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Bericht vom Vortrag von Prof. Wolfgang Michael in der Akademischen Gesellschaft Freiburg, Teil 2

Ein Originalexemplar dieses Artikels befindet sich im Universitätsarchiv Freiburg, NL 29/9

Breisgauer Zeitung. Freiburg. No. 297, Freitag, 21. Dezember 1900, Seite 1

Die Kolonialpolitik des großen Kurfürsten
II

Längst sahen Holland, Spanien und England mit Groll, wie Kurbrandenburg sein siegreiches Banner auch auf der See entfaltete und es dauerte nicht lange, bis der offenkundige Mismut in Feindseligkeit überging. Unterdessen fristete die westafrikanische Kolonie ihr Dasein kümmerlich weiter, noch immer mehr von fremder als von deutscher Kapital- und Arbeitskraft unterstützt. Die Handelsthätigkeit der Afrikanischen Kompagnie war trotz aller Regsamkeit doch nicht das, was man erwartet hatte. Wenn auch im Verkehr mit Guinea an einzelnen Gegenständen schöne Gewinne erzielt wurden (z.B. an Gewehren 130 bis 180 Prozent, an Branntwein 190, an Glasdosen 550 %), so wollte das Geschäft doch keine rechte Ausdehnung gewinnen. Der Rückschritt der Kolonie trat deutlich genug in die Erscheinung. Die kommerzielle Lage beispielsweise von Arguin (der 1685 erworbenen Insel) kann treffender kaum gekennzeichnet werden als durch einen Ausspruch der deutschen Kolonialbeamten. Auf die Frage nämlich, was sie dort eigentlich gethan hätten, sagten sie: Geschlafen, einander angeschaut, spazieren gegangen (wobei bemerkt werden muß, daß man die Insel in Zeit von 1 ½ Stunden bequem durchschreiten kann), bisweilen gefischt und immer in der Hoffnung gelebt, einmal wieder ein Schiff zu Gesicht zu bekommen...

Zu den einträglichsten Geschäftszweigen der Afrikanischen Kompagnie hatte immer der Sklavenhandel gehört, ja dieser bildete geradezu das Fundament der Gesellschaft. Er ward damals ganz allgemein betrieben, wiewohl das Gefühl für das Unmenschliche dieses Handels sich schon in manchen Kreisen Bahn gebrochen hatte. Hr. Prof. Dr. Michael, dessen Ausführungen in der „Akademischen Gesellschaft“ wir hier folgen, citirte eine zeitgenössische Aeußerung des Unwillens über jene Gepflogenheit. Auf den großen Kurfürsten falle übrigens kein Vorwurf, weil er diesen Handelszweig begünstigte, denn mit einer Aufhebung desselben sei nur der Afrikanischen Kompagnie der Boden entzogen und wäre den Konkurrenten in die Hände gearbeitet worden. Uebrigens war auch mit diesem Handel die Kolonie nicht zu halten. Immer wieder stellte Raule den nur zu richtigen Satz auf, daß man dergleichen Unternehmungen nicht mit Bagatellen durchführen könne. Umsonst! Der Unternehmungsgeist der deutschen Geschäftsleute konnte nicht auf das Ziel des Kurfürsten gelenkt werden.

Noch zu seinen Lebzeiten (1687) ging Taccarary verloren, also schon zwei Jahre nach der Besitzergreifung, aber Friedrich Wilhelm war, obwohl in den Kolonien Alles den Krebsgang ging, nicht zu bewegen, seine Lieblingsschöpfung aufzugeben. Jenes Platzes hatten sich die Holländer bemächtigt, bald danach rissen sie einen zweiten an sich. Durch nichts wurden die letzten Lebenstage des Kurfürsten so sehr verbittert wie durch die niederländische Gewaltthat, die er doch nicht abzuwenden, nicht einmal zu vergelten vermochte, denn am 9. Mai 1688 schied Friedrich Wilhelm aus dem Leben. Die eine Genugthuung ward ihm noch, daß die angesehenste unter den niederländischen Handelsstädten, Amsterdam, sich offen für seine gerechte Sache aussprach. Die letzte Parole, welche der große Kurfürst für seine Potsdamer Schloßwache ausgab, hieß denn auch „Amsterdam!“.

Der Nachfolger des großen Kurfürsten, Friedrich I., nahm dessen Kolonialpolitik allerdings in sein Regierungsprogramm mit auf, aber bei ihm handelte es sich in dieser Frage wie in vielen andern vielleicht mehr um eine Repräsentation, wiewohl er den Grundsatz aussprach, daß das „Kommerzienwesen zu konservieren sei.“ Mit den Kolonien war übrigens längst nicht mehr zu glänzen. Da man ihnen keine neuen Kräfte zuführen konnte, zerfielen sie zusehends und außerdem gerieten sie durch die Feindseligkeiten der eifersüchtigen Nachbarschaft in immer größere Bedrängnis.

König Friedrich Wilhelm I. kam – es war im Jahr 1713 – auf den preußischen Thron und damit trat auch eine andere Staatspraxis als die von seinem Vorgänger geübte die Herrschaft an. Der oberste Grundsatz dieses unermüdlichen Volkswirts war, daß die Kräfte des Staats möglichst innerhalb seiner Grenzen nutzbar gemacht würden. Der König besaß zudem sehr wenig von dem hochgespannten Idealismus des großen Kurfürsten, dafür bewahrte ihn seine nüchterne Denkungsweise, sich vom schönen Schein einer verlorenen Sache zu nutzlosen Opfern verleiten zu lassen. Kein Wunder, wenn dieser Mann das koloniale Erbe wie eine nutzlose Last abwarf, wiewohl sich für maritime Unternehmungen eine bessere Aussicht dadurch eröffnete, daß Stettin und die Odermündung unter seiner Herrschaft frei wurden. Am 22. November 1717 trat Friedrich Wilhelm I. seine sämtlichen afrikanischen Besitzungen um die Summe von 7200 Dukaten an die holländisch-westindische Kompagnie ab. Die brandenburgische Kolonialpolitik war zu Ende. Um die gleiche Zeit erfolgte auch die Auflösung der Flotte, welche zudem seit dem Tod ihres Begründers Benjamin Raule (1707) ihren eigentlichen Halt verloren hatte. Im Jahr 1720 verschwand dann die preußisch-brandenburgische Flotte von allen Meeren *). [Fußnote: *) Raule hatte noch ein merkwürdiges Schicksal erleben müssen. Unter König Friedrich I. war es seinen Feinden und Neidern gelungen, ihn zu verdächtigen und so ward der rührige Mann von 1688 bis 1690 und noch einmal von 1698 bis 1702 in Spandau gefangen gehalten. Da ihm aber eine unrechte Handlung nicht nachgewiesen werden konnte, ließ man ihn wieder frei.]

Mehr als 160 Jahre mußten vergehen, ehe man den Kolonialgedanken wieder aufnahm. Mit andern Kräften und Mitteln und unter ungleich günstigeren Bedingungen kann heute dem Ziel zugestrebt werden, welches der Kurfürst seinem Auge vorschweben sah. Deutschland verfügt vor allem über prächtige Häfen, und es fehlen unserer Zeit weder der weite Blick noch der wagende Geist. Die kolonialen Pläne des großen Kurfürsten aber (damit schloß Hr. Prof. Michael seine Ausführungen über dies Thema) stellen wir höher, als ob sie nur eine Verirrung wären. Zum Mindesten sind sie uns eine dankbare Erinnerung.

W. Sch.


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