logo

Rezensionen auf freiburg-postkolonial.de

Logo2

Diese Rezension wurde hier eingestellt im April 2010

 

siehe auch: Michels, Stefanie: Opfer des Bekennens - Zur kolonialen Erinnerungspolitik in Kamerun und Deutschland (2003). Zum Text

 

Bechhaus-Gerst, Marianne: Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen. Eine Lebensgeschichte (2007) Zur Rezension

 

 

Stefanie Michels:

 

Schwarze deutsche Kolonialsoldaten.

 

Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika

 

Die Kosmopolitisierung des Blickes
Stefanie Michels dekonstruiert den Askari-Mythos

Der „treue Askari“ wurde in Deutschland spätestens nach dem Ersten Weltkrieg und dem Verlust des Überseereichs eine emblematische Figur in der Erinnerungskultur. Popularisiert in zahllosen Erzählungen, Romanen und Bildern der kolonialrevisionistischen Bewegung in den Jahren der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, war er selbst noch lange nach 1945 im öffentlichen Bewusstsein vor allem Westdeutschlands präsent. In mancher unkritischen Publikation zur Geschichte der deutschen Kolonien, die in den vergangenen Jahren auf dem Markt gekommen sind, muss das Positivstereotyp vom „treuen Askari“ wie ehedem als Beleg für die vermeintlichen Erfolge deutscher Kolonisation in Afrika herhalten. Seit kürzerer Zeit liegen nun auch Forschungsarbeiten vor, die den Askari-Mythos gründlich dekonstruieren, darunter das Buch von Thomas Morlang „Askari und Fitafita“ (2008) und die - noch unveröffentlichte - Dissertation von Michelle Moyd „Becoming Askari“ (2008). Zu nennen wäre in diesem Kontext auch das Buch von Eberhardt Kettlitz „Afrikanische Soldaten aus deutscher Sicht seit 1871“ (2007). Jüngst hat sich Stefanie Michels in ihrer Studie „Schwarze deutsche Kolonialsoldaten. Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika“ der Thematik angenommen.

Michels arbeitet die Geschichte der Askari im Unterschied etwa zu Morlang nicht als deren Sozial- und Realgeschichte auf. Sie analysiert vielmehr die Verortung des „schwarzen deutschen Kolonialsoldaten“ in einer komplexen Repräsentations- und Erinnerungstopographie. Als Quellenbasis dienen ihr Text-, Foto- und dokumentarisches Filmmaterial. Im einführenden Kapitel klärt sie zunächst die Terminologie und begründet, warum sie sich nicht des Söldner-Begriffs bedient, sondern explizit von „schwarzen deutschen Kolonialsoldaten“ spricht. Die Begriffsgenese von „Söldner“ und „treuer Askari“ zeigt die Herausbildung binärer Oppositionen, ist doch der eine Terminus anti-, der andere pro-kolonial konnotiert. Keine der beiden Positionen möchte sich die Autorin anschließen. Dagegen soll durch Verwendung des neutralen Begriffs „Kolonialsoldat“ die Profession hervorgehoben werden, zumal es gilt, gerade die eigene Perspektive der schwarzen Kolonialsoldaten in den Fokus zu rücken. Zwischen Fremd- und Selbstzuschreibung zu unterscheiden bedeutet nicht zuletzt, die Handlungsmacht und Interessen auf afrikanischer Seite zu berücksichtigen. Während die nicht-weiß markierten Soldaten in den deutschen Blicken oft nur als anonyme Figuren, als gefügiges „Menschenmaterial“ erschienen, verstanden diese sich selbst als respektable Soldaten. So sprachen zum Beispiel in Kamerun die Betroffenen von sich als „german soldiers“, eine Grenzüberschreitung, welche koloniale (Rassen-)Hierarchien schlichtweg negierte.

Um einen anderen Zugang zur Kolonialgeschichte zu ermöglichen sowie die Vorgeschichte der schwarzen Kolonialsoldaten zu klären, schildert Michels im Weiteren die Entstehung „imperialer Räume“ auf dem afrikanischen Kontinent. Nicht Europa, sondern Afrika und die schwarzen Akteure werden in den Mittelpunkt der Betrachtungen gesetzt. Die zugrunde gelegte These lautet, dass die Durchsetzung der europäischen Kolonialherrschaft mit der nationalen Schließung bereits kosmopolitisierter Räume einherging. Die kolonisierten Räume waren demnach schon vor Ankunft der weißen Kolonialherren (trans-)regional vernetzt und sehr heterogene Akteure bestimmten die „vorkoloniale“ Geschichte.

Es folgt die eingehende Analyse der Inszenierungen der schwarzen deutschen Kolonialsoldaten, die die Träger der kolonialen Gewalt waren und damit die Basis der Machtausübung in großen Teilen des deutschen Kolonialreiches bildeten. Michels zeigt deren zentrale Funktion in der Repräsentation kolonialer Ordnung auf und wie der schwarze Andere als Projektionsfläche des weißen Selbst fungierte. Keineswegs verschwiegen wird die ambivalente Rolle der Askari, unter denen die afrikanische Zivilbevölkerung zu leiden hatte und die in deren Augen als „Henkersknechte“ der Deutschen erschienen. An postkoloniale Theorieansätze anschließend, sollen weiße Allmachtsphantasien, wie sie sich in Texten, Bildern und Performanz widerspiegeln, aufgebrochen werden.

Dabei ist es ein Hauptanliegen der Autorin herauszuarbeiten, wie diese Ordnung ständig unterlaufen wurde und die Repräsentierten die Hierarchiechen und Grenzziehungen immer wieder in Frage stellten: Am Beispiel etwa des Gebrauchs von Uniformen belegt Michels die subversiven, seitens der Afrikaner praktizierten Strategien. Während auf deutscher Seite das Tragen von „europäischen“ Uniform oder Uniformteilen als „Treue der Schwarzen“ gegenüber ihren weißen Herren ausgelegt wurde, hatten die afrikanischen Männer einen durchaus anderen Blick auf die Sache. Davon abgesehen, dass die Uniformen im Sinne einer kolonialen Mimikry (Homi K. Bhabba) eine Anerkenntnis kolonialer Macht darstellten, fungierten sie als eine Selbstermächtigung des Kolonisierten, was letztlich einer Verunsicherung der herrschenden Verhältnisse gleichkam. Adaptierten Afrikaner europäische Uniformen wie die Herero in Südwestafrika und integrierten sie in die eigene Kultur, blieb den Weißen die sich darin manifestierende subversive Grenzüberschreitung nicht verborgen. Versuche, das Tragen solcher Uniformen zu verbieten, schlugen fehl.

Die Historikerin Michels hat mit ihrem Buch über die (treuen) „Askari“, einst eine zentrale Figur der deutschen Kolonialpropaganda, eine exzellente Analyse vorgelegt. Sie möchte damit der schwarz-weißen Begegnungsgeschichte auf die Sprünge helfen, die bislang von einem „kolonialen Missverstehen“ geprägt war. Vor allem möchte sie zu einer Kosmopolitisierung des Blickes und somit zur Überwindung des kolonialen Blickes beitragen.

Joachim Zeller, April 2010

Stefanie Michels: Schwarze deutsche Kolonialsoldaten. Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika, transcript Verlag, Bielefeld 2009, 266 S., 29,80 €.

Askari-Miniatur

Bild: Solche Kleindenkmäler, einen „Askari“ darstellend, wurden den aus der deutsch-ostafrikanischen Schutztruppe ausscheidenden Offizieren überreicht. (Foto: Sammlung J. Zeller)

Zum Seitenanfang | weitere Rezensionen auf freiburg-postkolonial Weiter