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Friedrich Rosset - Über den aus Freiburg stammenden ägyptischen General-Gouverneur von Darfur (Teil 1)

Freiburger Zeitung, Nr. 84 vom 09.04.1879 (Tagesausgabe), 3. Seite

Lebensbilder aus Afrika

Freiburg im April 1879. Es war in diesen Blättern (vergl. Nro. 208 vom 6. September 1878) schon ein kurzer Bericht über einige Erlebnisse des leider seitdem (den 13. Novbr. 1878) verstorbenen Gouverneurs von Darfur, Friedrich Rosset aus Freiburg i.B. niederlegt. Daran möchten wir heute anknüpfen, um den Lesern aus den uns zur Einsicht mitgetheilten Briefen an seine Eltern dahier die Schicksale unseres Landmanns in den letzten zwei Jahren kundzugeben; es soll aber bei dieser Gelegenheit noch auf einige Einzelheiten bis in’s Jahr 1876 zurückgegriffen werden.
Im Mai 1876 hatten in Chartum (ungefähr unterm 15° nördl. Breite), der Hauptstadt des Sudan und dem früheren Wohnsitze Rossets große Festlichkeiten statt gelegentlich der Rückkehr des Ismaёl Pascha aus der durch ihn für Egypten neu eroberten Provinz Darfur (etwa vom 9. bis 16° n. Br., 22-27° östl. L., wenig kleiner als Spanien), welche Rosset später zu regieren hatte. Der Pascha brachte Rosset eine kleine Negerin aus Darfur mit als Gespielin für dessen Töchterchen.
Im Juni 1876 machte Rosset hierher die Mittheilung, daß der 1862 zuerste von Speke angemeldete, dann von Sir Baker 1864 in seinem nordöstlichen Theil wirklich entdeckte Albert Nyanza-See nun von dem Italiener Gessi, seinem Freunde, schließlich befahren worden sei, wobei sich die ganze Länge des Sees auf 141, die Breite auf 60 englische Meilen bemessen ließ.
Im gleichen Sommer (1876) unternahm Friedr. Rosset mit seinem jetzt hier weilenden Bruder Carl W. Rosset und den Afrika-Reisenden R. Gessi und Dr. Junker auf einem Salondampfer (Ismailia) eine Reise am blauen Nil hinauf (also in der Richtung nach Abyssinien) bis oberhalb Senaar (13-14.° nördl. Breite), der früheren Hauptstadt des Sudan, wobei es sich um Aufsuchung von Bauholz für Dampfschiffe handelte. Das Ziel dieser Reise sollten die großen Urwälder bei Roseres (12° nördl. Br.) an der Grenze von Abyssinien sein.
Der zu hohe Wasserstand des Nils machte aber leider das Project zu nichte. Der stark angeschwollene Strom trieb große Baumstämme gegen das Schiff und ließ ein Weitergehen zu gefährlich, ja unmöglich erscheinen. Die Gegend war übrigens höchst interessant. Urwälder bildeten die Ufer; es war dies das erstemal, daß ein Dampfschiff in diese Richtung gelangte. Bei dessen Ankunft an den Dörfern sprangen die Eingeborenen neugierig am Ufer entlang dem Dampfer nach und bewunderten die Thätigkeit seiner Räder, ließ man aber die Maschine pfeifen, so lief die ganze Bande voller Angst davon.
Die Jagd in dieser Gegend war brillant, Affen (Meerkazen), Papageien u.s.w. in Menge, desgleichen war es keine Seltenheit, Leoparden, Löwen, Hyänen, Nilpferde, Zebras’s, Giraffen, Gazellen, Krokodile u.s.w. zu sehen. Carl W. Rosset unternahm in Begleitung eines Italieners und mehrerer Neger kleine Abstecher, so z.B. von Abu Haras nach dem Fluß Raab (dem östlichsten, von Ambara herkommenden Zufluss zum blauen Nil), ebenso von Saba den Fluß Dinder hinauf ( zunächst westlich vom vorigen) und legte da schöne Sammlungen von Vögeln aller Art, die er selbst präparirte, wie auch von ethnographischen Gegenständen, an.
Lebensmittel, wie Schafe, Hühner, Butter, Eier, Milch sind in jenen Regionen so zu sagen werthlos. Für eine leere Flasche (welche für die Eingeborenen den Werth hatte, ihre wohlriechenden Oele darin länger als sonst duftend erhalten zu können) erhielten die Reisenden 3 Stück Hühner, für 2 leere Flaschen 1 Schaf. Sclaven wurde ihnen zum Kaufe angeboten und zwar junge Knaben für 10-20 Mar. Ther. Thaler ( = 100 Fres. oder 80. Mark), junge Mädchen für 15-30 Thaler.
Ende des Jahres 1876 nahm General-Gouverneur Gordon Pascha behufs einer Reise nach England auf einige Monate Urlaub und ernannte (unterm 27. October) Friedr. Rosset zu seinem Stellvertreter mit ausgedehntesten Vollmachten, vermöge welcher der letztere die ganze Verwaltung der egyptischen Aequatorial-Provinzen unter sich hatte (gewiß ein höchst ehrenhaftes Vertrauenszeugnis Seitens Gordon Paschas). Dies wollte sich namentlich der Gouverneur von Chartum nicht gefallen lassen; laut Befehl von Cairo blieb es aber bei obiger Bestimmung, gemäß welcher Rosset während Gordon’s Abwesenheit in directer Verbindung mit dem Vicekönig (Ryedive) von Egypten stand.
Im Januar 1877 ging Rosset mit einem Regierungsdampfer den weißen Nil hinauf, um den Commandanten Prout, einen Amerikaner (jetzt Colonel Prout Ben) abzuholen, der von Darfur kam und nach den Aequatorial-Provinzen abging. – Wie schon in den Blättern (vergl. Nro. 208 vom 6. Septbr. 1878) erwähnt, wurde Friedr. Rosset im Februar 1875 zum kaiserl. deutschen Vice-Consul ernannt. Im Februar 1877 erfolgte durch die Königin von England die Ernennung Rosset’s zum englischen Vice-Konsul in Chartum. Im Mai desselben Jahres beauftragte ihn General Gordon, für die egyptische Regierung eine Reise Nil abwärts bis Wady-Halfa (2te Nil- Katarakte) und Assuan (1ste Katarakte) zu unternehmen behufs Empfangnahme von sechs großen indischen Elephanten, welche in das Innere Afrika’s bestimmt waren und deren Transport wie auch Bestimmung in der Zeitschrift „Globus“ vom December 1878 ausführlich beschrieben ist. Von Assuan bis Chartum (vom 24°30’ bis 15°30’ nördl. Br.), also etwa 270 Stunden, brauchte die Reise mit diesen Thieren, welchen eine Begleitung von 50 Soldaten und 17 Indiern beigegeben war, 50 Tage; von Dabbe auf directem Weg durch die Wüste gelangte Rosset mit 100 Kameelen und den Elephanten (eine stattliche Karawane!) in 9 Tagen nach Chartum, während Kaufleute auf Umwegen gewöhnlich 12-15 Tage brauchen.
Am 5. November 1877 ging Rosset auf Auftrag Gordon’s in geheimer Mission nach Faschoda (10 ° nördl. Br.). Einen Monat mußte er dort auf Gelegenheit zur Rückkehr warten, wo ihn dann ein vom Gazellenfluß (Bahr el Gazal) kommender Dampfer wieder nach Chartum brachte. In Faschoda, welches er seit seinem Aufenthalte daselbst (Januar 1876) sehr zu seinen Gunsten verändert fand, wurde er sehr freundlich und festlich empfangen. Der frühere Gouverneur, ein wahrer Tyrann, war von Gordon abgesetzt worden und hatte sich aus Furcht vor Strafe vergiftet. Die früher feindlich gesinnt gewesenen benachbarten Schilluck-Neger kamen nun täglich in die Stadt, brachten Heu, Holz, Gummi, Milch. Bei der Vorstellung der Beamten und der Officiere der Garnison fand Rosset aber vermöge des dortigen ungesunden Klima’s schon viele der früher Gekannten nicht mehr unter den Lebenden.
Im Dezember 1877 kam der erste Photograph, ein Deutscher Namens Buchta, der aber seitdem schon am Fieber gestorben sein soll, nach Chartum.
Unterm 28. Juni 1878 meldete Rosset sein Vorhaben, mit seinem Freunde Gessi und mit Unterstützung der eqyptischen Regierung eine Expedition den Sobat-Fluß hinauf (südöstlich Faschoda) zu unternehmen in das Innere jener noch von keinem Europäer besuchten Gegenden, wozu die Regierung 300 Soldaten, die nöthigen Kanonen u.s.w. stellen wollte — Inzwischen erfolgte dann aber Rosset’s Ernennung zum Zivil-Generalgouverneur der 1874 durch egyptische Truppen neu eroberten Provinz Darfur und kam erstere Reise nicht mehr zur Ausführung.
Zufolge eines Briefes vom 19. Juli, datirt zwischen Chartum und Tura Hadra (südlich von Chartum, am Nil) hatte Rosset Tags zuvor den Weg nach seinem neuen Bestimmungsort Fascher (oder Tendelty) zu Kameel angetreten, wobei ihn alle Pascha’s und Bey’s in Chartum an Bord des Schiffes begleiteten; binnen 45 Tagen langte er endlich nach Bestehung vieler Mühsale dort an; er war eben noch in einen Theil der Regenzeit gerathen, wo die Kameele oft stundenlang im Schlamm stecken bleiben.
Der Empfang an allen Orten unterwegs sowohl in der — zunächst westlich an den Nil grenzenden — Provinz Kordofan, als auch in Darfur war großartig. — Darüber und über seine Wirksamkeit in Darfur selbst berichten nun noch sechs Briefe, nämlich vom 3. August, datirt Obeide (Hauptstadt von Kordofan), angelangt in Freiburg 17. October, vom 24. August, datirt Umschanga (Omekanga gewisser Karten) (angelangt 26. Oct.), vom 7. Septbr. datirt Fascher (angelangt 9. Novbr.), vom 26 Septbr., vom 9. Oct. (angelangt 7. Decbr.) und endlich vom 26. October, dies war der letzte vor seinem Tode. [Briefe von Chartum nach Fascher brauchen 14 Tage, von Chartum nach Freiburg 36 Tage.]
Wir entnehmen nun diesen Briefen noch die wichtigsten Mitteilungen nach der Reihenfolge ihres Einlaufs. (Fortsetzung folgt.)


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Übersicht:

  • Ernennung des Freiburgers Friedrich Rosset zum ägyptischen General-Gouverneur von Darfur, Freiburger Zeitung, 06.09.1878, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den aus Freiburg stammenden ägyptischen General-Gouverneur von Darfur (Teil 1), Freiburger Zeitung, 09.04.1879, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den General-Gouverneur von Darfur (Teil 2), Freiburger Zeitung, 10.04.1879, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den General-Gouverneur von Darfur (Teil 3), Freiburger Zeitung, 11.04.1879, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den General-Gouverneur von Darfur (Teil 4), Freiburger Zeitung, 13.04.1879, Artikel
  • Ethnographische und Schädelsammlung von Friedrich Rosset aus dem Sudan in Freiburg eingetroffen, Freiburger Zeitung, 05.06.1879, Artikel