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Bericht vom Vortrag von Prof. Wolfgang Michael in der Akademischen Gesellschaft Freiburg, Teil 1

Ein Originalexemplar dieses Artikels befindet sich im Universitätsarchiv Freiburg, NL 29/9

Breisgauer Zeitung. Freiburg. No. 296, Donnerstag, 20. Dezember 1900, Seite 1

Die Kolonialpolitik des großen Kurfürsten
I

Als im Jahr 1884 die Offiziere des deutschen Kriegsschiffes „Sophie“ an der Küste von Guinea landeten, erregte ein scharfkantiges Gemäuer, der Bauart nach heimatliches Werk, ihre Aufmerksamkeit. Es waren Ueberreste eines Forts jetzt von mächtigen Mangobäumen beschattet. Sie standen vor den Ruinen altbrandenburgischer Kolonialpolitik, die verheißungsvoll angefangen, traurig geendet hatte. Hier erhob sich einst Groß-Friedrichsburg und das kurfürstliche Banner (Der rote Adler im weißen Delf) wehte von den Wällen der Feste und brandenburgische Kanonen lugten, als Wächter der jungen Kolonie, in diese fremdartige Welt. Diese wenigen Ruinen waren Wiege und Grabstätte zugleich einer frohgemut, aber mit ungenügenden Mitteln unternommenen Unternehmung.

Man hatte es lange Zeit vergessen, daß der große Kurfürst, wie er der Zukunft in vielen Plänen und Handlungen vorausgriff, so auch eine deutsche Kolonialpolitik einleitete. Dies konnte nur vergessen werden, weil auch die Spuren der Unternehmungen verloren gegangen waren und keine Nachwirkung übrig blieb. Wenn nun aber auch die überseeischen Aktionen unserer Zeit ganz neu beginnen mußten, also an das Vorbild der vergangenen Epoche nicht praktisch anknüpfen konnten, so haben sie doch die Erinnerung an jene Versuche des siebzehnten Jahrhunderts wieder wachgerufen. Und gar das Stadium, in welches die deutsche Weltpolitik in allerjüngster Zeit trat, lenkt den Blick auf jene halb vergessenen Thatsachen zurück. So war es denn ein dankbares Thema, welches sich Hr. Prof. Dr. Michael zu seinem Vortrag in der „Akademischen Gesellschaft“ gewählt hatte: „Die Kolonialpolitik des großen Kurfürsten.“

Friedrich Wilhelm hatte mehrere Jahre seiner Jugend in Holland zugebracht, dessen Handelsmacht damals noch die eines jeden andern Staates überwog. Von den dort gewonnen Erfahrungen nun leitete der Fürst den Grundsatz ab, daß Seefahrt und Handel „die fürnehmsten Säulen eines Staates“ seien; also nicht Abenteuersucht, sondern ökonomische Erwägungen gaben den überseeischen Unternehmungen des großen Kurfürsten den Anstoß. (Wie auch die Stimmung der Zeit den kolonialen Plänen entgegenkam, wurde vom Vortragenden aufs Anregendste geschildert). Eine der ersten Stützen für das mutige Beginnen, eine tüchtige Kriegsmarine, war schon vorhanden. Man hatte sie auf folgende Weise gewonnen. Benjamin Raule, ein Rheder aus Middelburg in Seeland, hatte sich im Jahr 1675 bei Ausbruch des brandenburgisch-schwedischen Kriegs dem Kurfürsten mit einer Anzahl Schiffe zur Verfügung gestellt und in der That war es ihm gelungen, die Feinde Kurbrandenburgs von der pommerschen Küste fernzuhalten. Die so bewährten Fahrzeuge wurden nachher vom Kurfürsten angekauft und mit Hilfe anderer Erwerbungen ward so eine brandenburgische Marine geschaffen*).*) Ursprünglich waren es 3 Fregatten mit 48 und 2 kleine Fahrzeuge mit 16 Kanonen. Die erweiterte Flotte zählte 1684 schon 35 große und 40 kleine Schiffe mit zusammen 290 Geschützen.

Der Friede von St. Germain machte die Kräfte, welcher der Krieg beschäftigt hatte, mit einem Male frei, und Friedrich Wilhelm gewann Raum für seine transatlantischen Pläne. Raule insbesondere war es, der diese Lieblingsgedanken des Fürsten in steter Bewegung zu halten wußte, und der auch (da im Staate Friedrich Wilhelms kein Kapital für die kolonialen Unternehmungen flüssig werden wollte) seine Landsleute, Holländische Kaufherrn, zur Mitwirkung heranzog. Wie immer, wo neue Aussichten sich eröffnen, fehlte es auch hier an Projekten nicht: Da wollte Einer in Pillau sich auf den Schiffbau verlegen; ein Andrer bewarb sich um Kaperbriefe gegen die Chinesen, und bei dieser Gelegenheit tauchte auch der Gedanke auf, unter kurbrandenburgischer Flagge mit der westafrikanischen Küste in Handelsverbindungen zu treten. Für das letztere nun entschied sich der Kurfürst und so wurden, um eine deutsche Niederlassung zu gründen, 1681 zwei Schiffe mit 20 „guten, gesunden Musketieren“, sowie 2 Unteroffizieren nach Guinea entsandt. Die Unternehmung des einen Schiffes scheiterte an der Eifersucht Hollands. Niederländische Fahrzeuge nahmen das kurbrandenburgische einfach weg, und machten die Mannschaft zu Gefangenen. Alle Bestrebungen des großen Kurfürsten aber, zu seinem Rechte zu kommen, schlugen fehl. Umso mehr Glück nun hatte die Aktion seines andern Schiffes. Der Besatzung gelang es, sich auf dem Berge Manfro unweit der Küste festzusetzen und es wurden mit drei Häuptlingen des Landes günstige Verträge abgeschlossen.

In Berlin war darüber großer Jubel und im März 1682 erfolgte die Gründung der „Afrikanischen Kompagnie“ durch den Kurfürsten*) [Fußnote: *) In der Gründungsakte heißt es: „Demnach Wir erwogen, wie daß der höchste Gott einige Unserer Landen mit wohl gelegenen Seehäfen beneficiret, und dannenhero Vorhabens sein, unter anderen Mitteln, so wie zur Verbesserung der Schiff Fahrt und des Commercii, als worin die beste Aufnahm eines Landes bestehet, einzuführen bedacht, vermittelst Göttlicher Hülfe und Segens, eine nach der in Africa belegenen so genannten Guineischen Küste handelnden Kompagnie aufzurichten und zu stabilisieren, welche unter Unserer Flagge Autorität und Schutz den Handel an freye Orte daselbst treiben sollen und mögen“]

Im gleichen Jahre nun schickte Friedrich-Wilhelm den Major Otto Friedrich von der Gröben nach Guinea, welcher sich denn auch seiner Mission äußerst geschickt entledigte, von dem erworbenen Platze Besitz nahm, den eifersüchtigen Holländern energisch Widerpart leistete und ein gutes Einvernehmen mit den Eingeborenen herstellte. „Unter Pauken- und Schalmeien“ (wie es in einem Berichte heißt) hatte v. d. Gröben das Banner Brandenburgs auf dem Berg Manfro gehißt; bald erhob sich hier, zum Schutz der neuen Kolonie, eine Feste die zu Ehren des Kurfürsten den Namen Groß Friedrichsburg führte...

Viel Originelles erfuhr man aus den Ausführungen des Vortragenden über den Verkehr v. d. Gröbens mit den Eingeborenen. Zur Bekräftigung der Verträge mußte ein Getränke genossen werden, dessen Mischung aus Banntwein und – Schießpulver bestand. „Ich hatte sechs Wochen daran genug.“ Aus diesen Worten Gröbens mag man die Eigenschaften des seltsamen Tranks ermessen. - Nicht nur, daß die Besatzung gegen ein heftiges Fieber kämpfen mußte, auch der Angriff mehrerer Tausend feindlicher Neger machte ihr zu schaffen. Beider Feinde war die tapfere Schar Herr, und die schließliche Flucht der Schwarzen konnte Gröben dann damit erklären, daß sie „das grobe Geschütz nicht vertrügen“.

Als ein gutes Zeichen für die freundliche Beziehung der Besatzung zu einem großen Teil der Eingeborenen konnte es gedeutet werden, daß die Häuptlinge einen der Ihrigen nach Berlin sandten zur Bekräftigung der eingegangenen Verträge. Der Name des in Berlin natürlich viel angestaunten Gastes war Janke, was fast den Anschein erwecken könnte, als sei sein Träger mit Spreewasser getauft worden. Dieser Besuch erfolgte 1684. Im gleichen Jahr geschah die Erwerbung eines zweiten Platzes durch die Deutschen – Accada. Nach Ablauf kurzer Zeit kamen Taccary und Taccrama hinzu. Fast gleichzeitig setzte man sich in den Besitz von Arguin, einer Insel an der Senegalmündung, welche zuletzt Eigentum der Franzosen gewesen, aber von diesen freiwillig verlassen worden war. Von großem Vorteil für die brandenburgische Gesellschaft war die Gründung einer Handelsniederlassung auf St. Thomas in Westindien, indem die Kompagnie einen gewinnbringenden Handel namentlich mit Sklaven nach dem Westen eröffnen konnte.
Der Sitz der afrikanischen Gesellschaft war bis dahin Pillau gewesen, aber es empfahl sich immer mehr, eine der Nordsee näher gelegene Stätte zu wählen, und da der Kurfürst an jener Küste keinen Hafen sein eigen nannte, so fiel die Wahl auf das in ostfriesischem Gebiet gelegene Emden. Wieder hatte auch der unternehmungslustige Raule seine Hand im Spiel. Er verstand es unter lockenden Verheißungen die ostfriesischen Stände zum Eintritt in die Kompagnie zu bewegen. Nur zu bald stellte sich freilich heraus, daß Raule mehr versprochen hatte, als gehalten werden konnte. Um die überseeischen Verbindungen gewinnbringend zu nützen, hätten ganz andere Hilfsmittel angewendet werden müssen, als die Afrikanische Kompagnie sie besaß. Die 48,000 Thaler, mit denen man die Gesellschaft ins Leben gerufen hatte, waren nur mit vieler Mühe zusammengebracht worden. Ein wesentlich stärkeres Fundament hatte die Kompagnie seither nicht erhalten. Wenn auch der Kurfürst von Köln, ganz begeistert von der Kolonialpolitik des energischen Brandenburgers, 24,000 Thaler zum Kapital warf, so war der schwierigen Lage der Gesellschaft damit noch nicht abgeholfen. So kam man auf die an sich nicht unglückliche Idee, durch eine zweite Unternehmung jene erste zu kräftigen: man bereitete die Gründung einer ostindischen Kompagnie vor; aber da das Kapital auch diesmal wieder im Ausland gesucht werden mußte, konnte die neue Gesellschaft nur wieder von Anfang den Todeskeim in sich tragen. Die afrikanische Gesellschaft war also von ihrem Siechtum nicht zu retten und den weitsichtigen Plänen des Kurfürsten stand ein tragisches Schicksal bevor.

W. Sch.


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