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Pressedokumentation:

Kolonialdebatte zwischen Bismarck, Richter, Woermann, Bamberger u.a. im Reichstag; Verfrühte Meldung zu Vorlage gegen Sklavenhandel, Brief von Stanley, Amerikaner senden Korvette Trenton nach Samoa

Freiburger Zeitung, 17.01.1889 (Tagesausgabe), 1. Seite

Eine Kolonialdebatte im Reichstage.

Berlin, 15. Jan. Der Reichstag genehmigte in dritter Lesung den Gesetzentwurf über die Kontrolle des Reichshaushalts und des Landehaushalts für Elsaß-Lothringen. Sodann wurde die zweite Berathung des Etats fortgesetzt und zunächst der Etat des Auswärtigen Amtes verhandelt. Bei Titel 98 (Generalkonsulat in Sansibar) behauptete Richter, ein großer Theil der Schuld, an den Wirren in Ostafrika, treffe die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft; auch den Generalkonsul treffe aber ein Theil der Schuld, denn er habe den Vertrag vom April 1888 vermittelt und als Bevollmächtigter der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft abgeschlossen. Der Generalkonsul hätte wissen müssen, daß die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft nicht im Stande war, den Vertrag zu erfüllen und Hoheitsrechte auszuüben. Sie besaß nur 3000000 M. und von diesen nicht eine Million in realisierbaren Werthen. Die Berichte des Generalkonsuls machen, wie der Redner behauptet, keinen guten Eindruck. Es frage sich sehr, ob, wenn noch ein Vicekonsul hinzutritt, die Dinge nicht noch schlimmer werden. Außerdem solle noch ein Reichskommisär hinzukommen. Er halte es für sachgemäßer, die Entscheidung hinauszuschieben, bis man sich über die angekündigte ostafrikanische Vorlage verständigt habe, und beantrage, den Posten von der Tagesordnung abzusetzen. Der Reichskanzler betritt um 1¾ Uhr den Saal. Derselbe rechtfertigte die Position. Er bemerke, er wolle heute auf die Kolonialpolitik nicht eingehen, sondern werde bei der Berathung der ostafrikanischen Vorlage, deren Einbringung im Bundesrath unmittelbar bevorsteht, sprechen. Darauf wurde die Position genehmigt.

Woermann tadelte die Royal-Niger-Company, welche das deutsche Handeslinteresse, namentlich in Lago, schädige, und verlangt, die deutsche Regierung möge bei der englischen darauf hinwirken, daß die Privilegien der Gesellschaft nicht ausgedehnt werden.

Der Reichskanzler erwidert darauf, daß an die englische Regierung kein derartiges Verlangen gestellt werden könne, übrigens werde man alles zum Schutze der deutschen Interessen thun. Der Redner möge versuchen, die engl. Presse für die Sache zu gewinnen. Staatssekräter Graf Bismarck bezeichnet die Beschwerde gegen die Royal-Niger-Company als in vielen Punkten unerwiesen. Auf eine Anfrage Richters, ob in den deutschen Schutzgebieten in Westafrika Sklavenhandel und Sklavenarbeit wäre, erwiderte der Reichskanzler, die seit Jahrtausenden bestehende Sklavenarbeit lasse sich nicht auf einmal unterdrücken. Es sei äußerst bedenklich, auf die Sklavenarbeit ohne weiteres zu verzichten. Man würde das deutsche Interesse schwer gefährden und das Ausland gegen Deutschland aufbringen. Das könne nicht die Absicht Richters sein, wenn auch dessen Presse alles patronisiere, was dem Vaterland Verlegenheit und Verwicklungen zu bereiten geeignet sei. Er habe nur das Wort ergriffen, um zwischen dem Vorredner und jener vaterlandslosen deutschfeindlichen Presse eine Scheidewand zu ziehen. (Beifall)

v. Kardorff hob hervor, Deutschland dürfe in der Kolonialpolitik vor Opfern nicht zurückschrecken, wenn es in der Welt etwas gelten solle.

Woermann bezeichnet Richters Ausführungen als vielfach aus Unkenntnis der Verhältnisse hervorgegangen, da bereits in den deutschen Kolonien hohe Zölle auf Branntwein, sowie auf die Waffeneinfuhr bestehen. Die deutsche Kolonialpolitik leide weniger an Geldmangel als an Personenmangel. Bei einigen Erfolgen würde sich dies schon ändern, man müsse nur die Geduld nicht verlieren und nicht mit Schadenfreude jedem Mißerfolg gegenüber stehen.

Richter will die Ausführungen Woermanns mit Vorsicht aufgenommen wissen, da derselbe interessirt sei. Was der Reichskanzler von der vaterlandslosen Presse gesagt, lasse ihn unberührt. Die freisinnige Partei sei stolz darauf, in Deutschland eine Presse zu besitzen, welche auch hochgestellten Persönlichkeiten die Wahrheit sage.

Der Reichskanzler wiederholt, daß die Lösung der Sclavenfrage außerordentlich große Schwierigkeiten biete und sich nicht plötzlich herbeiführen ließe; übrigens sei er auch für eine freie unabhängige Presse, vorausgesetzt, daß diese die Wahrheit sage, was aber die von ihm charakterisirte Presse nicht thue.

Stöcker wünscht die befreiten Sclaven den Missionen zu überweisen und die Schnappseinfuhr einzudämmen. Die Besoldung für die Beamten in Kamerun, sowie die übrigen Titel des Ordinariums wurden darauf bewilligt.

Bamberger erklärte sich gegen den verlangten Zuschuß für die Verwaltung der südwestafrikanischen Gebiete.

Reichskanzler Fürst Bismarck führt aus: Wir stehen über die von dem Abg. Bamberger berührten Dinge in Westafrika mit England in Verhandlungen, aber diese würden durch Reden wie diejenige Bambergers auf's erhebliche geschädigt, wenn dieselben scheitern, mache er Bamberger dafür verantwortlich. Daß in jenem Gebiete Intriguenspiele getrieben werden, sei zweifelos.

Wenn dort nichts zu holen wäre, warum befleißigt dann der Engländer sich so großer Anstrengungen? Er habe die Hoffnungen, bei dem befreundeten England Beistand in der Aufrechterhaltung unserer Rechte zu finden. Wenn aber so hervorragende Mitglieder unseres Reichstages unsere dortigen Stellungen als haltlos und unsere als Verträge werthlos erklären, wie soll ich dann England gegenüber meine Stellung begründen? England werde sich auf diesen Patriotismus berufen. Der wirkliche Patriotismus hätte warten müssen, bis die Verhandlungen mit England weit genug gediehen.

Bamberger bestreitet anders als Bekanntes gesagt zu haben. Er glaubt dem Vaterland zu dienen, wenn er vor den abenteuerlichen Unternehmungen warne.

Der Reichskanzler konstatirt, daß die Verhandlungen mit dem Ausland durch die Ausführungen Bambergers schwer geschädigt werden, da derselbe auf die Werthlosigkeit des Unternehmens und die Haltlosigkeit der Verträge hinweise.

Kardorff wirft Bamberger vor, durch falsche Behandlung der Samoafrage, die heutigen Verlegenheiten hervorgerufen zu haben, was Bamberger zurückweist.

Richter betont das Recht des Reichstags, Auskunft zu verlangen, sobald es sich um neue Ausgaben handle, und weist den vom Reichskanzler erhobenen Vorwurf der „Reichsfeindschaft“ zurück. Der Reichstag und das deutsche Volk dürfen nicht auf Abenteuer ausgehen.

Der Reichskanzler kritisirt scharf das Verfahren der Opposition, welche nur Kritik übe, während er die Verantwortlichkeit zu tragen habe, und weist auf England hin, wo die Opposition ungeeignete Angriffe unterlasse. Sobald aus Samoa Berichte eingegangen sein würde, werde er dieselben vorlegen. Der Reichskanzler wiederholt nochmals, daß Bamberger durch seine Zweifel an der Rechtsgiltigkeit des Vertrags mit Kamaherero die diplomatischen Schritte Deutschlands mit England gestört habe.

Sämtliche Positionen werden daraufhin genehmigt. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr; Tagesordnung: Fortsetzung der Etatsberathung.


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Freiburger Zeitung, 17.01.1889 (Tagesausgabe), 2. Seite

Deutschland.

- Die „Nordd. Allg. Ztg.“ schreibt: „Die von der „Post“ gebrachte Nachricht, welche wir gestern wiedergegeben haben, daß die Vorlage betreffend die Bekämpfung des Sclavenhandels in Ostafrika an den Bundesrath gelangt sei, ist verfrüht. Nach unseren Information befindet sich die Vorlage noch im Zustande der Vorberathung, weil es sich als nothwendig ergeben hat, weiteren Erhebungen zu machen und namentlich mit der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft wegen ihrer civilrechtlichen Ansprüche aus dem Vertrage mit dem Sultan von Sansibar in erneute Verhandlungen einzutreten.“

(...)

Großbritannien.

London, 12. Jan. Eine Brüsseler Depesche der „Times“ meldet das in Sansibar erfolgte Eintreffen des Schreiben Stanley's an den König Leopold der Belgier, welches in Abwesenheit des belgischen General-Konsuls dem englischen General-Konsul übergeben wurde. Ueber den Inhalt des Briefes kann natürlich noch nichts verlauten, da man dessen Ankunft in Brüssel erst in vierzehn Tagen erwartet.

London, 15. Jan. Aus Sualin wird gemeldet, daß bei einem Scharmützel mehrere Araber getödtet wurden.

(...)

Amerika.

Newyork, 15. Jan. Admiral Kimberley, Befehlshaber des Geschwaders in der Südsee erhiehlt Befehl, mit der Korvette „Trenton“, welche sich gegenwärtig in Panama befindet, nach Samoa zu gehen. Mehrere andere Schiffe werden nach Panama gesendet, da dort Unruhen befürchtet werden.


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