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Friedrich Rosset - Über den aus Freiburg stammenden ägyptischen General-Gouverneur von Darfur (Teil 2)

Freiburger Zeitung, Nr. 85 vom 10.04.1879 (Tagesausgabe), 3. Seite

Lebensbilder aus Afrika

(Fortsetzung.)

3. August 1878. Die Reise von Chartum nach Obeid, wo Rosset gleich seinen Abschreiber an Dysenterie verlor, dauerte 14 Tage und verlief sonst glücklich. Auf der ganzen Strecke feierlichster Empfang, jener in Obeid jedoch übertraf alles Andere. Dienstag morgens 9 Uhr wurde der Einzug gehalten. Etliche 50 berittene Cawassen (Consulatssoldaten) in den buntesten Costumen bildeten den Vortrab. Rosset selbst trug die Uniform als türkischer Oberst und ritt ein Pferd, dessen Sattelzeug reich mit Gold verziert war. Vor dem Regierungsgebäude, in welchem er auch zu wohnen hatte, war das ganze Militär mit Musik in Spalier aufgestellt, Artilleriesalven wurden abgegeben, als Rosset in den Divan trat; nachher große Vorstellung aller Zivil- und Militärbeamten. Obwohl noch nicht in seiner eigenen Provinz angekommen, fand er doch schon in Obeid eine Menge für ihn bestimmter Briefe und Depeschen vor. Drei Abende nacheinander war Beleuchtung des Regierungsgebäudes und jeden Abend von 7 bis 9 Uhr spielte die Musik im Hofe vor seiner Wohnung und zwar mitunter allbekannte europäische Stücke, die ihn an seine Heimath erinnerten.
Er wartete nun blos die Bereitschaft seiner Kameele ab, um die Weiterreise nach Togia und Umschanga, dann schließlich nach seinem Bestimmungsorte Fascher, Hauptstadt von Darfur anzutreten, wozu er noch ungefähr einen Monat brauchte. —
Der Weg dahin, schrieb er, sei überdies beschwerlich, namentlich für die Strecke nach Fogia, wo es viele Löwen u.s.w. gebe, er habe jedoch ausgezeichnete Waffen bei sich, mit denen man, ohne frisch zu laden, 13mal feuern könne. Er sandte auch mit diesem Brief zwei schöne Karten von Sudan und Darfur, und den Aequatorialprovinzen hierher, behufs besserer Orientierung beim Lesen seiner Briefe.
Der schwierigen Aufgabe, das Land Darfur zu regieren, war sich Rosset vollständig bewusst, da es noch immer nicht ganz ruhig sei, immer noch Nachkömmlinge der früheren Könige auftauchen und gegen die jetzige Regierung Krieg führen; namentlich erwartete er, daß ein Häuptling Herun ihm viel zu schaffen machen werde; auch war Meldung von Hungernoth eingelaufen. Rosset selbst hatte Proviant bei sich, mit welchem er auf 1 Jahr auszukommen hoffte, darunter jedoch keine Getränke, da er überhaupt nur Wasser trank und längst an Entbehrung und einfachste Lebensweide gewöhnt war. —
Umschanga, 24. August. „Von Obeid aus unterwegs zu schreiben, war unmöglich“ — meldet Rosset--, „da mir der Regen zu stark durch meine Strohhütte hineindrang. Es geht der Weg durch Hecken, Wald und Feld; der Schmutz ist fast undurchdringlich, fast jeden Tag vollständige Durchnässung, Gewitter und Stürme. — Fogia war die erste Militärstation von der Provinz Darfur und zugleich Endpunkt der Telegraphenverbindung. In Fogia und Umschanga wurde ich gut empfangen; einige Stunden nach meinem Einzug kam großer Regen, was in diesem Lande als gutes Zeichen gilt. Priester und Würdenträger kamen mich deshalb zu beglückwünschen, da jetzt die Ernte gut ausfallen werde.“
„Ueberhaupt sind die Bewohner Darfur’s froh, einen christlichen Gouverneur zu bekommen, da die Türken hier nicht gern gesehen werden. Das Sprüchwort: Wo die Türken hinkommen, wächst kein Gras mehr, bewährt sich auch hier. Das Land ist von den türkischen Baschi-Bozuk’s ausgesogen; die Eroberungskriege haben dasselbe fürchterlich zugerichtet. Es wird lange dauern, bis nur etwas Ruhe und Ordnung hergestellt ist. Das Getreide fehlt, die Soldaten leiden Hunger und sind halbnackt. (Schwarze Soldaten mit einem Stück Fell und die Lenden und einem schönen Remington-Gewehr!) Ich selbst habe ein Pferd und zwei Reitkameele, die mich viel Geld kosten.
„Uebermorgen geht es weiter nach der Hauptstadt Fascher, wo es ebenfalls nicht am Schönsten aussehen soll. Der Commandant der Soldaten kam nicht mit mir dorthin, vielmehr bekam ich Ordre, dass alle Truppen unter meinem Befehl stehen. Hier zu Umschanga habe ich in den wenigen Tagen schon angeordnet, dass für die armen Soldaten, welche in der Regenzeit auf der Erde unter freiem Himmel schliefen, Strohhütten hergestellt werden; bis heute Abend müssen deren 15 fertig gestellt sein. Mein häufiger Umgang mit dem Militär in der Heimath kommt mit jetzt gut zu statten: ich commandiere meine Truppen besser als die ersten äqyptischen Offiziere; jeden Tag halte ich Inspection und trage beständig die Uniform.“
„Auf dem Wege hieher habe ich eine Sklavenkarawane von 400 Individuen aufgefangen: die Führer wurden gefesselt und kommen vor das Kriegsgericht, die Sklaven werden in ihre Heimath zurücktransportirt. Unbeschreiblich ist es, wie diese armen verhungerten nackten Gestalten aussahen, je 15 bis 20 an einer Kette, um den Hals gefesselt, Kinder, Säuglinge, junge Knaben und Mädchen, alles durcheinander, lebende Skelette, Haut und Knochen, begreiflich, da ihre Nahrung aus Baumrinden und Blättern besteht, — ein trostloses Bild! — Viele Jahre wird es gehen, bis die Sklaverei in diesem Lande ausgerottet ist. — Letzteres ist gerade meine Hauptaufgabe: ich werde deshalb häufig das Land zu durchstreifen haben: möge mir Gott die Kraft geben, diese schwierige Aufgabe zu erfüllen.“
- „Nicht weniger Energie wird es jedoch erfordern, den (oben erwähnten) Häuptling Herun mit seinen Soldaten in unsere Gewalt zu bekommen; vorher wird es keine Ruhe im Lande geben. Derselbe befindet sich im Gebirge Gebel Murra (zu deutsch bittere Berge) westlich von Fascher. Bis heute habe ich keine guten Berichte über diesen Menschen.“
„Meine Verantwortlichkeit ist groß. Im Süden von Darfur haben sich die Bachara gleichfalls gegen die Regierung erhoben und die ganze Gegend des Gazellenflusses ist in Aufruhr, was um so mehr zu thun geben wird. Da sich deren Anführer mit jenen von Darfur verständigt haben. Mein Freund Gessi wurde an den Gazellenfluß beordert, um dort die Aufständischen anzugreifen. Meine Aufgabe ist somit keine kleine, denn der Vicekönig rechnet auf mich, dass ich ihm seine neueroberten Länder erhalte und Europa versieht sich der Unterdrückung der Sklaverei. Gott möge mir beistehen. – Ich erwarte heute noch die Post, welche mir Nachrichten von Chartum (wo Rosset’s Familie zurückblieb) aus Europa bringen muss. Meine Zeitungen (Freiburger, Oberrheinische u.s.w., habe ich in Fogia erhalten und war dies ein Freudentag für mich, aus der fernen Heimath etwas zu vernehmen. In 8 bis 10 Tagen werde ich in Fascher sein.“
El Fascher (Darfur) 7. September 1878. „ Nach einer mühevollen Reise von 45 Tagen (von Chartum ab) traf ich endlich gesund und wohlbehalten in meiner Residenz Fascher ein. Vermöge der andauernden Regenzeit ging viel von meinem Proviant zu Grunde. Am Sedanstage (2. September), während Ihr in meiner lieben Heimath Festlichkeiten hattet, feierte Euer Sohn seinen Einzug in die Hauptstadt von Darfur.“
„Zwei Stunden von Fascher kam mir der Gouverneur mit einer Schwadron irregulärer Reiter nebst großem Gefolge entgegen. Gegen 10 Uhr hielt ich den Einzug in Fascher. Die ganze Garnison (drei Regimenter regulärer Truppen mit Fahnen und Musik) bildete Spalier bis zum Eingang in ein großes Fort, die Flaggen wurden aufgezogen und 21 Kanonenschüsse gelöst. Hier angekommen defilirte die ganze Truppe im Parademarsch vor mir; man führte mich dann in mein Wohnhaus ebenfalls im Fort, die Truppen stellten sich in Compagnie-Colonnen auf und legten mir als Generalgouverneur den hier üblichen Eid ab. Als diese Ceremonie vorüber war, wurden mir alle Militär- und Zivilbeamten, Kaufleute, verschiedene Eingeborene vorgestellt und ich von denselben begrüßt. Gestern machte ich einen Ritt durch die Stadt (?), welche aus Strohhütten besteht und fand überall freundlichen Empfang, Abends ward ich vom Gouverneur zum Nachtmahl geladen. Jeden Abend spielt die Regimentsmusik vor meinem Hause europäische Märsche, Walzer von Strauß, Arien aus den neuesten Opern von Verdi u.s.w. Ich sitze dann auf meinem Perron, umgeben von einigen Offizieren der Garnison, denke an meine Lieben in Chartum und Freiburg und mancher melancholische Gedanke durchstreift meine Seele, da ich so fern von all meinen Angehörigen weile.“
„Im Übrigen führe ich ein ganz militärisches Leben. Nachts schlafe ich wie immer in diesen Ländern im Freien und werde ganz gewöhnlich durch das Gebrüll des Königs der Thiere und der Hyänen im Schlafe geweckt. Mit der Tagreveille stehe ich auf und habe dann vollauf zu thun mit Unterschreiben und Austheilung von Ordres. Gestern wohnte ich zu Pferd den Manövers im Freien bei, commandire die Exercitien und alle Offiziere glauben, ich sei durch und durch Soldat. Gott sei Dank bin ich in Gunsten bei Soldaten und Eingebornen. Neulich machte ich auch einmal allein Nachts 1 Uhr die Runde im Fort und fand mehrere Wachen schlafend, das Gewehr zur Seite liegend Ich nahm vier Soldaten dasselbe hinweg, ohne daß sie es merkten. Ländlich, sittlich. (An solche Visitationen sind viele Soldaten nicht gewöhnt).“
„Von Gordon habe ich gute Nachrichten, ich weiß aber nicht, wie es mit Darfur gehen wird. Die Ausgaben der Provinz übersteigen die Einnahmen und die Regierung hat kein übriges Geld mehr.“
9. September. „Gestern Abend erhielt ich Meldung, dass der schon erwähnte Herun mit seinen Truppen vom Gebirge Murran heranrückte und Fascher anzugreifen beabsichtige. Ich gab sogleich Befehl, ein Bataillon mit einer Kanone demselben entgegenzuschicken. Während ich diese Zeilen schreibe, ertönen Trommeln und Trompeten im Fort, in einer Stunde müssen die Truppen abmarschiren. Hoffentlich werde ich über diesen Herun Meister werden, was ja eine meiner Hauptaufgaben ist, wahrscheinlich muss ich mich selbst noch hiefür in Marsch setzen.“
„In 8 Tagen werde ich nach Kakabia und Kulkul gehen (ersteres nördlich, letzteres weit westlich von Fascher, nahe der Grenze von Waday), eine große Reise immer weiter in’s Innere. Wenn alles gut geht, gedenke ich nach meiner Rückkehr hierher dann das Land südlich bis nach Dara zu bereisen; kurz ich werde so zu sagen das ganze Jahr auf Expeditionen sein, was hier zu Lande keine Kleinigkeit ist, wenn man bedenkt, dass man immer die Lebensmittel mitschleppen muss und dabei mit Gefahren und Entbehrungen zu kämpfen hat.“
(Gelegentlich macht Rosset den Seinigen in diesem Briefe auch Mitheilungen über Lebensmittelpreise daselbst; so kostet u. A. 1 Pfund Zucker 1 (Marien-Theresien) Thaler, = 5 Frs. oder 4 Mark.) Reis und Kaffe je 1 Thaler, eine Flasche Absinth 2 Thaler). (Fortsetzung folgt)


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Übersicht:

  • Ernennung des Freiburgers Friedrich Rosset zum ägyptischen General-Gouverneur von Darfur, Freiburger Zeitung, 06.09.1878, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den aus Freiburg stammenden ägyptischen General-Gouverneur von Darfur (Teil 1), Freiburger Zeitung, 09.04.1879, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den General-Gouverneur von Darfur (Teil 2), Freiburger Zeitung, 10.04.1879, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den General-Gouverneur von Darfur (Teil 3), Freiburger Zeitung, 11.04.1879, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den General-Gouverneur von Darfur (Teil 4), Freiburger Zeitung, 13.04.1879, Artikel
  • Ethnographische und Schädelsammlung von Friedrich Rosset aus dem Sudan in Freiburg eingetroffen, Freiburger Zeitung, 05.06.1879, Artikel