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Personen Lokalpresse

siehe auch:

Morlang, Thomas: Askari und Fitafita. „Farbige“ Söldner in den deutschen Kolonien (2008) Zur Rezension

Wigger, Iris: Die „Schwarze Schmach am Rhein“. Rassistische Diskriminierung zwischen Geschlecht, Klasse, Nation und Rasse. (2007) Zur Rezension

Michels, Stefanie: Schwarze deutsche Kolonialsoldaten. Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika (2009) Zur Rezension

Eberhardt Kettlitz: Afrikanische Soldaten aus deutscher Sicht seit 1871

Weiße Fremdbilder vom schwarzen Soldaten
Ganz selten wurde in dem ‚Anderen’ der Mensch gesehen, meist erschien er nur als „Kind“, „Wilder“ oder „bestialischer Nigger“. Diesen Wahrnehmungsmustern von schwarzen Soldaten in Deutschland widmet sich die Studie von Eberhardt Kettlitz. Den Untersuchungszeitraum vom Deutsch-Französischen-Krieg 1870/71 bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg umfassend, untersucht der Autor die Bilder, die sich (weiße) Deutsche von afrikanischen Soldaten gemacht haben. Dabei ist es das erklärte Ziel der Arbeit, die historischen Wurzeln von Rassismus freizulegen, gehören doch rassistische Diskriminierungen von Menschen afrikanischer Abstammung keineswegs der Vergangenheit an.

Seine methodische Herangehensweise lehnt Kettlitz vor allem an die sozialpsychologische Feindbildforschung an. Die von ihm im Einführungskapitel ebenfalls vorgestellten postkolonialen und diskursanalytischen Forschungsansätze finden hingegen keine, jedenfalls keine durchgehende Anwendung, was angesichts dieser Thematik unverständlich bleibt. Bei der Analyse der Vorurteile und Feindbilder und der mit ihnen einhergehenden Stereotype, werden sechs Wahrnehmungsbilder identifiziert, die zwischen individueller, durchaus von Sympathie getragener Wahrnehmung bis hin zu apokalyptischen Bedrohungsszenarien reichen. Letztere bezieht sich auf die berüchtigte Kampagne von der „Schwarzen Schmach“, die sich nach dem Ersten Weltkrieg gegen die an Rhein und Ruhr stationierten französischen Kolonialtruppen richtete. Die schwarzen Soldaten wurden als „blutrünstige Bestien“ und „Frauenschänder“ diffamiert, Schreckensbilder, die die spätere Rassenhetze der Nazis vorwegnahm und die sogar noch nach 1933 weitergeführt wurde, obgleich die letzten französischen Soldaten 1930 aus Deutschland abgezogen worden waren. Wenngleich die Multifunktionalität, die Ambivalenzen und Brüche der Fremdbilder betont werden, wirkt deren von dem Autor vorgenommene Einteilung an manchen Stellen allzu starr.
Trotz ihres beeindruckenden Materialreichtums weist das Buch die ein oder andere Lücke auf. So wird etwa in dem Kapitel „Zeitepochen und Themen“ der Kolonialrevisionismus der 1920er und 1930er Jahre nicht eigens aufgegriffen. Dies wäre aber notwendig gewesen, um das Positivstereotyp des „treuen Askari“ eingehender zu diskutieren. Unerwähnt bleiben nicht zuletzt die black-face-Askari, jene Deutsche, die schwarz geschminkt bei den Umzügen der kolonialrevisionistischen Bewegung mitmarschierten, waren gerade keine „richtigen“ - von Kolonialmigranten gemimte - Askari zur Stelle.
Das mit einem Text- und Bildquellenanhang versehene Buch, das aus der vom Autor an der Universität Leipzig eingereichten Dissertation hervorgegangen ist, kann für sich in Anspruch nehmen, die Thematik bisher am Umfassendsten von allen einschlägigen Publiaktionen behandelt zu haben. Es reiht sich ein in eine in den vergangenen Jahren boomende Forschungstätigkeit zu den mentalen Spuren, die das koloniale Expansionsstreben Europas auch hierzulande hinterlassen hat.

Joachim Zeller, April 2009

Eberhardt Kettlitz: Afrikanische Soldaten aus deutscher Sicht seit 1871. Stereotype, Vorurteile, Feindbilder und Rassismus, Peter Lang, Frankfurt a. M. 2007, ISBN 3-631-56048-6, € 59,70

Aus dem Inhalt: Zeitepochen und Themen: Deutsch-Französischer Krieg, Kolonialära, Völkerschauen, Fremdenlegion, I. Weltkrieg, Rheinlandbesetzung, Nationalsozialistische Rassenlehren und Kolonialplanung, Spanischer Bürgerkrieg, II. Weltkrieg, Besatzungszeit nach 1945, DDR und BRD, Afrikaner in Deutschland und Afrodeutsche - Bilder der Wahrnehmung seit 1871: Stereotype, Vorurteile und Feindbilder - Transport dieser in Schulbüchern - Relevanz der Studie für die Erforschung des modernen Rassismus.

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