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Diese Rezension wurde hier eingestellt im April 2010

 

siehe auch: Michels, Stefanie: Opfer des Bekennens - Zur kolonialen Erinnerungspolitik in Kamerun und Deutschland (2003). Zum Text

 

 

 

 

Gerulf Augustin:

Gruß aus Deutsch-Südwest:

Ansichtskarten erzählen. Ein Bild-Lesebuch

 

Das Fremde im Spiegel der Bildpostkarte

Bildbände zu Namibia, dem vormaligen Deutsch-Südwestafrika (D-SWA), liegen auf dem Buchmarkt in nicht geringer Zahl vor. Mit dem „Bild-Lesebuch“ von Gerulf Augustin „Gruß aus Deutsch-Südwest: Ansichtskarten erzählen“ reiht sich ein weiterer Band in dieses Themenspektrum ein. Der Autor hat aus seiner privaten Sammlung von Kolonialpostkarten ca. 150 Exemplare ausgewählt, die Motive aus D-SWA zeigen und die ganz überwiegend in den drei Jahrzehnten vor 1914 gelaufen sind.

Die Bildpostkarten werden in einer überaus guten Abdruckqualität präsentiert. Die meisten Karten sind allerdings bekannt und bereits in anderen einschlägigen Veröffentlichungen zu finden. Augustin ergänzt die Bilddokumente durch Auszüge aus alten Reiseberichten und anderen zeitgenössischen oder aktuellen Schriften. Erwähnenswert ist die Dokumentation der persönlichen Notate der Absender: In nahezu allen Fällen besteht eine große Diskrepanz zwischen aufgedrucktem Bild und handschriftlichem Text. Soweit hat der Autor ein sehr kurzweiliges Buch vorgelegt, das beim Durchblättern interessante Einblicke in die koloniale Vergangenheit Namibias, seinen Menschen, Landschaften, Tierwelt, Städten bis hin zur Wirtschaft gewährt.

Doch bei alledem sind für den kritischen Leser die Mängel des Buches nicht zu übersehen. Die Einführung kommt über ein paar Allgemeinplätze zur Geschichte der südwestafrikanischen Kolonie und der Ansichtskarte nicht hinaus. Ein Blick in die knappe Literaturliste offenbart das Fehlen der gesamten - im Zuge des 'iconic turn' erschienen - bildwissenschaftlichen Fachliteratur. Der Autor hat die zwar noch junge, aber sehr dynamische Disziplin der historischen Bildforschung ganz offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen. Dabei hat sich die visual history in letzter Zeit gerade auch mit den visuellen Massenmedien des Kolonialzeitalters im Allgemeinen und mit Namibia im Besonderen befasst. [1] Selbst bei einem für das breite Lesepublikum gedachten Buch muss das Fehlen dieser Literatur moniert werden. [2] Der quellenkritischen Methodik im Umgang mit solcherart Bilddokumenten wäre eine Berücksichtigung jedenfalls sehr förderlich gewesen. Zwar fehlt nicht der Hinweis auf die „europäische Sichtweise“ des Postkartenmaterials, doch wie mit dieser ethnozentristischen Quellengruppe umzugehen ist, bleibt völlig unklar. Unkommentiert bleibt weitgehend auch die Instrumentalisierung der Bilder innerhalb der Diskurse von Rassismus, Exotismus und Kolonialismus.

Zu vermeiden gewesen wäre nicht zuletzt die unkorrekte Identifizierung mancher Postkarte. So wurde etwa die im Jahr 1905 versandte Karte mit der Bildlegende „Bilder aus Deutsch-Süd-West-Afrika: ‚Frau Feldwebel Balla im Sonntagsstaat’.“ (S. 101) mit einem falschen Aufdruck versehen. Bei der dort abgebildeten Frau handelt es sich nicht um eine Südwestafrikanerin, sondern um eine Kamerunerin. Es ist die Frau eines schwarzen deutschen Kolonialsoldaten, die sich entsprechend des hohen Dienstgrades ihres Ehemannes gekleidet hat und damals zur kosmopolitisierten Oberschicht ihres Landes gehörte. [3]


Bild: Seite 101 aus dem besprochenen Band von Gerulf Augustin.

Die Frage nach dem Kolonialismus der Bilder bzw. den Repräsentationen des Fremden im Spiegel der Bildpostkarte bleibt eine wichtige und herausfordernde Aufgabe.

Joachim Zeller, April 2010

Gerulf Augustin: Gruß aus Deutsch-Südwest: Ansichtskarten erzählen. Ein Bild-Lesebuch, Projekte-Verlag Cornelius GmbH, Halle 2009, 117 S., 24,95 €

 

Anmerkungen:
[1.] Siehe u.a. Hartmann, Wolfram / Silvester, Jeremy / Hayes, Patricia (eds.): The Colonising Camera. Photographs in the making of Namibian History, Cape Town / Windhoek / Athens 1998; Hartmann, Wolfram (ed.): Hues between black and white. Historical photography from colonial Namibia 1860s to 1915, Windhoek 2004; gerade ist erschienen: Langbehn, Volker M. (ed.): German Colonialism, Visual Culture, and Modern Memory, New York/London 2010.
[2.] Dieses Problem stellt sich auch bei mancher vergleichbaren Publikation. Siehe z.B. Otte, Wulf: Weiß und Schwarz - Black and White. Photos aus Deutsch-Südwestafrika / from Namibia 1896-1901, hrsg. im Auftrag des Braunschweigischen Landesmuseum, Wendeburg 2007. Zur Rezension
[3.] Siehe dazu Michels, Stefanie: Schwarze deutsche Kolonialsoldaten. Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika, Bielefeld 2009, S. 204 f.

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