Homann & Co an Fischer vom 3.1.1913). Fischer leitete das Schreiben sowie die Zollquittung an Hugo Ficke weiter und informierte ihn, die Sammlung stamme von seinem Freund Dr. Richard Kuenzer, Kaiserlicher Vizekonsul in Johannesburg. Zusammengestellt habe die Sammlung jedoch Herr Georg Nathan, "Director der General Mining & Finance Corporation in Johannesburg" (ebd., Brief von Fischer an Ficke vom 10.1.1912). Ficke berichtete etwas später dem Stadtrat, man habe von den genannten Herren eine wertvolle Sammlung von den "M'tyopie-Kaffern" aus Gaza-Land, Portugiesisch Mozambique, erhalten (SAF C3 241/3, Nachricht von Ficke an den Stadtrat vom 22.2.1912).

Dem Zollverzeichnis zufolge bestand die Sendung u.a. aus einem "Negerxylophon" mit vier Schlegeln, Körben, Keulen, Äxten, Federschmuck und "Negerschmuck". Die Gegenstände sind noch heute fast komplett im Museum vorhanden, teilweise in der Dauerausstellung ausgestellt, und bilden eine wirklich interessante Sammlung, die im Gegensatz zu vielen anderen aus dieser Zeit nicht vorwiegend aus Waffen, sondern vor allem aus Alltags- und Haushaltsgegenständen besteht. Bereits auf dem Weg in den Orient erreichte Hugo Ficke in Rom ein aus Freiburg nachgesandter Brief von Richard Kuenzer aus Johannesburg. Darin weist dieser darauf hin, dass er die Schenkung lediglich nach Freiburg vermittelt habe, der Schenker, der auch die Frachtkosten getragen habe, sei in jedem Fall Herr Nathan, dem der ganze Dank gebühre. Ficke schrieb daraufhin an Oberbürgermeister Winterer, erklärte ihm die Lage und bat ihn zu veranlassen, dass nach Kuenzer auch Herrn Nathan offiziell gedankt werde, da, so Ficke in seiner praktisch-geschäftsmännischen Art, "derartige Herren gewöhnlich großen Wert auf solche Anerkennungen legen", und Nathan in der Lage wäre, dem Museum auch weiterhin Zuwendungen zu machen (SAF C3 241/3 Brief von Richard Kuenzer an Ficke vom 12.2.1912; ebd., Brief von Hugo Ficke aus Rom an Oberbürgermeister Winterer vom 6.3.1912).

Mit Richard Kuenzer als Vizekonsul in Johannesburg und Georg Nathan als Direktor einer Bergbau und Finanzierungsgesellschaft stand das Freiburger Museum für Natur- und Völkerkunde wiederum mit seinerzeit nicht unbedingt in der Öffentlichkeit bekannten, aber doch auf hoher Ebene wichtigen und einflussreichen Männern in Verbindung. Denn das Deutsche Reich betrieb in Südafrika und in der Burenrepublik Transvaal eine außenpolitisch ziemlich brisante und finanz- und innenpolitisch bedeutende Interessenspolitik. Über Georg Nathan konnte nur wenig weiteres in Erfahrung gebracht werden, während sich über Richard Kuenzer Archivmaterial fand (Die Personalakte des Berufsdiplomaten Richard Kuenzer befindet sich im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Bonn. Für die Zusendung kurzer Auszüge bedanke ich mich bei Herrn Dr. Biewer). Nach 1886, im zweiten Südafrika-Boom, der auf die Entdeckung der Goldlager am Witwatersrand, Transvaal, erfolgt war, hatten deutsche Banken mit mehreren Millionen Mark in verschiedenen Unternehmen des Goldbergbaus investiert, so die Deutsche, die Dresdener und die Darmstädter Bank. Dahinter stand u.a. die Absicht, das Monopol britischer Firmen auf den Welt-Goldhandel zu brechen, um beim Import von Gold den Londoner Markt umgehen zu können. Als Goldwährungsland hatte das Deutsche Reich daran ein enormes Interesse. Ende 1895 waren die deutschen Investitionen allein in Transvaal mit angeblich 500 Millionen Mark so hoch wie 1914 in allen deutschen Kolonien zusammen (Stoecker (Hg.) 1991:103ff). Der Präsident von Transvaal, Krüger, hatte 1884 den Kaiser besucht, wobei ein Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen dem Reich und der Burenrepublik geschlossen worden war. Deutsche Konzerne und Kapital-Gesellschaften bauten die Bahnlinie von Pretoria nach Delagoabai im portugiesischen Moçambique, waren an der Nationalbank und der staatlichen Münze von Transvaal beteiligt und betrieben dort für den Bergbau wichtige Kraftwerke, Sprengstoff- und Zementfabriken. Mit einem Gesamtkapital von 1,25 Millionen englischen Pfund war, wie erwähnt, auch die Dresdener Bank im Geschäft (ebd.), und zwar, in Zusammenarbeit mit G. & L. Albu, London, inform jener General Mining and Finance Corporation, deren Direktor Georg Nathan war.

Ab 1893 begannen die Burenrepubliken damit, aus Deutschland massiv Waffen zu importieren. Während die Londoner Zeitungen Alarm schlugen, wurde Portugal, das beim Deutschen Reich wie bei England hoch verschuldet war, von den Deutschen unter Druck gesetzt, dem Drängen Englands auf eine Übergabe der Delagoabai nicht nachzugeben. Als schließlich Cecil Rhodes mit einer Söldnertruppe von Rhodesien aus auf Pretoria marschierte, traf Deutschland Vorbereitungen zu einer militärischen Intervention. Dank der deutschen Waffen schlugen die Buren die Invasion alleine zurück, doch trotzdem war der Deutsche Kaiser bereit, das deutsche Protektorat über Transvaal auszurufen. Nur mit Mühe konnte er davon überzeugt werden, das dies unter Garantie einen Krieg mit England bedeutet hätte, den, angesichts der Kräfteverhältnisse der Seestreitkräfte, Deutschland jedenfalls verloren hätte. Richard Kuenzer trat seine erste Dienststelle in Südafrika beim Generalkonsulat in Kapstadt erst 1906 an. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die geschilderten Ereignisse einige Zeit zurücklagen, dürfte die Rolle eines deutschen Diplomaten in Südafrika immer noch von großer politischer Bedeutung gewesen sein. Denn das Verhältnis zu England war nach wie vor gespannt, ebenso waren die deutschen Interessen in Südafrika nicht geringer geworden.

Richard Heinrich Maria Kuenzer wurde 1875 als Sohn des Fabrikanten Heinrich Kuenzer und dessen Frau Ida, geb. Freiin von Beust, in Freiburg geboren. Nach Militärdienst und Studium in Freiburg/Schweiz, München und Freiburg promovierte er 1903 zum Dr. jur. in Freiburg und trat als Anwärter für die konsularische Laufbahn ins Auswärtige Amt ein. Ab 1904 tat er Dienst an den Konsulaten in Paris, Kapstadt und Lourenço Marques, von Juli 1909 bis Ende 1912, die Zeit in der er sich über seine Verbindungen für das Freiburger Völkerkundemuseum einsetzte, leitete er mit Unterbrechungen vertretungsweise das Deutsche Konsulat in Johannesburg. Bis 1914 war er Konsul in Sansibar. Zunächst eingezogen schied er nach dem ersten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs als Hauptmann d.R. aus, war kurze Zeit Wahlkonsul in Lugano und schließlich Konsulatsleiter in Drama, Mazedonien, wo er im April in britische Kriegsgefangenschaft geriet. Ende 1919 kehrte er aus Malta nach Deutschland zurück und war, wiederum kurz, Konsulatsleiter in Innsbruck, dann Referatsleiter im Auswärtigen Amt. 1923 wurde er in den einstweiligen Ruhestand versetzt, 1933 in den dauernden. In der Zwischenzeit hatte er sich mit Gerda Gräfin zu Inn- und Knyphausen verheiratet und war politisch-literarisch sowie als Devisenberater tätig. 1940 bis 1942 unternahm er mehrer Auslandsreisen als Sonderkurier des Auswärtigen Amtes. Im Juli 1943 wurde er verhaftet und in das Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin verbracht, bis August 1944 war er im Konzentrationslager Ravensbrück, dann im Berliner Justizgefängnis, Lehrter Straße, inhaftiert. Am 14.12.1944 wurde er "wegen Beteiligung an den Vorgängen, die mit dem Attentat auf den Führer am 20. Juli 1944 in Zusammenhang stehen" aus dem Verhältnis eines Ruhestandsbeamten ausgestoßen. In der Nacht vom 23. zum 24. April 1945 wurde Richard Kuenzer von einem SS-Kommando aus dem Gefängnis geholt und ermordet. (Alle biographischen Angaben zu Richard Kuenzer folgen dem Archivmaterial des Auswärtigen Amtes. Die in Anführungszeichen gesetzte Passage ist ein wörtliches Zitat aus dem tabellarischen Lebenslauf von Kuenzer und dort bereits als Zitat gekennzeichnet, könnte also aus den Original-Akten der entsprechenden nationalsozialistischen Behörde stammen)

Fortsetzung (Teil III): Karl Sauer, Eugen Fischer