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siehe auch zum Thema:

Thomas Morlang: Askari und Fitafita. „Farbige“ Söldner in den deutschen Kolonien Zur Rezension

Joachim Zeller: Stolperstein für Mahjub bin Adam Mohamed am 14.09.2007 in Berlin verlegt Zum Bericht

Bayume Mohamed Husen bei Wikipedia

 

Marianne Bechhaus-Gerst: Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen. Eine Lebensgeschichte

„Treu bis in den Tod“ lautet der mehrdeutige Titel einer von der Kölner Afrikanistin Marianne Bechhaus-Gerst verfassten Biografie von Mahjub bin Adam Mohamed. Damit greift sie zunächst einmal den Mythos der treu ergebenen Askaris auf, also der schwarzen Söldner in deutschen Kolonialdiensten, die den Deutschen bis zum Letzten gedient haben sollen. Dieser Mythos ist insbesondere mit dem Kampf der „Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika“ unter von Lettow-Vorbeck gegen die britische Armee im Ersten Weltkrieg verbunden. Im Falle Mohameds (alias Bajume Mohamed Hussein alias Bajume Mohamed Husen) bekommt dieser Titel jedoch noch weitere Bedeutungen.
cover Bechhaus-Gerst
Die Geschichte beginnt mit Husens sudanesischem Vater, der als Söldner für die so genannte Wissmanntruppe zur Aufstandsbekämpfung in der Kolonie Deutsch-Ostafrika angeworben und in die später gegründete deutsche Schutztruppe übernommen wurde. Husen selbst trat 1914 als 10jähriger ebenfalls in die Schutztruppe ein und wurde alsbald mit dem I. Weltkrieg konfrontiert. Auch wenn er als Signalschüler nicht direkt Dienst an der Waffe tat, so bezeichnet ihn die Autorin aufgrund der überaus gefahrvollen Tätigkeiten richtigerweise als deutschen Kindersoldaten, alles andere sei verharmlosend. Und tatsächlich wurde Husen verwundet, zurückgelassen und geriet in englische Kriegsgefangenschaft.

Er nahm nach dem Krieg Stellen als Kellner auf deutschen, mit Afrika verkehrenden Schiffen an und blieb schließlich 1929 - als einer der ganz wenigen Askari – in Deutschland. Hier hangelte sich der „Lebenskünstler“ mit den verschiedensten Jobs – z.B. als Kellner, Artist der NS-Völkerschau und Swahili-Lehrer - durch, heiratete eine weiße Deutsche und bekam mit verschiedenen Frauen Kinder. Seine Lebenssituation als Afrikaner war einerseits von immer wiederkehrender Diskriminierung geprägt, er erhielt aber auch immer wieder Unterstützung aus Kolonialkreisen. Kennzeichnend für seine Persönlichkeit war, dass er sich keineswegs damit abfand, dass er und sein Vater vom Deutschen Reich als Schutztruppenangehörige um jahrelange finanzielle und symbolische Ansprüche geprellt wurden: Er legte sich mit Behörden an und kämpfte unermüdlich um ausstehenden Sold ebenso wie um die Frontkämpferauszeichnung. Als ihm letztere offiziell verweigert wurde, heftete er sich den Orden selbst an die Brust und posierte damit auch öffentlich.

Er eckte mit dem Pochen auf seine Rechte immer wieder an und entsprach damit einerseits gar nicht dem Bild des subalternen Askaris. Andererseits stellte er sich aber selbst unablässig in den Dienst der kolonialrevisionistischen Bewegung der Weimarer Republik und der NS-Zeit und strickte kräftig am kolonial-rassistischen Askari-Mythos mit. Bechhaus-Gerst zitiert u.a. die Kolonialkrieger-Zeitschrift „Kolonial-Post“, die 1931 schrieb, er sei ein schwarzer „Mitkämpfer aus der Lettow’schen Heldenschar, der einst treu ergeben neben seinem sterbenden Herrn in der Schützenlinie gegen englische Truppen ausgeharrt hatte“ und ein Bild Husens auf einem Titel brachte. 1938 sprach er auf dem Kolonial-Apell der Vereinigung „Kolonialkriegerdank“ – vor dem Hintergrund riesiger Hakenkreuze und einer afrikanischen Landkarte mit den Besitzanspruch verdeutlichenden, hervor gehobenen ehem. deutschen Kolonien. Dies ist angesichts der zunehmenden rassistischen Ausgrenzung sicher grundlegend als Überlebensstrategie zu werten, denn die außenpolitischen Interessen des NS-Regimes (insbesondere dessen neuerliche Kolonialambitionen) boten Husen nachweislich einen gewissen Schutz: Man wollte nicht, dass sich gerade in den ehemaligen Kolonien Berichte über die schlechte Behandlung ehemaliger ‚Untertanen’ verbreiteten.

Doch wird aus der Biografie auch deutlich, dass sich Husen tatsächlich Zeit seines Lebens mit der Rolle des deutschen Askari identifizierte, deshalb die Nähe insbesondere zu den Kolonialkriegervereinen suchte und regelmäßig in Uniform bei deren Veranstaltungen auftrat. Die Autorin bezeichnet dies als ein „erstaunliches Stück Heimat für Mahjub“. Angesichts seines ganzen Werdegangs sei es dann eine Art logischer Konsequenz gewesen, dass er 1939, nachdem er im Radio von Deutschlands Kriegserklärung an England gehört hatte, erfolglos um Aufnahme in die deutsche Truppe bat.

Schließlich bekommt der Buchtitel noch eine dritte tragische Bedeutung, denn Husen bezahlte seine Treue mit dem Leben. Bei den Dreharbeiten als Askari-Darsteller zu dem NS-Kolonialpropagandafilm Carl Peters, ging er wieder ein Verhältnis mit einer Deutschen ein, aus dem ein weiteres Kind hervorging. Er wurde unter dem Vorwurf der „Rassenschande“ denunziert, von der Gestapo verhaftet und 1941 ohne Prozess in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Ende 1944 starb er dort, wahrscheinlich an haftbedingten Krankheiten.

Carl Peters

Plakat: Husen steht hinter dem Hauptdarsteller Hans Albers

Die Autorin hat offensichtlich in jahrelanger mühsamer Recherchearbeit über Bajume Mohamed Husen an Informationen und Bildmaterial alles zusammen getragen, was möglich war. Dankenswerter Weise hat sie dies der Öffentlichkeit mit diesem Buch zugänglich gemacht. Denn es ist ihr angesichts der schwierigen Quellenlage gelungen, ein vielschichtiges Bild von Husens Persönlichkeit, sozialen und politischen Lebensbedingungen zu zeichnen. Darüber hinaus gewinnt das Buch durch die Einflechtung - teilweise deutlich anders verlaufener - afrodeutscher Biografien. Durch die Verbindung des biografischen Ansatzes mit der Darstellung der allgemeinen rechtlichen und Lebenssituation von Schwarzen im nationalsozialistischen Deutschland lässt die Autorin deutlich zutage treten, wie brutal der Rassismus gegenüber Schwarzen war, welche Widersprüchlichkeiten, Instrumentalisierungen und Nischen dennoch zeitweise aufgrund der Kolonialambitionen bestanden und vor allem, dass sich die Opfer diesem Rassismus keinesfalls einfach ergaben. Im September 2007 wurde zu Husens Gedenken ein Stolperstein vor seinem jahrelangen Wohnsitz in der Berliner Brunnstraße verlegt – der erste für ein afrikanisches Opfer des Nationalsozialismus.

Bild 4

Einweihungsfeier des Stolpersteines für Mahjub bin Adam Mohamed. Die Biographin Marianne Bechhaus-Gerst hält eine Gedenkrede (Foto: J. Zeller, 2007).

Heiko Wegmann, September 2008

Marianne Bechhaus-Gerst: Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen. Eine Lebensgeschichte, 208 Seiten, Ch. Links Verlag, Berlin 2007, 24,90 €, ISBN: 978-3-86153-451-8

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